Für 2025 hat sich die neue Bundespräsidentin eines vorgenommen: Sparen. 5 Milliarden sollten es dann schon sein im 90 Milliarden Bundeshaushalt. Damit das möglichst glaubwürdig daherkommt, griff sie nicht selbst zum Spargriffel. Sie setzte dafür eine hochkarätige Arbeitsgruppe ein mit Serge Gaillard an der Spitze. Der ehemalige Direktor der Finanzverwaltung und Sozialdemokrat sollte es richten. Und die Arbeitsgruppe wurde fündig und wie. Jetzt hat die Bundespräsidentin zuerst in der Regierung, später im Parlament durchzusetzen, was sie sich vorgenommen hat. Jetzt ist sie aber nicht nur Finanzministerin, sondern auch «nur die Erste unter Gleichen», wie sie vorsorglich im TV-Bilanz-Talk vor ihrer Kür ihre neue Rolle als Bundespräsidentin relativierte. Nur: Als Bundespräsidentin steht sie nun weit stärker im Fokus der Medien. Und wie beflissen sie im Umgang mit Medien sein kann, das habe ich selbst mehrmals erfahren; sie überlässt nichts dem Zufall. Das ist anstrengend.
Jetzt haben wir es Gott sei Dank bald hinter uns und Karin Keller-Sutter wohl auch: Das liebste Spiel, der Bundeshaus-Journalistenschar zum Jahreswechsel, das Schaulaufen der Mitglieder des Bundesrates. Jetzt sind die Noten abschliessend verteilt: Bundespräsidentin Viola Amherd war nach der NZZ eher das Glück hold als ihre praktizierte Politik. Zum grossen Bild von Ignazio Cassis auf der Front-Seite der Sonntags-Zeitung setzte die Redaktion den Satz: «Würden Sie diesem Mann einen EU-Vertrag abkaufen», als wäre er unter die Autoverkäufer gegangen, welche die Journalisten ehrenrührig damit meinen, ungestraft verletzen zu dürfen.
Die Amtsjüngsten in der Landesregierung mussten neben ihrem «Genügend» in den Leistungsnoten auch noch beim Betragen einiges zur Kenntnis nehmen. Beat Jans sei sehr gut gestartet und nun aber vom Regen in die SVP-Traufe geraten. Elisabeth Baume-Schneider hätte beinahe das Gegenteil erfahren: Sie könne weit besser zuhören als ihr Vorgänger Alain Berset, der neue Generalsekretär des Europarates. Noch vor einem Jahr sei sie aus der Sicht der gleichen Notengeber von «der Justiz ins Innere geflüchtet». Was ihr damals mehr als übelgenommen wurde, dreht sich nun um ins Gegenteil. Was ein Jahr alles bewirken oder was alles in Vergessenheit geraten kann. Karin Keller-Sutter, die Viola Amherd im Präsidium bereits abgelöst hat, kam gut weg. Energisch habe sie die CS-Krise gemeistert. Und in ihrer Neujahrsansprache hat sie nach den Medien den richtigen Ton getroffen. Das Ziel, das sie gesetzt hat, kam an: Mehr Zusammenhalt im Bundesrat. Und uns mahnt sie zu mehr «Bescheidenheit».
Es trifft sich gut, dass jetzt, 30 Jahre danach, wiederum der gleiche Ton im Bundesrat angeschlagen wird wie damals: Mehr Zusammenhalt. Jetzt geben die Archive frei, dass der Bundesrat damals nicht besser dastand als die Landesregierung heute. Im Gegenteil. Wie sich Adolf Ogi und Otto Stich spinnefeind gegenüberstanden. Hier der Pfennigfuchser und da der Erneuerer, der nicht nur einen neuen Gotthard-Bahn-Tunnel, damals den längsten der Welt, bauen, sondern auch den Lötschberg-Tunnel grundsätzlich erneuern wollte. Zwei Nord-Süd-Bahn Verbindungen gleichzeitig.
Angebahnt hatte sich die negative Stimmung nach dem legendären Abstimmungs-Nein zum EWR am 6. Dezember 1992. Damals, als Adolf Ogi, der SVP-Bundesrat, im Abstimmungskampf den EWR-Vertrag als «Vorbahnhof» bezeichnet und damit den EU-Gegnern den Vorwand geliefert hatte, der Bundesrat wolle eh nur eines: die Vollmitgliedschaft in der EU. Was nicht stimmte und im Bundesrat für böses Blut gesorgt hatte. Und wiederum steht der Bundesrat – wie damals – vor einer beinahe ähnlichen Ausgangslage. Wie soll die Schweiz ihr Verhältnis zur EU regeln?
