Strassenlampen sind heute selbstverständlich. Seit den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wurden unsere Städte planmässig beleuchtet. Damit einher ging ein bemerkenswerter Wandel auf mehreren Ebenen der Gesellschaft.
Einen Blick in die Geschichte der modernen Beleuchtung, nicht nur in Europa oder in Amerika, sondern auch in Indien und Afrika vermittelt ein Vortrag von Ute Hasenöhrl unter dem Titel «Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht…». Beleuchtung ist in unserer heutigen 24-Stunden-Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit.
Hongkong
Auch wenn seit einigen Jahren in meiner Agglomerationsgemeinde bei Bern die Strassenbeleuchtung nachts ausgeschaltet wird, gilt doch die Regel: Unsere Wohngebiete, Städte oder Dörfer, werden gut beleuchtet. Vom Flugzeug aus, besser noch aus einem die Erde umkreisenden Satelliten erkennt man grosse Lichterteppiche in Europa oder Nordamerika. Im globalen Süden fallen nur verschiedene grössere und kleinere Lichtflecken urbaner Zentren auf. – Der Himmel über Bern, einer gewiss massvoll beleuchteten Stadt, ist ungefähr vierzig Mal heller als der Himmel ohne künstliche Beleuchtung. 2024 wurde der Naturpark Gantrisch (BE) ausgezeichnet für besondere Sorge um einen naturdunklen Nachthimmel.
Dunkle Nächte zur Schonung von Mensch und Natur
Aufmerksame Beobachtende hierzulande erkennen die Problematik der ständigen übermässigen Beleuchtung. Einige dieser Gefahren seien genannt: Sie ist eine der Ursachen des Insektensterbens, sie trägt dazu bei, dass Nachttiere und Zugvögel die Orientierung verlieren, sie verursacht Störungen im Schlaf-Wach-Zyklus von Mensch und Tier. Observatorien, besonders solche, die in den Tiefen des Weltalls forschen, mussten in von unserer Zivilisation weit entfernte Gegenden umziehen, um exakte Beobachtungen zu ermöglichen.
Die Geschichte der Beleuchtung unserer Städte beginnt früher, als manche denken mögen. Schon im Altertum und im Mittelalter versuchte man, Licht auf die dunklen Strassen zu bringen, allerdings mit Mitteln, die nicht dauerhaft Licht gaben, Kienspäne beispielsweise. Ludwig XIV. wollte nicht nur Versailles im schönsten Licht erstrahlen lassen, sondern setzte 1667 in Paris die Beleuchtung der Gassen durch, um besser kontrollieren zu können, was dort geschah. Nachdem noch früher wenig hilfreiche Pechpfannen benutzt wurden, installierte man dann Öllampen. Es verwundert nicht, dass die grossen europäischen Städte nach und nach folgten: In Berlin musste 1679 an jedem dritten Haus eine Lampe angebracht sein.
Gaslampe in einem kleinen Ort in Frankreich – ob sie noch funktioniert?
Seltsam muten uns die damaligen Leuchtmittel an: Öl, u.a. Rübenöl, aber auch Unschlitt (Tierfett) oder Petroleum. Um 1850 war die Technik so weit fortgeschritten, dass Gaslampen in Gebrauch kamen. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, in Berlin 1879, begann der Siegeszug der elektrischen Strassenbeleuchtung, ohne dass die Gaslampen sofort ausser Betrieb genommen wurden.
Durch diese Neuerungen fühlten sich nicht nur Nachtschwärmer sicherer, es veränderten sich die Lebensgewohnheiten der Menschen. Das Nachtleben für «jedermann» kam erst damals in Mode – der verführerische Glanz der erleuchteten Nacht lockte. Allmählich wurde die Nacht auch zur Arbeit genutzt, in den Fabriken wurde Nachtschicht eingeführt, denn das künstliche Licht ermöglichte durchgehende Arbeitsprozesse. Ob auch Frauen oder sogar Kinder nachts arbeiten mussten, wurde damals diskutiert.
