Mehrfarbige Samte sowie kunstvoll gemusterte Seiden- und Baumwollstoffe ziehen Bewunderung und Aufmerksamkeit auf sich. Die Sonderausstellung 2025 der Abegg-Stiftung in Riggisberg BE präsentiert seltene Textilien, ergänzt durch farbenfrohe Miniaturmalereien.
Die Epoche der Mogul-Kaiser war eine der blühendsten Epochen in der langen Geschichte des indischen Subkontinents. Die Künste und mit ihnen das Handwerk erreichten herausragende Qualität. – Im Bereich der Textilien sind Gestaltungselemente aus jener Epoche heute noch beliebt. Allerdings werden sie heute nur noch sehr selten mit solch hochstehender Kunstfertigkeit hergestellt.
Die Mogul-Kaiser stammten aus Zentralasien, aus dem Ferghanatal, das heute zu Usbekistan gehört. Der erste dieser Herrscher hatte anfangs des 16. Jahrhunderts beschlossen, sich einen neuen Herrschaftsraum zu suchen. Kulturell waren die Moguln mit Persien verbunden, das erkennt man an der Architektur der Paläste, an den Textilien, an der Miniaturmalerei, kurz, am gesamten Lebensstil der herrschenden Schicht. – Den Taj Mahal, das berühmte Grabmal in Agra, kennen auch diejenigen, die Indien nicht besucht haben.
Schärpe (Ausschnitt und Detail) Westindien (Gujarat), 1. Hälfte 18. Jh., Seide, Baumwolle und Metallfäden Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 5798.
Diese aus Seide, Baumwolle und Metallfäden gewebte Schärpe ist zweieinhalb Meter lang. Sie wurde wahrscheinlich von einem Mann getragen, der sie mehrmals um den Körper wickelte und die Schmuckfelder an den Enden dekorativ von der Taille herabhängen liess.
Die Abegg-Stiftung im bernischen Riggisberg gilt als weltweit führende Institution für die Bewahrung und Restaurierung historischer Textilien. Stoffe, seien sie aus Seide, Baumwolle, Leinen oder Wolle, reagieren sehr empfindlich auf Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen, gerade in einem Land wie Indien, wo der Monsun regelmässig Regen bringt. Selbstverständlich wirkt auch das Licht, das Sonnenlicht, auf die Stoffe, zumal in jenen Zeiten die organischen Fasern auch mit organischen oder mineralischen Farben bearbeitet wurden. – Kunststoffe, wie sie heute üblich sind, gab es nicht.
Viele Textilien, besonders kostbare Seidengewebe, wurden für einen bestimmten Zweck oder für eine bestimmte Person hergestellt, nicht für den Handel. – Allerdings entwickelte sich im Indien der späteren Mogulzeit die Produktion von Baumwollstoffen für den Verkauf über den indischen Kontinent hinaus. – Von solchen Soffen wurden wohl absichtlich grössere Mengen hergestellt. – In Indonesien waren Muster mit Elefanten besonders beliebt, lesen wir. Und spezielle Textilien, hergestellt in einer einmaligen Technik, wurden auch in den Nahen Osten, nach Ägypten und Afrika exportiert.
Behang mit figürlichen Szenen (Ausschnitt), Westindien (Gujarat), 14.–15. Jh. Baumwolle Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 5862
Die wimmelbildartige Darstellung wurde mit einer ausgeklügelten Färbetechnik erzeugt. Solche von indischen Spezialisten gefärbten Baumwollstoffe gelangten über den Seehandel bis nach Ägypten und Südostasien.
Die zur Zeit ausgestellten Stoffe mit figürlichen und floralen Mustern werden zum ersten Mal ausgestellt. Sie sind ein Beispiel für die qualitätvolle Sammlung der Abegg-Stiftung.
Die Mogul-Herrscher pflegten nicht nur die kunstvolle Fertigung, sie liebten offensichtlich Luxus in all seinen Formen. Ein exemplarisches Beispiel dafür ist ein mehrfarbiges Samtgewebe, das eine Dame neben einer Zypresse zeigt, dazu einen jungen Gepard (im Ausschnitt nicht sichtbar), umrahmt von blühenden Ästen. Wie die Haltung der edlen Frau und ihre Eleganz in einem ihr würdigen Rahmen dargestellt werden, zeugt von der grossen Kunst der Erzeuger – waren es Männer oder Frauen?
