Bereits bin ich irritiert, wenn ich nur schon davon zu schreiben beginne. Wo fängt ein Trinkgeld an, wo hört es auf? Belohne ich eine vorzügliche Leistung, eine zuvorkommende Bedienung im Restaurant, einen Taxifahrer, der den schnellsten Weg zum Ziel einschlug? Oder gebe ich ein Trinkgeld, weil ich nicht als Geizhals erscheinen, kein schlechtes Gewissen bekommen will, weil ich weiss, dass das Personal schlecht bezahlt ist? Oder ganz anders: Weil es mir guttut, als grosszügig zu gelten? Oder noch ganz anders, weil ich mir für das nächste Mal einen noch besseren Platz, eine noch bessere Bedienung zu bekommen hoffe. Kaufe ich mir Achtung, Beachtung?
Es gibt aber auch die andere Seite. Es ist ein Geschäftsmodell, das sich durchzusetzen beginnt: Trinkgeld-Phishing. Und das geht so: Das kleine Kreditkarten-Lese-Gerät schlägt zur Rechnung vor: Geben Sie 10, 15 oder 20% Trinkgeld. Sie haben «grosszügigerweise» die Wahl. Und wenn sie keines geben wollen, müssen sie das extra beim Gerät eingeben oder eingeben lassen, quasi Öffentlichkeit herstellen. Immerhin gibt es zwei Gewinner. Die Chefs, welche die Löhne tief halten, und die Bediensteten, die ihre tiefen Löhne aufbessern können.
Dass es drei Varianten gibt, ist das Resultat wissenschaftlicher Erkenntnisse, wie «Die Zeit» zu berichten weiss. Die Analytiker haben danach herausgefunden, dass der Kunde bei zwei Preisen eines ähnlichen Produktes in der Regel dem billigeren den Vorzug gibt. Sind es drei Produkte, wird meistens das Mittlere bevorzugt. Nehmen wir ein Beispiel. Sie wollen eine Kaffeemaschine posten. Bei zwei Produkten liegen die Preise bei einem bei 49, beim andern bei 99 Franken. In der Regel wird das billigere gekauft. Bei drei liegen sie bei 49, 99 oder bei 199 Franken. Wenn Sie sich nun für das Mittelpreisige entscheiden, wie die Untersuchungen zeigen, erhöhen Sie zwangläufig den Umsatz des Geschäftes, wohl auch den Gewinn. Lassen wir uns so leicht manipulieren? Selbst beim Trinkgeld?
Plötzlich frage ich mich beim Schreiben: Wie ist es nun auf der ganz grossen Bühne? Wie ist es, wenn Elon Musk, der reichste Mann der Welt, dem bald wichtigsten Mann der Welt für seinen Wahlkampf 280 Millionen spendet? Einfach so. Was ist das? Eine grosse Gabe, ohne Hintergedanken?
Oder kauft sich Musk Achtung, Beachtung, Macht, gar Weltmacht? Noch nicht im Amt, überbieten sich beide. Trump, der Mächtigste, will Grönland kaufen, den Panama-Kanal sich unterstellen, Kanada in die USA einverleiben. Und der Reichste wütet auf seiner Plattform X gegen gewählte Demokraten in Europa, huldigt Rechtsradikale der AfD in Deutschland als die, welche unser Nachbarland «vor dem Niedergang retten». Und Alice Weidel, die Chefin der AfD und nun auch Kanzlerkandidatin, lässt er auf seiner Plattform unwidersprochen sagen, Hitler sei ein Kommunist gewesen und habe mit den heutigen Rechtsradikalen der AfD nichts zu tun.
Und was ist mit denen, die das alles nicht so schlecht finden, wie der Basler Schriftsteller Claude Cueni, der auf einer ganzen Blick-Seite Elon Musk dankt, dass er nicht der Demokratie den Kampf ansagt, sondern der Zensur, die Musk überall festzustellen meint. Oder Eric Gujer, der NZZ-Chefredaktor, der Trump in seinen Leitartikeln und Vorträgern zwar als Ankündiger von Grosstaten, aber in der realen Politik als nicht so gefährlich bezeichnet. Wir werden ja sehen.
Beim Trinkgeld habe ich angefangen, bei den Milliardären wie Musk, Trump bin ich gelandet. Ja, selbst beim Trinkgeld müssen sich Viele fragen, was kann ich mir leisten? Milliardären dagegen kann es nicht genug kosten, wenn sie sich Beachtung, Einfluss und Macht kaufen und ausüben können. Nur: Wo führt das hin? Bleiben wir wachsam.
