Ein Garten, der sich selbst verwaltet? Wo sich jede Pflanze ihren Platz sucht, um sich auszubreiten, zu blühen und zu fruchten. Soll es geben. Eine Reportage in einem Magazin verspricht das Wunder: Im Garten manifestiere sich die Kraft des Lebendigen. Diesen Satz kann ich unterstreichen. Nur dass bei mir nach einer längeren Gartenpause vor allem das Unkraut lebendig ist.
Im letzten August wurde ich ausgebremst. Schnell war da die Einsicht, dass es ohne eine Rückenoperation nicht mehr geht. Im Februar dieses Jahres dann eine zweite mehrstündige Operation. Es waren, für mich, keine guten Monate.
Mein Garten, so klein er auch ist, aber legte richtig los. Er verwaltete sich fröhlich selbst. Leider hatte er die oben zitierte Reportage nicht gelesen. Und so zeigten sich zu Beginn der Frühlings-Gartenromantik keine knospenden Tülpchen unter dem maroden Helleboruslaub vom letzten Jahr und später auch keine anmutigen Akeleien und Jungfern im Grünen, die sich malerisch selbst versamt hatten. Selbst der robuste Storchenschnabel wurde weitgehend verdrängt. Kurz: Mein Garten ist ohne meine ordnende Hand ein Chaot. Hat keine Ahnung von einer Gartengestaltung, die ihren Namen auch verdiente. Nein, er geht den Weg des geringsten Widerstandes und lässt einfach wachsen. Vor allem die Potentilla reptans, das Fünffingerkraut ist im Garten ein ungebetener Gast, der sich kaum mehr vertreiben lässt.
Es grünt so grün
Denn er ist zäh: Die langen Pfahlwurzeln pumpen Nährstoffe und bei Bedarf auch Feuchtigkeit aus tiefen Bodenschichten in die Blätter. Dazu bildet jede Pflanze lange Ranken, an denen meist mehrere Jungpflanzen wachsen, die ihrerseits wieder Pfahlwurzeln und Ranken bilden – wer das Fünffingerkraut im Garten oder im Rasen hat, kann sich über fehlendes Grün nicht beklagen. Nur wird es schnell zu einem grünen «Einheitsbrei», der alle bodennahen Pflanzen überwuchert und erstickt.
Malerische Tülpchen? Fehlanzeige. Das Fünffingerkraut überwuchert einfach alles.
Einschub: Es gibt durchaus Potentillaarten, die hübsch sind und bis in den Herbst hinein blühen und wenig Anstalten machen, den Garten gleich ganz zu übernehmen. Das Fünffingerkraut gehört allerdings nicht dazu und muss, da ja der Begriff «Unkraut» verpönt ist, als ein Beikraut bezeichnet werden, das alles daransetzt, die Blumenbeete, Rabatten oder eben den Rasen zu überwuchern.
Einen kleinen Trost gibt es: Wer Schildkröten oder Meerschweinchen hält, der hat ab Frühling vollauf genügend Grünfutter im Garten. Auch Insekten und Schmetterlinge lieben die kleinen gelben Blüten, die im Sommer erscheinen. Dass das Fünffingerkraut in der Phytotherapie, der Lehre von der Heilkraft der Pflanzen, auch in der Naturmedizin eingesetzt wird, kann schon sein. Nervenstärkend ist es allerdings wohl nicht. Verwendet werden die Pfahlwurzeln, getrocknet und als Tee aufgegossen als Mittel zur Desinfektion, aber auch gegen Zahnschmerzen, Fieber und Beschwerden im Verdauungsbereich.
Potentilla hat auch Freunde. Allerdings nur tierische.
Wobei, weiss ich aus eigener Erfahrung, gegen Rückenschmerzen wirkt das Kraut kontraproduktiv: Wer nach einer längeren Ausreissaktion im Blumenbeet wieder aufsteht, der wünscht das üppige Grün ins Pfefferland. Und träumt von einem sich selbst verwaltenden Garten mit kleinen Tülpchen, sich malerisch ausbreitenden Blumenteppichen und ganz ohne Fünffingerkraut. Bleibt wohl ein Traum oder genauer: Ist einfach nur Gartenromantik-Kitsch.
Wer es trotzdem versuchen will, orientiert sich an «Ein Garten offenbart sich – Erzählungen von einem anderen Leben» von Katrin de Vries. DTV 2024
Im selbst verwalteten Garten gilt eben auch die Macht des Stärksten und das ist nicht das was Mensch und Umwelt eigentlich wollen.