Die Nächte werden belebter
Ab 1900 kam die Leuchtreklame hinzu, bis heute ein Zeichen von Urbanität. Da sich die Technik und der Umgang mit Elektrizität ständig verbesserten, sanken auch die Kosten – solange die Staatskassen nicht leer waren. Auch die Leuchtintensität der Lampen steigerte sich.
Und noch eine Kuriosität: Schon 1882 wurde in den USA der erste beleuchtete Weihnachtsbaum aufgestellt. Die Seefahrt und die Häfen profitierten von der modernen Beleuchtung am ehesten. Leuchttürme wurden elektrifiziert, Bojen mit Licht sichtbar gemacht.
Lampen dienen der Beleuchtung – und manchmal auch der guten Stimmung.
«Je heller, desto höher das Bruttosozialprodukt (BIP)», diese kausale Beziehung zwischen Lichtverhältnissen und wirtschaftlicher Prosperität zeigt sich auch in armen Ländern. In den vom British Empire kolonisierten Ländern wie Indien und Teilen Afrikas legten zuerst die Kolonisatoren Wert auf die Bequemlichkeit neuer Technik. Es ging den Engländern weniger um die Entwicklung und Förderung der einheimischen Industrie, sondern um die Nutzung der Rohstoffe.
Die Initiative der Familie Tata
In Indien gab es jedoch Gesellschaftsschichten, die sich ebenfalls Komfort, ja Luxus leisten konnten. Die Familie Tata ist als Pionierin zu nennen. – Kürzlich starb der Doyen der immer noch äusserst einflussreichen Familie im hohen Alter. – Nebst anderen Industriezweigen (Autos) wurde die Elektrifizierung durch Tata vorangetrieben, Stauseen entstanden. Einige überdimensionierte Projekte blieben liegen. Bis heute besteht eine Diskrepanz zwischen den grossen Städten und den ländlichen Regionen, wo die Traditionen (ohne modernen Strom) bewahrt wurden. Auf dem Land gab es vielerorts Widerstand gegen den Bau von Elektrizitätswerken. Petroleumlampen blieben lange die vorherrschende Lichtquelle.
Romantische Nachtbeleuchtung
In der für Indien wichtigen Textilindustrie gab es bis ins 21. Jahrhundert keine Nachtarbeit. Aber Illuminationen und nächtliche Lichtspiele waren bei Engländern und Indern gleichermassen beliebt. Nicht zu reden von der Filmindustrie (Bollywood) und den im heissen Indien hilfreichen Klimaanlagen. – Von Lichtverschmutzung spricht man (noch) nicht.
Ein englischer Gouverneur mit Schweizer Wurzeln
In Ghana – zu Zeiten des British Empire Goldküste genannt – verhielten sich die Kolonialherren nicht anders als in Indien. Es ging um ihren Machtanspruch und darum, Nutzen zu ziehen aus den afrikanischen Reichtümern. Engländer sind bekannt für ihren Pragmatismus, sie erkannten auch dort, dass elektrisches Licht eine Voraussetzung für Fortschritt war.
In den 1920er Jahren förderte ein angesehener englischer Gouverneur die gesamte Entwicklung in Ghana und erwarb sich damit Anerkennung: Sir Frederick Gordon Guggisberg, dessen Grossvater aus Uetendorf BE stammte. Im Unterschied zu Indien gab es in Ghana keine einheimischen Familien, die sich selbst in der Entwicklung moderner Wirtschaft und Technik engagieren konnten. Aber dank Sir Guggisberg wurden die Infrastruktur (gute Strassen) verbessert und Schulen gebaut, es gab Ärzte in erreichbarer Nähe.
Festival mit Illuminationen
Dieser Artikel fusst auf dem Vortrag, den Ute Hasenöhrl im Rahmen der Frühjahrs-Ringvorlesungen des Collegium generale der Uni Bern hielt. Aus urheberrechtlichen Gründen ist diese Vorlesung nicht als Podcast nachhörbar.
«Dark Sky Society Switzerland» setzt sich für umweltschonende Beleuchtung ein.
Wer sich für die Technik der Strassenbeleuchtung interessiert, dem sei der Wikipedia-Artikel Strassenbeleuchtung wärmstens empfohlen.
Titelbild: Abendstimmung. Alle Fotos: pixabay.com