StartseiteMagazinLebensartDer Sommergarten des Zaren in St. Petersburg

Der Sommergarten des Zaren in St. Petersburg

Gross, grösser, am grössten: Fast alles in St. Petersburg ist gross, gigantisch, überdimensioniert, grenzenlos. So auch der in den Jahren 1704 bis 1719 entstandene Sommergarten des Zaren Peter der Grosse. 

Wer nach St. Petersburg kommt, wird wahrscheinlich zuallererst die «Eremitage» besuchen (übersetzt «Haus des Einsiedlers») – jenen riesigen Palast, den Peter der Grosse für sich am Ufer des Flusses Newa bauen liess. Steht man auf dem fast unüberschaubar grossen Platz davor, wundert man sich, dass der megalomane Zar diesem Ungetüm von Gebäude einen so bescheidenen Namen gab. Wenn man von der achtspurigen Prachtstrasse Newskij Prospekt her kommt, hat man sicher links die Isaaks-Kathedrale gesehen (gibt es anderswo auf der Welt einen so protzigen Sakralbau?) und ist noch sprachlos von deren Ausmassen. Jetzt schauen wir mal die Newa an, den Fluss, der sich hinter dem Eremitage-Palast vorbeiwälzt. Rhein, Donau oder Seine sind mickrige Bächlein gegen diese brausenden Wassermassen – auch die Natur ist hier riesenhaft. Doch kaum ist man ein paar hundert Meter der Newa entlang auf dem General-Kutusow-Quai in Richtung Osten spaziert, wird es plötzlich ruhig und beschaulich. Wir sind da, am Nordportal des Sommergartens.

Der «Ljetni Sad», umgeben von einem prachtvollen, mehrere Meter hohen eisernen Zaun, lädt zum Flanieren und zum Staunen ein. Mag draussen die Grossstadt lärmen wie sie will: Kaum ist man auf der zentralen Allee ein paar Schritte hineingegangen, ist es still, man hört die Bäume rauschen und die Vögel zwitschern. Nun ist es dem Besucher überlassen, auf welcher Route er sich verirren will – auch der Sommergarten ist riesengross. Die Distanz zum Südeingang beträgt etwa drei Kilometer. Man tut aber gut daran, drei bis vier Tage einzuplanen, denn bis man alle Längs- und Querverbindungen, alle Skulpturen, alle Ecken, Winkel und Weglein erkundet hat, dauert es lange.

Barocke Ideen aus Paris

Zar Peter der Grosse – er war übrigens fast zwei Meter lang – rief unzählige Architekten, Baumeister, Künstler und Gartenbauer aus Westeuropa in sein Land. An Prachtentfaltung und Prunk wurde nicht gespart. Der Park entstand in den Jahren 1704 bis 1719 auf einer Insel zwischen den zahlreichen Kanälen. Der französische Gartenarchitekt Le Blond brachte barocke Ideen aus Paris mit und setzte sie, unterstützt von seinen russischen Kollegen Semzow und Matwejew, um. Spiritus Rector war aber der Herrscher. Die vielen aus Italien importierten Skulpturen liess er nach didaktischen Gesichtspunkten aufstellen. Seine Untergebenen sollten sich hier über Mythologie und Wissenschaft bilden können. Ein wahres Gesamtkunstwerk, das man richtig erforschen muss.

Ich gehe auf der zentralen Allee in Richtung Südportal. Bald verzweigt sich der Weg und bildet zwischen akkurat gestutzten Hecken eine Art Labyrinth. An jeder Ecke, um die man biegt, tut sich wieder eine neue, reizvolle Perspektive auf. Ungefähr in der Mitte setze ich mich an einem Teich auf eine der Steinbänke und beobachte die vielen Hochzeitspaare, die hergekommen sind, um den schönsten Tag im Leben im schönsten Park der Welt fotografisch zu verewigen. Kinder verstecken sich zwischen den Hecken und lassen sich von den Müttern suchen. Hier konzentriert sich der Strom der Besucher, die von allen Seiten heranspazieren. Hier muss man gewesen sein!

Nur nicht zu lange sitzenbleiben, denn es gibt noch so vieles zu erkunden. Bummelt man nach rechts, kommt man zu einem fantastischen Blumengarten; wendet man sich nach links, erreicht man die Orangerie, die «Grotte», die Volièren und das Park-Café mit seiner wunderschönen Terrasse. Kurz danach stehe ich plötzlich vor dem Gribojedowa-Kanal, einem ruhig dahinplätschernden Gewässer, auf dem die Touristenboote auf- und abschweben. Nun gehe ich dem Kanal entlang – es ist wieder ganz still zwischen den prachtvollen hohen Bäumen – und bald bin ich bei dem grossen Teich, von dem aus man das gewaltige, goldverzierte Gittertor sieht, das den Südeingang des Gartens schmückt. Und jetzt? Rasch an einem der Stände ein Eis geniessen (die Marke Mövenpick ist hier auch erhältlich) und dann wieder weiter, wieder in Richtung Nord, diesmal auf einer neuen Route.

Feste, Bälle und Empfänge für den Adel

Anfangs war der Sommergarten dem Zaren vorbehalten. Der Adel wurde zu Festen, Bällen und Empfängen eingeladen; europäisch-westliche Gruppentänze und Feuerwerke sorgten für Prachtentfaltung. Gelegentlich lud der Zar sogar die Bürger der Stadt in seinen Park ein. Zur Zeit der Zarin Elisabeth war es dann den Städtern erlaubt, den Sommergarten zu besuchen – allerdings nur während die Zarin nicht in der Stadt weilte.

Zum Schluss noch ein besonderes Juwel: An der nordöstlichen Ecke des Parks, zwischen dem Kanal und dem General-Kutusow-Quai steht ein Gebäude, das man tatsächlich im Vergleich zu allem bisher Gesehenen «klein» nennen kann. Der Zar nannte es «Domik», Häuslein. Vielleicht ruhte er sich dort bei seinen Spaziergängen zwischendurch aus. Ob er sich hier tatsächlich als «Einsiedler» gefühlt hat, ist nicht bekannt.


Von Reisen nach Russland und nicht dringenden Aufenthalten werde einstweilen abgeraten, informiert das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten. Aufgrund der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine sei die Lage auch in Russland zunehmend unberechenbar. Der Artikel ist deshalb als Info-Beitrag für Gartenliebhaber zu verstehen. (Redaktion Seniorweb)

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