Lukas Bärfuss präsentiert als Auftragswerk mit dem Titel «Sex mit Ted Cruz» im Schauspielhaus Zürich einen Monolog für und mit Schauspieler Michael Neuenschwander. Gezeigt wird ein konservativer Umkipper, der seine moralische Ordnung bei den republikanischen Vorwahlen 2016 verrät.
Im amerikanischen Vorwahlkampf der Republikaner 2015/16 scheiterte der konservative texanische Senator Ted Cruz an Donald Trump. Der Harvard-Absolvent gilt als Vorbild des amerikanischen Traums und politisiert am rechten Rand der Partei, ist Hoffnungsträger der Tea Party Bewegung. Für Lukas Bärfuss steht Ted Cruz beispielhaft für den gottesfürchtigen amerikanischen weissen Mann: tugendhaft, fleissig, patriotisch, bibelfest. Gleichzeitig verkörpert Cruz das Ende der «konservativen Männlichkeit, die Ordnung schaffen will – in einem System, das längst vom Chaos fasziniert ist».
Ein Ted Cruz als konservativer Hardliner
Lukas Bärfuss thematisiert in seinem Monolog die Kandidatur von Ted Cruz von Februar 2015 bis November 2016, seine konservative Haltung, seine scharfe Rhetorik, seine Niederlage und sein Umkippen in Trumps Lager. Schauspieler Michael Neuenschwander betritt in einem mit Westernfransen bestückten Anzug den Zuschauerraum, schüttelt Hände in der ersten Sitzreihe, steigt hoch auf die Bühne, demonstriert energiegeladen seine konservative Wertehaltung, wirft sich in Siegespositur, telefoniert mit seinen Beratern und seiner Frau, redet mit seinen Anhängern, geisselt auf Wahlkampftour in mehreren Staaten das korrupte, verweichlichte Establishment. Allmählich erkennt er seine Niederlage, stemmt sich anfänglich wutentbrannt dagegen, schlägt dann versöhnlichere Töne an und unterwirft sich am Ende dem neuen Präsidenten, indem er die Hacken zusammenschlägt und sagt: «Herr Präsident, ich bin bereit».
Facettenreich präsentiert Michael Neuenschwander als Ted Cruz seine konservative Wertehaltung.
Der konservative Hardliner tritt auf einer tristen Bühne mit einer veralteten, baufälligen Tankstelle auf. Auf dem Vorhang dahinter prangt der Spruch «Welcome to Paradise»: die Bühne als Spiegelbild eines krisengeschüttelten Landes (Bühnenbild: Nael Jael Marty). Davor zelebriert Michael Neuenschwander die Karikatur eines ehrenwerten Politikers, der um den Erhalt eines veralteten Weltbildes kämpft, dabei scheitert und zum willfährigen Opportunisten mutiert. Und das tut der Schauspieler mit vollem körperlichen Einsatz und in rhetorischer Höchstform.
Ein meisterhaft agierender Michael Neuenschwander
Anfänglich spielt er lautstark den erzkonservativen Hoffnungsträger, klettert auf die Zapfsäule und verkündet sein reaktionäres Wahlprogramm, später wird er mehr und mehr zum Zuhörer, befragt den Jungen Dylan, der am Parteitag der Republikaner mit einem Gewehr Wache steht, was er hier tut, erfährt, dass er die Freiheit, die Bibel und die Verfassung verteidigt, berichtet von einer älteren Frau, die an Ted Cruz glaubt, diesen aber gleichzeitig ermahnt, dass es nicht um ihn gehe, sondern um das Land, um die «grossartigste Nation unter dem Himmel». Zwei eindrückliche Schilderungen, die die damalige Wahlkampfsituation realitätsnah wiederspiegeln.
Allmählich mutiert Michael Neuenschwander als Ted Cruz zum willfährigen Opportunisten. Bilder: Toni Suter / T+T Fotografie
Regisseur Wojtek Klemm bietet eine abwechslungsreiche Inszenierung mit einem kargen Bühnenbild und einem meisterhaft agierenden Michael Neuenschwander, der den konservativen Hardliner Ted Cruz facettenreich wiedergibt. Der Monolog weist gewisse Längen sowie ein abruptes Ende auf, doch insgesamt wird ein düsteres, aber durchwegs diskutables Bild einer moralischen Ordnung vorgeführt, die seit Trumps Triumph ins Chaotische abdriftet. Dafür gabs am Premierenabend starken Beifall.
Weitere Spieldaten: 21., 24. Mai, 18., 25. Juni