Samtgewebe mit Dame im Garten (Ausschnitt), Westindien (Gujarat), frühes 17. Jh., Seide und Metallfäden. Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 437
Dieser farbenfrohe Samtstoff mit figürlichem Muster und Goldgrund spiegelt den Sinn für Eleganz und Pracht der Mogulherrscher wider. Er wurde in Indien unter dem Einfluss iranischer Vorbilder hergestellt.
In der Ausstellung erklärt eine kleine Bild- und Textschau, wie raffiniert dieses Gewebe hergestellt wurde. Im Samtflor sind nicht weniger als acht Farben verwebt, und im Schmuck der Dame sind zu Schlaufen geformte Broschierfäden eingearbeitet. Die iranischen Weber hatten diese in Europa unbekannte Technik nach Indien mitgebracht. Wie in der erwähnten Schau zu sehen ist, versuchen einige Weber in ihrem heutigen Atelier, dieses Verfahren wiederzubeleben.
Wer in den Orient reist und traditionelle Orte besucht, sieht sich auch heute noch mit der Tatsache konfrontiert, dass man oft auf dem Boden sitzt, auf Teppichen natürlich oder auf Kissen. Auch zum Essen gibt es oft nur einen grossen, aber niederen Tisch, unter dem wir Europäerinnen und Europäer mit Mühe unsere Beine verstecken. Samtgewebe findet man in den Palästen der Mogul-Zeit überall, auch als Wandbehang – auch hier zeigt die Ausstellung Muster von singulärer Qualität.
Samtbordüre (Detail) Westindien (Gujarat), frühes 17. Jahrhundert, Seide, Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 5800
Die Bordüre war einst Teil eines Samteppichs, wie er in Palästen der Mogulherrscher zu finden war. Die glänzende Oberfläche und die satten Farben des Samtflors erinnern an indische Kunstobjekte aus Jade und Rubinen.
Seidener Briefbeutel, Nordwestindien (Rajasthan), 1. Hälfte 19. Jh. Seide und Metallfäden, Siegellack. Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 6021a
Fürstliche Briefe wurden in Indien in seidenen Beuteln versendet. Dieser hier ist aus einem goldbroschierten Seidenstoff genäht, mit einer Kordel verschlossen und versiegelt. Auch der in persischer Sprache geschriebene Brief hat sich erhalten.
Ein aussergewöhnliches Objekt entdecken wir in einer Vitrine: höfische Korrespondenz, luxuriös verpackt. Es gab im Indien des 19. Jh. noch keine reguläre Post, obwohl damals die Engländer als Kolonialherren regierten. Ein Vertreter einer Mogul-Familie schickte seine Nachricht verpackt in einem wertvollen Beutel, mit einem Wachssiegel verschlossen, an einen Engländer namens Henry Trevelyan. Anzuschauen sind zwei Postbeutel, zu einem gehört der Brief an den vermutlichen Kolonialbeamten, in persischer Schrift verfasst. Der Schreibende gratuliert dem Adressat zu einer Beförderung.– Ein faszinierender Einblick in das gesellschaftliche Leben jener Zeit.
Wer etwas von Textilien und ihrer Herstellung versteht, kommt in dieser Ausstellung voll auf seine Kosten. Wer sich einfach an den feinen Darstellungen und den farbenfrohen Mustern erfreuen will, ebenfalls.
Die Blütezeit Indiens – Textilien aus dem Mogulreich.
Sonderausstellung 2025 der Abegg-Stiftung Riggisberg BE.
Täglich geöffnet (14 – 17:30 Uhr) bis 9. November 2025.
Informieren Sie sich über die regelmässigen Führungen.
Titelbild: Bordüre mit Pfauen und Sittichen. West- oder Zentralindien, Mitte 19. Jh., Baumwolle, Seide und Metallfäden Abegg-Stiftung, Inv. Nr. 1540
Die mit Seiden- und Goldfäden gewirkte Bordüre zeigt ein reizvolles Muster aus Pfauen, gelben Sittichen, Blüten und geschwungenen Blumenranken.
Alle Fotos: © Abegg-Stiftung, CH-3132 Riggisberg (Fotograf: Christoph von Viràg)