23% der Personen ab 65 hätten gemäss Age Report V gern mehr Kontakt zu ihren Nachbarn. Läuft fast ein Viertel der Bevölkerung Gefahr, sozial isoliert zu leben? Die Organisation “Nachbarschaft Bern” vermittelt Freiwillige mit Menschen mit Unterstützungsbedarf für mehr Lebensqualität im Quartier.
Die meisten älteren Personen wollen in «ihren eigenen vier Wänden» alt werden. Aber wer ist ausserhalb der eigenen vier Wände? Welche Kontakte pflegt man mit An- und Zugehörigen, mit Freundinnen und Freunden, mit nahen und entfernteren Nachbarn?
An der 26. Gesundheitsförderungskonferenz Ende Januar 2025 in Bern fiel mir ein Workshop auf mit dem Titel: «Nachbarschaft Bern: Inwiefern beeinflusst Nachbarschaftshilfe die Gesundheit von Quartierbewohnenden?»
Worum geht’s?
Nachbarschaft Bern fördert den sozialen Zusammenhalt zwischen Nachbarinnen und Nachbarn. Zu diesem Zweck werden je zwei Personen aus dem gleichen Quartier, die maximal 15 Gehminuten voneinander entfernt wohnen, miteinander in Kontakt gebracht, so dass sie als Tandem dies und jenes gemeinsam unternehmen können. Das Angebot ist kostenlos und für alle zugänglich unabhängig von Alter, Nationalität, Beruf. Anmelden können sich Freiwillige und Menschen mit Unterstützungsbedarf zu maximal drei Stunden gemeinsamem Tun pro Woche. Hier einige Beispiele gemäss Anmeldekarte: Vorlesen, Spaziergang, Gesellschaftsspiele, Musik machen, Besuch von Konzerten, Theatern, Museen oder Kinos, Telefongespräche, Kochen, Ausflüge, Begleitung zum Arzt oder Ämtern, Gartenarbeit, kleine Reparaturen, Tiere betreuen, administrative Unterstützung, Computer Support, Nachhilfe, Wohnung und Pflanzen betreuen, Einkaufen/Besorgungen. Dadurch wird der Horizont von allen Beteiligten erweitert, man lernt Nöte und Freuden voneinander kennen und Gefühle von Einsamkeit werden in der Begegnung im sinnvollen Tun überwunden. Ein Tandem kann so lange dauern, wie es von den beiden Beteiligten geschätzt wird.
Wie ist die Nachbarschaft Bern entstanden?
Am Anfang stand das Bedürfnis aus der Bevölkerung, im vertrauten Quartier alt zu werden, der Vereinsamung entgegenzuwirken und einander zu unterstützen.
Von der Direktion Bildung, Soziales und Sport der Stadt Bern wurde zusammen mit der Vereinigung Berner Gemeinwesenarbeit (VGB) von 2016 bis Ende 2018 ein Pilotprojekt durchgeführt. Danach wurde die Idee kontinuierlich entwickelt. Seit Anfang 2020 ist die VBG Trägerin des Angebots mit einem Leistungsauftrag mit der Stadt Bern.
Aktuelle Lage des Projekts
Seit 2021 steht das Angebot der Bevölkerung der ganzen Stadt Bern zur Verfügung. Zurzeit engagieren sich 337 Freiwillige und 298 Personen mit Unterstützungsbedarf mit unterschiedlichen Nationalitäten und Lebenssituationen im Projekt.
Drei Sozialarbeitende teilen zu je 60% 180 Stellenprozente untereinander auf und sind zuständig für bestimmte Quartiere, für die Vermittlung von passenden Tandems, für Rückmeldungen nach vier bis sechs Wochen von beiden Seiten des Tandems und für Standortbestimmungen der Freiwilligen nach 6 Monaten. Zudem sind sie immer da für Fragen und Anliegen aus den Tandems, vermitteln allenfalls Kontakte zu weiterführenden Gruppen, Vereinen, Altersorganisationen, Kirchen, Pflegeorganisationen und weiteren Kooperationspartnern.
