Was tun, wenn eine Situation unangenehm wird? Mit Besonnenheit und einer «Paradoxen Intervention» lässt sich vieles retten.
Kurt Kneubühler (84) und Hanspeter Hächler (86) sitzen im Schnellzug von Zug nach Zürich HB. Begleitet werden sie von Margret Meierhans (79). Seit die ehemalige Teilzeitbibliothekarin vor etwa fünf Jahren an einem Heimatabend buchstäblich über «Hampe» gestolpert ist, er sie aber galant vor dem Sturz bewahrt hat, begleitet sie ihn gerne auf seinen Ausflügen. Dabei nimmt sie sogar in Kauf, dass der für ihre Begriffe dauerjammernde «Kudi» häufig dabei ist und die Zweisamkeit stört.
Tatsächlich. Seit die drei mit ihren Rucksäcken ein Viererabteil in Beschlag genommen und sich ausgebreitet haben, lamentiert der ehemalige Zollbeamte über die «permanenten Verspätungen» der SBB. Er überlege sich ernsthaft, seinen in der Garage funkelnden Landrover zu reaktivieren. «Ach, Kudi, du alter Umweltsünder», sagt der pensionierte Informatiker Hanspeter, der vor zwölf Jahren seinen Fahrausweis freiwillig gegen ein GA getauscht hat. «Du stehst also lieber im Stau und verpestest mit deiner Karre die Umwelt …» Das lässt dieser natürlich nicht auf sich sitzen. «Es ist mir egal, dass der Wagen 10 Liter säuft. Und überhaupt: Diese Klimahysterie geht mir extrem auf die Nerven! Sollen die Klimaterroristen doch lieber zuerst was arbeiten und zustande bringen in ihrem Leben!»
Weil «Mäggie» aus Erfahrung weiss, wie weit die Positionen ihrer beiden Begleiter auseinanderliegen und ein Streit meist zu einem ohrenbetäubenden Lärm ausartet, kramt sie aus ihrem Rucksack eine Tüte «Studentenfutter» hervor und bietet den beiden Streithähnen davon an. Just in diesem Moment setzt sich ein jüngerer Mann auf jenen Platz, den Kneubühler murrend von seinem Rucksack befreit.
Das Studentenfutter wirkt nur kurz. Schon sind die beiden Senioren wieder heftig am Debattieren. Im Moment dreht sich das Gespräch um das Verhältnis von Jung und Alt. Kudi ist der festen Überzeugung, dass die jungen Generationen heutzutage nicht mehr wüssten, dass jeder Franken zuerst erarbeitet werden müsse, bevor er ausgegeben werden könne. «Stattdessen stellen sie masslose Forderungen – und natürlich sind wir es, die dafür bluten sollen.»
Nach einer gefühlten Viertelstunde, in der die beiden Herren der Schöpfung eher wenig schmeichelhaft über die jungen Zeitgenossen herziehen und Margret Meierhans nur hie und da indigniert den Kopf schüttelt, nutzt der junge Mann die Pause, in der die beiden gleichzeitig Luft holen. Und sagt: «Pardon, wenn ich mich rasch einmische: Mein Name ist Marc Maurer, ich bin 27 Jahre alt und Pfleger in einem Alters- und Pflegeheim. Ich möchte Ihnen stellvertretend für viele Jüngere herzlich danken, dass Ihre Generation für unsere Gesellschaft so viel geleistet hat und es immer noch tut, zum Beispiel bei der Kinderbetreuung. Gleichzeitig danke ich Ihnen, dass Sie anerkennen, dass auch wir Jüngeren arbeiten und mit unseren Abgaben die Sozialwerke am Leben erhalten. So dass auch wir später im Alter vielleicht noch etwas zum Leben haben.»