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Gruss vom Spendenbrief-Berg

22 Zentimeter hoch und gut 3,1 Kilogramm schwer. Das sind die Eckwerte des «Spendenbrief-Berges», der sich bei mir im vergangenen Jahr 2024 angehäuft hat. Kämpfen wir uns doch mal durch diesen Stapel. – Ein Selbstversuch.

 

Ja, ich spende hie und da. Für Dinge und Organisationen, die mir wichtig sind. So ist es nicht erstaunlich, dass ich entsprechende «Bettelbriefe» erhalte. Erstaunlich hingegen ist es schon, welches Ausmass diese Bettel-Schwemme annimmt. Um zu sehen, was da jahrein jahraus in meinem Briefkasten landet, habe ich im Jänner 2024 ein Experiment gestartet: Alle Bettelbriefe, die ich per Postbote erhalte, werden gesammelt, um sie am Jahresende auszuwerten. Nicht berücksichtigt werden in diesem Experiment alle Spendenanrufe oder Spendengesuche per Mail.

Die Ergebnisse an Silvester 2024 sind beeindruckend: es sind total 107 «Bettelbriefe», die sich da auf eine Höhe von 22 Zentimetern türmen. Die Waage zeigt an: 3,1 Kilogramm Papier.

Meine Adresse ist Geld wert

92 der 107 Briefe sind persönlich an mich adressiert – mit P.P., AZB oder Quickmail; das sind 86 Prozent. Nur 15 Briefe fallen in die Kategorie Streusendung – sind also nicht adressiert. Es liegt auf der Hand, dass mein Name und meine Adresse in der Spenden-Branche gehandelt werden, also letztlich damit Geld verdient wird. Denn ich habe den wenigsten der mich anbaggernden Organisationen in den vergangenen Monaten und Jahren gespendet.

Spenden sammeln braucht Durchhaltevermögen

Woher kommen all die Bettelbriefe? Auch da hilft die Auswertung des Bettelberges: Mit 11 adressierten Briefen unangefochtene Rekordhalterinnen sind die beiden Organisationen Vier Pfoten und Terre des hommes. Die schaffen es sogar, mir innerhalb eines Monats je zwei Briefe zuzustellen, Vier Pfoten im März, Terre des hommes im November.

Und so sieht die Rangliste aus:

OrganisationZuschriften
Vier Pfoten11
Terre des hommes11
Caritas Schweiz8
Grüne Schweiz7
UHNCR Switzerland6
WWF Schweiz5
Pan Eco5
Koalition für Konzernverantwortung5
Schweizer Tierschutz STS4
Kunstverlag Au3
Schweiz. Rotes Kreuz3
Pro Senectute3
SP Schweiz3
Dampffreunde Brienz-Rothorn-Bahn3
fragile Suisse3
Médecins sans frontières2
Andere (22 Organisationen)je 1

Die Nase klar vorn beim Spendensammeln haben Organisationen, die entweder das Tierwohl im Sinn haben (wie Vier Pfoten, WWF, PanEco und STS) oder versuchen, das menschliche Leid zu lindern (wie Terre des hommes, UHNCR und SRK). Doch auch die politischen Akteure (in meinem Fall Grüne und SP) versuchen tatkräftig, ein gutes Stück des Kuchens zu ergattern.

Wir sind vorerst noch immer bei der Auswertung des «Bettelberges». Auch was allfällige Beilagen anbelangt, ist die Ausbeute ziemlich beeindruckend und teilweise überraschend: Nebst 5 Billig-Kugelschreibern mit eingraviertem Namen von mir, 1 Bleistift und 1 Papier-Notizblock finden sich Dutzende schöner Karten, 2 Bögen mit Adressaufkleberli mit meinem Namen, 2 Rätselhefte, 1 Memory, 1 Pflasterset und 1 Weltkarte. Ebenso liegen 1 wiederverwendbares Obst- und Gemüsenetz aus Bio-Baumwolle, 1 Tüte mit Vogelfutter, ein schönes gebundenes Märchenbüchlein  und ganze 3 Bildkalender als Goodies im Couvert.

Stories, die berühren

Weil die Spendenorganisationen möglichst erfolgreiche Kampagnen fahren möchten, liegt es auf der Hand, dass in den meisten Fällen an die Barmherzigkeit und das grosse Herz der Spenderin und des Spenders appelliert wird. Und wie macht man das? Mit einer möglichst berührenden, zuweilen auch schockierenden Story über Menschen oder Tiere, die einem nahegehen soll. Da finden sich dann Titel wie:

>  «Unfassbares Streunerleid: Moldawiens Hunde brauchen uns!» (Vier Pfoten)

>  «Für Sie in Sissach läuft das Wasser weiter. Für Tiruye Wendim in Äthiopien bleibt es aus. Für immer?» (Helvetas)

>  «Unendliche Weiten – unendlicher Müll? (WWF)

>  «Stellen Sie sich vor, Sie sind blind, schutzlos an einen Strick gebunden und in einer schmutzigen Strasse in Thailand Ihrem Schicksal überlassen» (Vier Pfoten)