Interessierte finden das Angebot der Nachbarschaft Bern über lokale Zeitungen, Flyer, Plakate und die Homepage von Nachbarschaft Bern, über Mund-zu-Mund-Propaganda, durch die Stadtverwaltung oder Organisationen, die mit Nachbarschaft Bern im Austausch sind.Das Leitungsteam von «Nachbarschaft Bern» während einer Retraite, vlnr. Michael Zeier, Sonja Preisig, Noelle Altenburger (Foto: Ruben Ung © NaBe)
Seniorweb stellte zwei Sozialarbeitenden von Nachbarschaft Bern, Sonja Preisig und Michael Zeier, drei Fragen:
Inwiefern ist die Mitarbeit in einem Tandem für die Freiwilligen und die Unterstützten eine Win-Win-Situation?
Eine Win-Win-Situation entsteht, wenn beide Seiten das Gefühl bekommen, dass sie von dem Kontakt auf irgendeine Art und Weise profitieren. Neben dem explizit geäusserten Unterstützungsbedarf kann das auch sein, eine neue Lebenswelt oder Sichtweise kennenzulernen oder einen anderen Blick aufs Quartier und das Leben zu bekommen
Welche Wirkung hat Nachbarschaft Bern auf das Wohlergehen im Quartier?
Durch das Engagement im Quartier kann bei den Freiwilligen das Gefühl von Zughörigkeit und Teilhabe entstehen. Dies fördert das Wohlergehen im Quartier. Für eine Person mit Unterstützungsbedarf kann Nachbarschaft Bern eine Wirkung auf das Wohlergehen haben, weil die unterstütze Person so zumindest eine Person in der Umgebung kennt, zu der sie Vertrauen hat oder sie in dringenden Fällen kontaktieren könnte.
Gerade durch gemeinsame Spaziergänge kann das Quartier neu entdeckt werden oder Angebote können zu zweit besucht werden. Nachbarschaft Bern kann den Mut wecken sich mehr am Leben im Quartier zu beteiligen.
Worauf sollten Städte und Gemeinden achten, wenn sie ein Tandemsystem wie in Bern einrichten wollen?
Bezahlte Stellenprozente ermöglichen, Koordination in einer bereits vernetzten Organisation integrieren, Zusammenarbeit aller Player ermöglichen…
Website von Nachbarschaft Bern
Titelbild: Michael Zeier stellt in einem Workshop an der 26.Gesundheitskonferenz «Nachbarschaft Bern» vor. (Foto bs)
Das Thema «Wohnen» ist derart zentral und lebensbestimmend, ich frage mich, wieso es in der Schweiz hierzu keine besseren Lösungen gibt. Vor allem seit grosse Institutionelle, meistens Versicherungen, Pensions- und Krankenkassen und andere grossen Firmen mit viel Geld, noch mehr Geld mit aus Mietwohnungen zu pressen suchen, seitdem ist es mit dem verständnisvollen und gutnachbarschaftlichen Zusammenleben in den Quartieren vorbei. Jeder ist sich selbst der Nächste. Wer für kurze Zeit (ein paar Wochen oder Monate) in den Spital muss, muss damit rechnen, dass während dieser Zeit die Wohnung geräumt, gekündigt und weitervermietet wird – völlig unabhängig davon, ob man noch selbstständig drin wohnen könnte oder nicht ! Es wird jede Chance zum Wohnungsraub ergriffen oder sogar erzwungen ! Wie sollen daran ein paar junge, meistens ahnungslose oder mit Eigeninteressen handelnde «Sozialarbeiter» oder «gemeinsame Spaziergänge» etwas ändern, wo doch das Grundproblem die Hab- und Wohnungsgier der Manager und der Generation zwischen 25 und 45 ist!
Sozialromantik und unrealistisches Geträume über «nette Nachbarschaft» ist hier komplett daneben!