Ja, es wird sehr an Karin-Keller-Sutter liegen, wie sich der Bundesrat künftig verhalten wird. Sie wird an vier Fronten gefordert sein. Zuerst im Bundesrat intern; sie hat die beiden SVP-Vertreter, Albert Rösti und Guy Parmelin, auf Linie zu bringen. Dann nicht minder schwierig wird es für sie sein, ihre eigene Partei hinter sich zu einen, welche in EU-Gegner und EU-Befürworter gespalten ist.
International wird die Schweiz 2025 noch einmal weit stärker unter Druck geraten, so auch die Präsidentin. Nicht zuletzt aus der Administration Trumps. Nicht nur die EU wird sich selbst zu verteidigen haben und deshalb weit mehr als 2 % des Bruttoinland-Produktes BIP für die Verteidigung ausgeben müssen, auch die Schweiz. Nicht genug: Aus Washington schwappt schon jetzt die Zahl um 4 bis 5 % des BIP auf Europa über, ähnlich, was Polen schon heute leistet, 4.5 %. In Deutschland hat erst Robert Habeck, der Grüne Kanzlerkandidat bemerkt, was auf sein Land zukommen wird. Als ehemaliger Dienstverweigerer geht er erstaunlicherweise voran und fordert bereits 3.5 % des BIP für die Verteidigung, weil er einem nicht traut: Putin, dem Kriegsherrn im Kreml.
Davon ist die Schweiz weit entfernt. Ist es nicht erstaunlich, gar fahrlässig, dass Bundesbern trotzig gar darum kämpft, ob es dann 1 % des BIP sein darf? Sicher ist nur eines: Mit einem Prozent des BIP, auch wenn wir es doch erreichen sollten, wird sich die Schweiz nicht vom Druck befreien können. Im Gegenteil. Stets deutlichere Mahnungen aus Brüssel, aus Kreisen der Nato werden den Druck aus den USA massiv verstärken.
Und nicht zuletzt wird der Bundesrat und damit auch seine Präsidentin in der Kommunikation gefordert sein. Das jährliche Schaulaufen wird einem steten, nachhaltigen Kommunikationsdruck weichen. Im Geflecht von Profilierung und steter Aufklärung, in dem der Bundesrat insbesondere in der Europa- und Sicherheitspolitik stehen wird, kommt es ganz zentral auf die Kommunikationsfähigkeit an. Auf eine Fähigkeit, die auf einer soliden, durchdachten bundesrätlichen Innen-, Aussen-, Sicherheits- und Wirtschafts- und Migrationspolitik basieren muss. Also auf alle sieben Mitglieder im Bundesrat und speziell die Präsidentin. Vor 30 Jahren ging der Bundesrat widerwillig in Klausur, als der Haussegen schief hing. Jetzt nach dem Schaulaufen könnte er ja freiwillig gehen. Grund dazu hätte er genug. Eines sollte das Jahr 2025 nun wirklich nicht werden: ein Schaulaufen für Einzelgängerinnen und Selbstdarsteller im Bundesrat. Und das liebste Spiel der Journalistenschar hat sich vom Oberflächlichen zum Wichtigen zu wandeln.
Lieber Anton Schaller
Herzlichen für diese kompetente Beurteilung der aktuellen Lage im Bundeshaus. Tatsächlich wird sehr viel von der Kommunikationsfähigkeit abhängen und die folgt leider einer echt schweizerischen Eigenheit: Sowohl als auch und vielleicht ergibt sich doch ein noch besserer Deal. «Entre des marchands de tapis» mag das ja angehen. Ausserhalb verliert die Schweiz immer mehr an Glaubwürdigkeit, die Überzeugung, dass es sehr wohl auch ohne Schweiz geht, wächst bedrohlich. Die Erwartungen an KKS sind hoch, zu hoch. Die Abhängigkeit von der eigenen freisinnigen Klientel, der Partnerschaft mit der SVP und der Windfahne in der Mitte wird überwiegen. Auch wenn sie «gerne regiert», das andere Alphatier heisst Rösti, und der wird wie sie weiterhin ausführen, was anderswo entschieden wird.