>  «Dieses Kind ist in diesem Augenblick einem grausamen Schicksal schutzlos ausgeliefert» (Verein Barmherzigkeit)

>  «Gerettet nach unvorstellbaren Qualen. Nur mit Ihrer Hilfe ist das möglich!» (Gut Aiderbichl)

>  «Dieses Jahr erleben fast 5 Millionen Kinder ihren 5. Geburtstag nicht!» (Ärzte ohne Grenzen)

Kinder und Tiere. Es ist klar, dass sie es sind, deren Schicksal uns am meisten nahegeht. Und, Hand aufs Herz: Wer möchte schon mitschuldig sein, wenn die Schwächsten auf der Welt leiden oder des Hungers sterben? Eben. So gesehen erreichen solche Schauergeschichten oftmals ihr Ziel und die Spenderin, der Spender öffnet den Geldbeutel.

2-Milliarden-Markt

Nach Spenden gesucht wird das ganze Jahr über: Ob auf der Strasse via sogenanntes «Face-2-Face»-Fundraising, wo die Passanten angesprochen werden von sympathischen jungen Leuten («Hey, wie geht’s? Hast du kurz Zeit?») oder per Bettelbrief. Aber vor allem die Adventszeit ist sozusagen Hochsaison für das Spendeneintreibe-Gewerbe. Abgesehen von der Katastrophenhilfe erreicht der Grossteil der Spendengelder die Hilfswerke in den Wochen vor den Festtagen. Übrigens: Bin mal gespannt, ob der Monat Januar im neuen Jahr wie in den vergangenen Jahren ohne Bettelbriefe bleibt.

In der Schweiz werden gemäss Zewo jährlich etwas mehr als 2 Milliarden Franken an Spendengeldern gesammelt. Im Jahr 2023 lag eine durchschnittliche Spende per Post- oder Banküberweisung bei 178 Franken, während sie bei digitalen Zahlungsmitteln 100 Franken betrug.

Ärgernisse und Pluspunkte

Was mich persönlich ärgert ist die bereits erwähnte Tatsache, dass meine Daten (und jene vieler anderer Spenderinnen und Spender) offensichtlich in der Spendenbranche gehandelt werden. Nur so ist es zu erklären, dass ich nebst bekannten Organisationen jedes Jahr Post von mir bisher unbekannten Organisationen im Briefkasten finde. Ebenso fällt mir auf, dass der Wust an «Bettelbriefen» mit dem Datum meiner Pensionierung markant angestiegen ist. Rentnerinnen und Rentner sind offensichtlich eine lukrative Zielgruppe…

Dass hie und da gleich mehrere «Bettelbriefe» an einem Tag im Briefkasten landen und man angesichts dieser Fülle aufpassen muss, die übrige Post nicht zu übersehen, stört mich hingegen nicht. Denn ich sehe (mindestens) drei Vorteile dieser Spendengesuche: Weil die Briefe und die beiliegenden Prospekte, Karten und was auch immer gedruckt werden müssen, gibt es Arbeit für die gebeutelten Druckereien – so denn überhaupt in der Schweiz gedruckt wird. Erstens. Zweitens haben Post und andere Verteilorganisationen Arbeit. Und drittens freuen sich die Schülerinnen und Schüler, die mehrmals jährlich das gebündelte Altpapier einsammeln, um sich so einen Zustupf an ein Schullager erwirtschaften zu können.

Wie auswählen?

Ich werde auch weiterhin spenden. Bei der Auswahl lasse ich mich von zwei Hauptkriterien leiten: Wofür schlägt mein Herz? Und: Wo und wie kann ich mit meiner Spende tatsächlich etwas bewirken? (vgl. dazu die Box «So spenden Sie richtig»)

Falls es Sie interessiert, wem ich heuer spenden werde, hier die Auflösung: Je eine Spende erhalten Helvetas (weil ich Vertrauen in die habe), Caritas Schweiz (weil mich deren Engagement überzeugt), der Schweizer Tierschutz (weil der STS die Volksinitiative zur Abschaffung der Feuerwerke propagiert), der WWF Schweiz (weil ich schon als Kind Mitglied war), pro natura (weil sich diese Organisation einsetzt für Oasen in unserem zugebauten Siedlungsraum) und die Schweizerische Bibliothek für Blinde und Sehbehinderte (weil sie neue Bücher in Blindenschrift und neue Hörbücher produziert).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

So spenden Sie richtig

  1. Fragen Sie sich: Was möchte ich unterstützen?

Machen Sie sich klar, wofür Sie wirklich spenden möchten. Was ist Ihnen wichtig: Kinder? Gesundheit? Armutsbekämpfung? Tiere? Entwicklungshilfe? Und: Wo kann ich mit meiner Spende am meisten bewirken? Wohl am wichtigsten: Wofür schlägt mein Herz?

