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Zu Besuch beim «Vogellisi» aus Portugal

In den Berner Alpen ist der Winter zurück. Hoch oben, auf dem verschneiten «Vogellisiberg», wohnt Cris Pereira zusammen mit ihrem Mann und ihrer 4jährigen Tochter. Die 33jährige Portugiesin gilt in Adelboden als Vorzeigebeispiel für eine gelungene Integration in der Schweiz.

In der Wintersaison arbeitet Cris Pereira als stellvertretende Serviceleiterin im Restaurant Geilsbrüggli (1700 M.ü.M). Im Sommer wird sie wieder auf dem Sillerenbühl (2000 M.ü.M.), besser bekannt als «Vogellisiberg», hinter der Kasse stehen. Seit acht Jahren ist die geborene Portugiesin nun schon für die Bergbahnen Adelboden-Lenk (BAL) in der Gastronomie tätig. «Es gefällt mir sehr gut in der Schweiz», betont sie an ihrem freien Tag im Gespräch mit dem Besucher aus dem Tal.

Als 14-Jährige kam sie zusammen mit ihren Eltern aus Portugal ins Berner Oberland. Der Vater arbeitete als Koch auf dem Hahnenmoos, die Mutter machte sich im selben Berghotel als Zimmermädchen nützlich. Cris ging in die Dorfschule Adelboden (1400 M.ü.M.). Ein Lehrer fand, dass das fremdländische Mädchen bessere Bedingungen brauchte, um Deutsch zu lernen. Kurz vor Ende der obligatorischen Schulzeit wechselte Cris nach Interlaken.

Die dortige Schule BZI war auf die Ausbildung ausländischer Kinder spezialisiert. «Ich bin jeden Tag um fünf Uhr morgens aufgestanden, um pünktlich in Interlaken zu sein. Das Ziel war, dass ich endlich richtiges Deutsch lernen konnte», erinnert sich die junge Frau.

Nach der obligatorischen Schulzeit entschied sie sich für eine Lehre als Betriebsassistentin Gastronomie. Ihre Lehrbetriebe waren das Waldhaushotel in Interlaken und das Hotel Steinmattli in Adelboden. Parallel dazu besuchte sie drei Jahre lang die Berufsschule EFZ in Interlaken.

Nach der Lehre arbeitete Cris vier Jahre lang im ehemaligen Restaurant Rustica in Frutigen. Nach weiteren sieben Monaten im Blausee-Restaurant zog sie zu ihren Eltern nach Adelboden, wo sie seither für die Bergbahnen in der Gastronomie tätig ist. In der Wintersaison ist sie im Geilsbrüggli als stellvertretende Serviceleiterin tätig, wo sie abwechslungsweise im Stübli serviert oder im Selbstbedienungsrestaurant mithilft. In der Sommersaison wechselt Cris zurück ins Bergrestaurant auf das Sillerenbühl.

Luftige Wohnung mit Aussicht

Ihre Wohnung findet sich im ersten Stock über dem Bergrestaurant.

Im Mai 2020 heiratete sie ihren portugiesischen Freund Fabio. Die beiden sind Eltern einer Tochter, Leonor, und wohnen seit zwei Jahren auf dem Sillerenbühl auf 1974 Metern Höhe. Die Bergbahnen ermöglichten es ihnen, in die Wohnung des langjährigen Wirtepaars Toni und Silvia Hersche zu ziehen. Fabio ist auf dem Sillerenbühl Hausmeister und hilft in der Küche aus. Chris fährt im Winter fünfmal pro Woche zuerst mit der Gondelbahn hinunter ins Bergläger und dann mit einer Bekannten per Auto hinauf nach Geils.

Das Wirtepaar Hersche hat sie in bester Erinnerung. «Silvia und Toni waren tolle Vorgesetzte. Sie gaben mir die Chance, mich beruflich weiterzuentwickeln.» Während der Corona-Epidemie leitete Cris als BAAG-Angestellte zuerst das «Büetzer»-Restaurant in der Sportarena, in dem Handwerker verpflegt wurden, und anschliessend «Jack`s Dinner». Inzwischen besitzt die Portugiesin auch das Wirtepatent.

Der Arbeitsort von Cris Pereira im Winter: Das Geilsbrüggli-Stübli.

Die junge Frau liebt es, ihre Gäste am Tisch zu bedienen. Als das Restaurant auf dem Bühl auf Selbstbedienung umstellte, war sie unglücklich. Umso mehr schätzt sie die Chance, dass sie an ihrer neuen Stelle im Geilsbrüggli-Stübli wieder bedienen darf. Ausserdem hilft sie der Chefin mit der Administration. Bei den Gästen gilt sie als «Sonnenschein»: Immer aufgestellt und fröhlich, nie ein «Lätsch», kein böses Wort, auch nicht zu den Kolleginnen und Kollegen im Service.