Ja, wo führt das Gebaren des Duos Trump/Mask hin? Das fragen sich viele und bei manchen spüre ich eine grosse Unsicherheit und wenig Zuversicht in die nächsten vier Jahre, ja gar Angst macht sich breit bei dieser Frage.
Eine mögliche Gefahr für die seit dem letzten Weltkrieg geltenden demokratischen Werte in Europa und der Schweiz, können wir auch in unserem Land ausmachen. Die letzten Aussagen von SVP Anhängern, die ganz auf Trumplinie sind, sollten uns aufhorchen lassen.
Zwar widerwillig habe ich mir die Rede der Kanzlerkandidatin Alice Weigel der rechtsradikalen Partei Deutschlands AfD auf Phoenix angehört und mitverfolgt.
Ich war von früheren Reden Weigels auf einiges gefasst, doch was diese Rede, in Inhalt und Selbstdarstellung bot, war nicht nur unglaublich und zutiefst erschreckend, sie löste bei mir unweigerlich die Assoziation aus: Das sind Hitlers Glaubenssätze und exakt seine Rhetorik, wie er vor seiner Wahl zum Alleinherrscher in Deutschland während den 1920 und 1930 Jahren agierte. Und es hörte sich genauso an wie wenn Trump, der verurteilte Kriminelle und sein reicher egomaner Kumpel Mask ihre Reden an die von den Medien gepuschten Massen zelebrieren.
Nach der Rede Weigels wurde mir schlecht. Wir können nur hoffen, dass genug Abwehrkräfte in Europa und Amerika vorhanden sind, um diesen menschenverachtenden Vorhaben mit unserer ganzen Überzeugung rechtsstaatlicher und gerechter menschlicher Werte entgegen zu treten.
Mit Vorsicht zu sehen und hören:
https://www.ardmediathek.de/video/phoenix-vor-ort/afd-parteitag-rede-von-alice-weidel-kanzlerkandidatin/phoenix/Y3JpZDovL3Bob2VuaXguZGUvNDc0MDQ2Mg
Kürzlich war ich in meiner ersten Heimat, «underwägs z’Züri nächi See», mit einem kleinen Lustanfall auf “die beste Bratwurst vom Grill”. Schwupps auf den Pappteller + Pürli zu einem Preis eines Mittagessens in unserem französischen Dorfrestaurant. Wie gehabt, drei Vorschläge zum Thema Trinkgeld, spontaner Entscheid Null! Wenn der Wirt den Anstand verliert… Man kauft, verkauft und fordert.
Es sind Zeichen der aktuellen Zeit, böse Zeichen. Ein krimineller Egomane, gewählt zum Präsidenten des mächtigsten Staates der Welt, nota bene gewählt vom amerikanischen Volk; sein wichtigster Berater Musk, der die halbe Welt bedroht, stand nie zur Wahl, aber man lässt ihn gewähren. Eine Kanzlerkandidatin Weidel mit Reden im Stil der NSDAP, die in der Innerschweiz Gastrecht geniesst und gerne an gemeinsame Nachtessen mit Ueli dem Pächter erinnert. Der Gottvater vom Herrliberg und seine unsägliche Entourage, die Orban und anderen Despoten standing ovations bringen, und und. Da sind Cueni und Eric Gujer, dessen Artikel in der NZZ man gelassen umblättern kann, kleine déchêts die vom Tisch fallen.
Wir, Herr Schaller, wir alle von der Generation 80+plus, haben noch erfahren, wie es herauskommt, wenn man sich nicht wehrt. Ihr Rat, wachsam bleiben, reicht leider nicht, wiederum nicht. Europa zaudert, aber es hilft wenigstens der Ukraine, unsere Heimat Schweiz evaluiert, auf welcher Seite man nach der Katastrophe möglichst verlustfrei dasteht. Courant normal. Ich denke an unsere Kinder und Enkel.
Wunderbar einfach und klar verständlich dargestellter Artikel mit zwei hervorragenden Leserkommentaren, vielen Dank! Verrückt: Ein Verurteilter als Hofnarr, der der Mehrheit der wählenden Amerikaner durch Willkür und vermeintliche Stärke die tiefen Falten im Teppich glätten soll und seinen «Grossen Bruder» schamlos zur Verstärkung holt (Balkansprache Secondos, hier für Musks finanzielle Uebermacht), um alle andern Weltenbürger zu beeindrucken und sich die gemeinsame Autobahn mit dem Schneepflug frei zu schaufeln.