  1. Informieren Sie sich

Was sagt die Website einer Organisation aus, was sagen andere über diese Organisation? Ist die Organisation mit als seriös mit einem Gütesiegel ausgezeichnet (zum Beispiel mit dem Zewo-Spendensiegel)? Nachfragen bei einer Organisation zu einem bestimmten Projekt können auch helfen, die Seriosität zu beurteilen.

  1. Achten Sie auf die Wirkung

Als Spender und Spenderin sollte man das Gefühl haben, dass mit meiner Spende etwas bewirkt werden kann. Dabei helfen können Jahres- und Rechenschaftsberichte.

  1. Spenden Sie so, dass es der Organisation am meisten nutzt

Zweckgebundene Spenden geben ein gutes Gefühl, weil damit ein ganz bestimmtes anliegen unterstützt werden kann. Dennoch: Weil Sie sich im Idealfall eine Organisation ausgesucht haben, der Sie vertrauen, können Sie auch ohne Zweckbindung spenden, damit die Organisation einen grösseren Handlungsspielraum hat.

  1. Spenden Sie kostensparend

Nicht einmal das Spenden ist gratis. Es fallen Gebühren an für jene, die die Spenden erhalten. Deshalb gilt: Lieber pro Organisation eine grössere Spende als viele kleine. Tipp: Bei grösseren Spenden verlangen Sie eine Spendenquittung, weil Spenden von der Steuern abgesetzt werden können.

  1. Achten Sie auf das Zewo-Gütesiegel

Die Zewo-Stiftung ist eine unabhängige, gemeinnützige Organisation in der Schweiz, die darauf abzielt, Transparenz und Vertrauen im Bereich der Spendenverwendung zu fördern. Sie überprüft gemeinnützige Organisationen auf ihren sorgfältigen Umgang mit Spendengeldern und vergibt das Zewo-Gütesiegel an solche Organisationen, die ihren total 21 Standards entsprechen. Und die Zewo bietet auch Informationen für Spenderinnen und Spender, um diese bei Spendenentscheidungen zu unterstützen. https://zewo.ch/de/

Foto: Christian Roth

 

Spenden

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4 Kommentare

  1. Es ist interessant, von jemandem das Thema Spenden beschrieben zu bekommen. Ich bin auch ein Opfer der Spendenbriefe. Bei mir sind es weit über 150 übers Jahr verteilt. In den letzten Jahren habe ich im 1. Halbjahr grundsätzlich alle ungelesen ins Altpapier befördert. Ab dem 1. Juli beginne ich sie zu sammeln, und Ende Jahr werden sie aussortiert, damit nicht mehrmals die gleiche Organisation etwas bekommt. Es sind dann immer noch 60 – 80 Einzahlungsscheine!
    Habe auch schon versucht, bei jeder Spende zu schreiben, dass sie nur 1 Mal einen Brief senden sollen, aber das hat nicht funktioniert. So wird halt der Altpapierberg immer grösser!

  2. Abgesehen von einigen kleineren Spenden konzentriere ich mich auf 1-2 Organisationen, die ich persönlich kenne.
    Von den berücksichtigten Organisationen erhalte ich mehrheitlich – auf meinen Wunsch – nur einen Brief/Jahr.
    Den anderen Organisationen lasse ich die Briefe ungeöffnet zurückgehen, mit der handschriftlichen Bitte auf dem Couvert, mich aus der Datenbank zu löschen.
    Das reduziert erheblich was ich erhalte.
    2 von Ihnen erwähnte Organisationen (Schweizer Tierschutz und WWF) sind auf meiner Sperrliste, da sie mich als Testamentvollstrecker vor Gericht gezogen haben und mehr wollten. Das Gericht entschied nach ca. 5 Jahren, dass sie bedeutend weniger erhalten sollten, als ich ursprünglich für sie ausgerechnet hatte. 5 Jahre dauerte es u.a. deshalb, weil der Schweizerische und der Zürcher Tierschutz jahrelang miteinander stritten, wer im Testament unter «Tierschutz» gemeint sei. (Der damalige Präsident des Zürcher Tierschutzes vertrat diese Organisation als Anwalt …)

  3. Nicht nur per Post wird man damit bedient, auch telefonisch wird man um Spenden gebeten. Ja selbst SRF macht diesen Tanz mit, indem die SRF Moderatoren und Moderatorinnen berieseln einem mehrmals täglich mit Spendenaufrufen. Kurz oder schlecht und gut: Ich bin mit dem Autor einig. Diese Bettelei ist lästig. Es lohnt sich übrigens, die geleisteten Spenden zu notieren und zu kontrollieren, ob nicht schon bezahlt worden ist. So lässt sich vermeiden, dass die gleiche Organisation gleich zweimal bedacht wird.

  4. Man kann nicht nur grosse Beträge als Spenden bei den Steuern abziehen, sondern alle. Vorausgesetzt, die Summe beträgt mind. 100.-.
    Hat man keine Spendenbescheinigung, kann man auch den Kontoauszug scannen (ev. zuvor jene Transaktionen abdecken, die man nicht sichtbar machen möchte.)

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