Mit der Abgeschiedenheit der neuen Wohnung auf dem Vogellisiberg hatte sie anfänglich Mühe. Doch nun findet Cris das Leben auf fast 2000 Metern «idyllisch». Sie und ihr Mann schätzen die Ruhe und das Panorama: «Wir haben eine wunderbare Aussicht auf die schneebedeckten Gipfel von Albristhorn, Gsür, Lohner, Wildstrubel und Tschingellochtihorn.» Cris kann nicht Skifahren. «Meine Beine gingen beim ersten Versuchen immer auseinander, deshalb habe ich es sein lassen. Aber meine Tochter wird sicher Skifahren lernen.»

Berufstätige Eltern mit Babysitterin

Cris auf der Silleren-Terrasse, wo sie im Sommer arbeitet. Foto © Alexander Thoele.

Tochter Leonor (4) wird von einer Babysitterin betreut, während Cris und Fabio arbeiten. Im Sommer, wenn die Bergbahnen Betriebsferien machen, fährt sie mit der Familie zu ihrer Mutter nach Portugal oder macht eine andere Auslandreise. Der Papa ist leider inzwischen verstorben. Cris kann sich vorstellen, nach der Pensionierung wieder in ihr Heimatland zurückzukehren: «Portugal ist meine erste Heimat. Ich bin und bleibe Portugiesin: Temperamentvoll und voller Energie.»

Ihr Bruder hat sich in der Schweiz vor einigen Jahren einbürgern lassen. Für Cris ist eine Einbürgerung derzeit kein Thema. Der dafür notwendige Test und die Einbürgerungssumme schrecken sie ab. Die junge Frau versteht zwar den Adelbodner-Dialekt, spricht ihn aber nicht. In ihrem Hochdeutsch sind aber schon mal erste mundartliche Annäherungen hörbar. Tochter Leonor wird die Sprache der Einheimischen lernen, sobald sie in den Kindergarten geht. Spätestens dann wird sich die Familie nach einer Wohnung im Dorf umschauen müssen.

Auch bei blöden Sprüchen immer lächeln

Cris Pereira gilt als Musterbeispiel für eine gelungene Integration: Neben der Möglichkeit, frei kommunizieren zu können, ist es für sie wichtig, die Kultur des Gastlandes zu verstehen. Dank zahlreichen persönlichen Kontakten im Dorf kennt sie inzwischen sehr viele Einheimische. «Ich nehme am Dorfleben teil, aber gehöre keinem Verein an.» Die Adelbodner und die Schweizer generell seien eher zurückhaltend, findet sie.

Fremdenfeindlichkeit hat sie schon wiederholt erlebt: Manchmal offen im Service, ab und zu auch unterschwellig im Dorf. «Ich spüre, wenn mich Schweizerinnen oder Schweizer arrogant anschauen und mich als <zweite Klasse> behandeln.» Gegen diskriminierende Bemerkungen und böse Blicke hat sie ihre eigene Strategie: Ignorieren. «Ich versuche stets zu lächeln und immer freundlich zu bleiben. Ich kann nichts dafür, wenn mein Gegenüber nicht zufrieden ist mit seinem Leben.»

Mit der grossen portugiesischen Community im Frutigland pflegt das Paar freundschaftliche Kontakte. Speziell im Winter arbeiten zahlreiche Serviceangestellte aus Portugal im Tal. «Wir sehen uns in der Freizeit, speziell an Feiertagen, Weihnachten oder an Neujahr. Dann reden wir unsere Sprache und essen zusammen.» Gemeinsam gut essen ist für die Portugiesen wichtig. «Adelboden ist meine zweite Heimat», sagt die junge Seconda zum Schluss unseres Gesprächs.

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Zur Person

Cris Pereira wurde 1991 im portugiesischen Dorf Maia in der Region Porto geboren. Sie kam als 14jährige in die Schweiz. Die Schulen besuchte sie in Portugal, Adelboden und in Interlaken. Nach ihrer Lehre als Restaurationsfachfrau wurde sie im Dezember 2017 von den Bergbahnen Adelboden (BAAG) angestellt. Seit acht Jahren arbeitet sie nun schon im selben Unternehmen im Service. Derzeit befindet sich ihr Arbeitsort im Geilsbrüggli. Cris ist verheiratet mit Fabio. Die beiden haben eine vierjährige Tochter, Leonor.

Titelfoto: Cris Pereira zusammen mit ihrer Tochter Leonor vor der «Vogellisi»-Statue auf der Terrasse des Bergrestaurants Sillerenbühl. Fotos PS

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