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Gärten, gemalt und gestochen

Gärten gibt es seit Menschengedenken. Wie sie früher einmal ausgesehen haben, zeigen Gemälde und Stiche. Diese spiegeln zugleich die Ideale der jeweiligen Epoche.

Gärten sind ein abgegrenztes und umzäuntes Stück Land, das kultiviert und in der Regel privat genutzt wird. So leitet sich der deutsche Begriff Garten vom indogermanischen Wort Gerte ab. Bereits in der Steinzeit legten die Menschen Nutzgärten an und stellten aus den Pflanzen Nahrungsmittel und Textilien her, auch Heilmittel, Gewürze, Farb-, Aroma- und Duftstoffe. Gärten sprechen durch Farben, Formen und Düfte seit jeher unsere Sinne an. Dabei haben Blumen bis heute eine grosse symbolische Bedeutung und sind Ausdruck von Gefühlen.

Klostergärten haben eine lange Tradition. Seit dem frühen Mittelalter werden in Klöstern Heilpflanzen angepflanzt, studiert und zu Arzneimitteln, Likör und Klostergeist verarbeitet. Die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179) beschreibt in ihrem Codex zur Pflanzen- und Kräuterkunde Physica (1150-1160) die Heilkräfte der Pflanzen ausführlich. Ihre Rezepturen sind bis heute begehrt.

Hildegard von Bingen, Darstellung der Erdkugel mit Pflanzen in den Jahreszeiten. Im kleinen Bild unten links ist die Autorin dargestellt beim Schreiben ihres Codex «Physica» zwischen 1150 und 1160.

Gemälde mit frühen Darstellungen von Gärten erscheinen in der christlichen Kultur meist im Zusammenhang mit biblischen Erzählungen und Mythen. Im Mittelalter waren in der Mariensymbolik Paradiesgärten als Hortus conclusus besonders beliebt: Maria inmitten von Rosen, Iris und Lilien in einem von Mauern umschlossenen Garten. Auf einer Eichenholztafel stellte ein oberrheinischer Maler um 1420 die in der Bibel lesende Maria dar, umgeben von Menschen, die friedlich miteinander reden, eine Frau pflückt Früchte vom Apfelbäumchen, ein Kind spielt auf der Leier, auch bunte Blumen und Vögel sind da. Diese harmonische Welt wird von einer massiven Steinmauer umschlossen und schützt so das Paradiesgärtchen von der Aussenwelt.

«Paradiesgärtlein», Oberrheinischer Meister, um 1420, Eichentafel, 26,3 x 33,4 cm. Städel Museum, Frankfurt am Main.

Dramatischer geht es im Garten Eden zu, wo nach dem Sündenfall Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben werden und der Paradiesgarten zur Steinwüste wird. Diese Geschichte aus dem Alten Testament regte die Fantasie der Künstler an, zumal der menschliche Körper nackt dargestellt werden durfte. Erst zur Zeit der Renaissance trat unter dem Einfluss der Antike die realistische Darstellung nackter Menschen in den Vordergrund.

Michelangelo Buonarroti (1475-1564), Der Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies, 1508-1512. Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle in Rom.

Als Künstler der Renaissance malte Michelangelo seine Figuren besonders körperbetont und muskulös. Die Szene mit der Vertreibung aus dem Paradies setzte er im Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle in eine Steinwüste mit dem Baum der Erkenntnis im Zentrum. Um den Baumstamm windet sich eine dicke Schlange, der eine weibliche Figur entsteigt und Eva den Apfel reicht. Derweil hält sich Adam an einem Ast fest. Auf der rechten Seite verjagt der Engel Michael, Hüter des Tors zum Paradies, die beiden «Sündigen» mit seinem «flammenden» Schwert in die Einöde.

Jacob von Sandrart (1630-1708), Renaissance Garten des Nürnberger Patriziers Christoph Peller, Nürnberg, Kupferstich, 1655

Die Gartenfantasien änderten sich in der Renaissance unter dem Einfluss der neu entdeckten antiken Villenarchitektur. Zur Theorie aus der Antike gehörte auch das Studium der Geometrie mit Lineal und Zirkel. So breiteten sich im 16. Jahrhundert von Italien ausgehend Gartenanlagen aus, die geometrisch in Quadrate und Kreise strukturiert wurden, auch mit Terrassen auf verschiedenen Ebenen. Dieses Modell nahmen sich die fürstlichen Bauherren in ganz Europa zum Vorbild. Auch wenn Renaissancegärten heute nicht mehr original erhalten sind, geben Gemälde und Kupferstiche von ihrem Aussehen eine Vorstellung.

