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Klitzeklein, die Probleme der Schweiz?

Mit grossen Augen stand er vor mir im Intercity nach Bern. Er beugte sich zu mir herunter und fragte leise: «Darf ich Sie etwas fragen, ich kenne Sie». Etwas ärgerlich erwiderte ich: «Wenn’s sein muss.» Ich erschrak selbst an meinem etwas missmutigen Ton. Er liess nicht locker, setzte sich einfach vis-a-vis auf den freien Platz. Er entfaltete geräuschvoll die NZZ, blätterte sie durch, hielt an: «Sehen Sie da: Dieser Artikel «Die Pensionierung wird komplizierter» ärgert mich gewaltig.» Ich blickte auf, bemerkte, dass wir bereits beobachtet werden. Er fixierte mich noch intensiver. «Ja, ich habe diesen Artikel heute beim Frühstück auch überflogen, aber nicht besonders zu Kenntnis genommen.»  Es sei ja bekannt, dass sich die NZZ sehr stark den Fragen der Sozialversicherungen, der AHV, der 2., der 3. Säule annehme und immer zeilenreich vor einem Ausbau warne, jeweils schon weit bevor es zu einer Volksabstimmung komme, fast täglich. Michael Ferber, der Autor des Artikels, sei  tatsächlich einer der Fleissigsten an der Falkenstrasse in Zürich. «Was stört Sie daran?» Er: «Jetzt werde ich auch bald pensioniert, habe jedes Jahr viel in die 3. Säule einbezahlt und nun soll ich dann viel mehr Steuern bezahlen, wenn ich das Geld beziehen will, als ich annahm? Die in Bern oben wechseln während des Spiels die Regeln, das geht doch nicht. Das ist gegen Treu und Glauben», endete er erregt. Ich versuchte ihn zu beruhigen: »Das ist noch lange nicht in trockenen Tüchern.» Es werde wahrscheinlich zu Referenden kommen. «Hier stehts aber.»

Klar: Die Absicht des Bundesrats ist eindeutig. Er will den Bezug von Vorsorgegeldern aus der 2. und der 3. Säule tatsächlich massiv stärker besteuern. Mein Sitznachbar wies auf eine der wichtigsten Passage im Text hin. Während ein Alleinstehender bei einem Kapitalbezug von 100’000 Franken derzeit bei der direkten Bundessteuer 547 Franken zahlen muss, werden es nach der angedachten Reform 595 Franken sein. Was ja noch verträglich wäre. Bei einer halben Million Franken hingegen beginnt es einzuschenken: statt 10’535 sind es 17’595 Franken. Bei einem Kapitalbezug von 1,5 Millionen Franken waren es bisher 34’500 Franken an direkter Bundessteuer, in Zukunft wären es 80’100 Franken. Ich fragte ihn: «Was trifft auf Sie zu? »Das spielt jetzt keine Rolle», entgegnete er wieder etwas erregt. Wir hatten in der Zwischenzeit schon längst die Aufmerksamkeit der Mitreisenden erlangt. Ich versuchte ihn in einem etwas leiseren Tone zu beruhigen und vertiefte mich in meine Zeitung, den Tagesanzeiger.

Nach einer Weile legte er wieder los: «Haben Sie den Spruch von Trump gelesen? Bis jetzt hat mir der Trump ganz gut gefallen, aber jetzt?» Irgendwie beginnt mich der Mann vis-a-vis zu interessieren, vor allem nach seinem Bekenntnis. Nicht häufig trifft man auf einen Trump-Fan. «Was hat er denn gesagt?» ·Er: «So ungefähr kann ich es zitieren: Niemand wisse ganz genau, was er, Trump tun werde, würde er, wolle er in den Iran-Krieg eintreten.» Der muss es doch wissen. Langsam beginne ich an ihm zu zweifeln.» Soll ich darauf eingehen, fragte ich mich. Tat es dann auch: «Ja, da kommen wir uns etwas näher.» Sein Gesicht hellte sich etwas auf. Wir schwiegen fortan, widmeten uns der jeweiligen Zeitung. Noch ahnten wir nicht, dass Trump genau wusste, was er wollte: Mit seinen Tarnkappen-Bombern hat  er nun wohl die Atomanlagen Irans definitiv vernichtet. Eine solche Aktion setzt eine tagelange, akribische Planung voraus. Seine Äusserungen hatten ein Ziel: die Täuschung des Gegners. Aber auch die Medien sollten weiterhin rätseln. Was sie auch taten.

Irgendwie liess mich das Gespräch nicht los. Ich las, dass der Bund bei Jugend und Sport sparen will, obwohl oder gerade deshalb, weil die Organisation J+S erfolgreich ist, sich immer mehr Jugendliche an ihren Programmen beteiligen. Wie können die in Bundesbern nur so kurzsichtig entscheiden? Ich verspüre eine leise Wut in mir aufsteigen.

An der Tagung der «Allianz Bildung 60plus» wurde in der letzten Woche darauf hingewiesen, dass im 5-Milliarden-Sparpaket des Bundes die Gelder für die Volkshochschulen, die Senioren-Universitäten gekürzt, gar gestrichen werden sollen. Ich spürte die gleiche, leise Wut in mir. Dieser Frage will ich nachgehen, was ist Sache und wie lautet die Begründung.

Am damaligen Morgen im Inter-City setzte ich mich nur widerwillig mit den Fragen des Mannes auseinander. Wenn ich nun darüber im Spannungsbogen zwischen Trump  und seinem nun doch massiven, eigentlich überraschenden Eintritt in den Krieg zwischen den Mullahs im Iran und Israel nachdenke, Israels brutales Vorgehen im Gazastreifen miteinbeziehe und den mörderischen Angriffskrieg Putins in die Ukraine nicht aussen vor lasse und hier darüber schreibe, nehmen sich unsere, meistens finanziell geprägten Probleme im Vergleich dazu tatsächlich klitzeklein aus. Was wäre mit diesen Milliarden alles zu machen, die in diesen Kriegen tagtäglich zerbombt, verschossen, schlicht verschleudert werden? Mit denen tausende Menschen getötet, ihre Häuser, ihre Spitäler, ihre Infrastruktur  vernichtet werden, hunderttausende Soldaten ihr Leben lassen müssen? Ist das wirklich alternativlos?

Ja, wie wären diese Milliarden, gar Billionen einzusetzen? Vor meinen Augen erscheinen weltweit blühende Landschaften, in denen sich die Menschen friedlich bewegen und begegnen. Ist das eine Utopie? Allein daran zu erinnern, macht deutlich, welchem Irrsinn wir aktuell ausgesetzt sind.  Zu diesen Gedanken hat nicht zuletzt der unbekannte Mann im Inter-City beigetragen.

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4 Kommentare

  1. Ein ganz wunderbarer Artikel der Bewusstwerdung, vielen Dank! In ständig wechselnden Rahmen sehen geläufige Dinge
    laufend anders aus. Und das muss man beim Denken fühlend erst einmal verkraften.

  2. Neulich habe ich gehört, dass Familien von gefallenen ukrainischen Soldaten 310.000 € bekommen.
    Woher hat die Ukraine so viel Geld?

    • Neulich habe ich gehört, die Ukrainerinnen wollen bei uns nur ein schönes Leben geniessen und die Ukrainer sind alles Ladendiebe. Na na, was man so alles hört!
      Oder wollten Sie nur ein bisschen mit dem Feuerchen spielen?

  3. Die Probleme in der Schweiz sind nicht das einzige was klitzeklein ist. 😉

    Liebe Füße und schöne Grüße, Rene Kröner

    Ich liebe Füße.

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