Jacques Fouquières, «Hortus Palatinus und Heidelberger Schloss», 1620. Kurpfälzisches Museum, Heidelberg

1616 beauftragt der Pfälzische Kurfürst Friedrich V. den Ingenieur und Gartengestalter Salomon de Caus, für das Heidelberger Schloss einen idealen Garten zu entwerfen, den Hortus Palatinus. Vom «achten Weltwunder» war die Rede. Doch die Realisierung wurde durch den Ausbruch des Dreissigjährigen Krieges verhindert. Dank dem flämischen Meister Jacques Fouquières (um 1590-1659) ist eine Vorstellung davon erhalten. Er malte das Schloss mit der Gartenanlage nach Kupferstichen von Matthäus Merian, der die Entstehung des Gartens begleitet hatte.

Boskett im «Mirabellengarten» im Schloss Mirabell in Salzburg, Kupferstich um 1730

Wurde im Renaissancegarten die Natur als Ausdruck des neuen Humanismus gesehen, war der Barockgarten im 17. und frühen 18. Jahrhundert eine Weiterentwicklung und Steigerung: Die Gartenräume wurden nicht mehr lose zusammengeschlossen, sondern mit rationalistischen Strukturen durchkomponiert und zentralistisch ausgerichtet. Diese streng hierarchisch geprägte Gartenarchitektur breitete sich vor allem im absolutistischen Frankreich aus, deshalb wird sie auch Französischer Garten genannt.

Pierre Patel (?-1676), Schloss Versailles im Jahr 1668. Musée de l’Histoire de France, Versailles

Um die streng geometrischen Gartenanlagen aufzulockern, wurden zusätzliche Elemente eingefügt: sprudelnde Brunnen und Fontänen, symmetrisch angelegte Beete, schattenspendende Alleen und steinerne Skulpturen. Zudem erzeugten die in der Ferne zusammenlaufenden Kieswege und Kanäle eine optische Tiefenwirkung.

Im 18. Jahrhundert entwickelten sich intimere Gärten des Rokokos. Die einzelnen Gartenbereiche blieben weiterhin symmetrisch, aber in bescheideneren Dimensionen. Zudem waren sie teilweise so raffiniert angelegt, dass beispielsweise Teiche erst beim Flanieren überraschend auftauchten. Auf den Bildern der Rokokomaler werden Parks und Gärten zudem mit ländlichen Staffagen, Lustschlössern und höfischen Szenen bereichert, die ein Bild vom damaligen Zeitvertreib der höfischen Gesellschaft wiedergeben.

Unbekannt, vermutlich Berlin, Höfische Gesellschaftsszene, um 1766. Ausschnitt aus einer Leinwandtapete, Kirchgasse 14, Zürich (Foto jpv)

Die Künstler im 19. Jahrhundert lösten sich von der Darstellung höfischer Barockgärten und suchten individuelle und vielfältige Ausdrucksweisen. Nicht mehr der Adel war nach der französischen Revolution stilbildend, sondern das Bürgertum. So schuf Caspar David Friedrich als Maler der Romantik seine Gartenterrasse nicht als Abbild einer realen Situation, sondern überhöhte sie zu einer Art Sehnsuchtsbild, ergänzt von Figuren und symbolischen Elementen.

Caspar David Friedrich, Gartenterrasse, 1811. Stiftung Preussische Schlösser und Gärten, Berlin-Brandenburg

Gärten waren lange kein bedeutendes Motiv in der Malerei. Das änderte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts. Claude Monet war ein grosser Gartenliebhaber. Er liess sich 1873 von Pierre-Auguste Renoir beim Malen im Garten in Argenteuil porträtieren. Für sein Alterswerk schuf er sich in Giverny seine eigene Gartenlandschaft. Vor seinem Haus, dem sogenannten Clos Norman, pflanzte er in rechteckigen Beeten Blumensorten, sortiert nach Farben. Zudem legte er einen künstlichen Teich mit Seerosen an, pflanzte Trauerweiden und liess die gebogene Brücke mit Glyzinien bewachsen. Sechs Gärtner kümmerten sich um sein Anwesen. Noch heute ist Giverny ist ein Publikumsmagnet.

Pierre-Auguste Renoir, Monet beim Malen in seinem Garten in Argenteuil, 1873

Titelbild: Claude Monet, Seerosenteich, 1899. National Gallery, London
Bilder: Wikimedia Commons

 

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