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Mit Sackgeldverdunstern zur Töffli-Freiheit

Sie lärmten, sie stanken, sie nervten. Trotzdem: Die 14er Töffli versprachen vor Jahrzehnten Unabhängkeit und steigerten das Ansehen bei den Gleichaltrigen. Auch der Autor düste auf diesen krummen Wegen.

Bevor ich diese Kolumne weiterschreibe, muss ich mein Gewissen erleichtern. Ich war ein Töfflidieb. Genauer und weniger belastend: Ich habe die Hobel meiner Schulkollegen  zum Gebrauch entwendet.

Das kam so: Meine Pubertätskrise erreichte ihren Gipfel, als ich 15 war. Als wenn es kein Morgen gäbe, verweigerte sich der vorher so brave Peter der Schule. Weil auch die Französisch-Noten grottenschlecht waren, durfte ich keine zusätzliche Fremdsprache lernen, kein Italienisch, kein Englisch.

Für den Fünfzehnjährigen waren seine eitrigen Gesichtspickel das weitaus grössere Problem, als dass er nun den Unterschied zwischen dessert und desert verpasste. Der Ausschluss verbesserte sich zum Zusammenschluss, weil auch Remo das gleiche Schicksal widerfuhr. Remo (Name geändert) und ich hatten nun gemeinsame Freistunden. Pubertierende Jünglinge ticken anders als vernunftbegabte Wesen. Sie übersehen den Unterschied zwischen mein und dein. Im Veloständer vor dem Schulareal warteten meist ein rundes Dutzend Töffli auf ihre fremdsprachenbegabteren Besitzer. Die Mädchen waren stets in der Minderheit. Meist waren zwei oder mehr Vehikel ungesichert.

Mit diesen Sackgeldverdunstern bretterten wir nun durchs Quartier. Helm? Fehlanzeige. Peter Fonda („Easy Rider“) trug ja auch keinen. Grösser als die Furcht vor dem Strassenverkehr war die Angst, entdeckt zu werden. Nicht auszudenken: Die Polizei, die rechtmässigen Besitzer, die ahnungslosen Eltern, die strengen Lehrer. Doch Remo und ich überlebten Pickel, Sek und Töffliklau.

Die Knatterdinger faszinierten allerdings weiter. Ich erwarb später einen Velo-Solex. Das schwarze Ding mit dem eigentümlichen Abriebantrieb aufs Vorderrad galt in der Szene als Nonvaleur. Die Fahrer galten als bisschen Weichei, bisschen frankophil – ein Eindruck, der sich durch Gauloise-Zigaretten, jaune, sans filtre, steigern lies.

Überall Hügel, die es zu erklimmen galt, überall Meitli, die es zu beeindrucken galt.

 1   Mit einem Pony durch die Gegend zu knattern, das war schon was. Besonders mit einem Fuchsschwanz. Das Gefährt sah auch schon beinahe wie ein richtiger Töff aus. Zudem konnte man an diesem Hobel gut schrauben. In den letzten Jahren wurde das aufwändig restaurierte Pony (gerne in Rot) wieder zum beliebten Vintage-Gefährt.

 2  Bei den Schmalspur-Piloten galt das (der?) Solex höchstens noch als härzig. Das Pfupferli genoss in der Töffli-Gemeinde wenig Ansehen, weil auch der Herr Pfarrer oder die Frau Lehrerin damit durch die Gegend schlichen. Anders als bei den angesagten Zweirädern musste man mit einem Solex bei Steigungen kräftig mittrampen.

 3  Das Ciao gehörte zum Schweizer Schulalltag. Aber auch deutsche Promis fanden Geschmack am typischen Zweitaktgestank. Der Musiker und Komiker Helge Schneider war ein bekennender Ciao-Anhänger. Gleiches gilt für den Skandal-Comedian Jan Böhmermann.

 4  Das Maxi von Puch war bei den jungen Schraubern beliebt. Den Tüchtigsten gelang es, das Ding so zu tunen, dass es 50 Stundenkilometer und mehr schaffte. Und noch schöner: Es lärmte dann teuflisch. Für diese Vergnügen waren unter anderem ein modifizierter Vergaser und wasserdichte Ausreden nötig, wenn man mit der Polizei peinliche Fachgespräche führen musste.

 5  Na ja, Herkules, das tönt schon ein bisschen übertrieben. Das Mofa mit diesem Namen hatte seine Bezeichnung von einer Figur aus der griechischen Mythologie. Herkules war berühmt für seine übermenschliche Stärke. Die ging dem Mofa ab. Wie die anderen Maschinchen hatte das Töffli bloss ein Motörli mit 50 Kubikzentimetern. Für Easy-Rider-Träume reichte das allemal.



Im Zweitakt vorwärts in die Siebziger. Hier kann man Vergangenheit mieten.

Mit 30 Stundenkilometern den Fahrtwind zu spüren, dieses Gefühl ist auch heute noch zu erleben.
— Die Firma Töffli-Touren in Baar organisiert geführte Ausfahrten für Gruppen und stellt dafür die Mofas zur Verfügung. Link: In Baar.
— 
Das Unternehmen „töfflis GmbH“ in Muntelier bei Murten hat keine geführten Ausfahrten im Programm, sondern vermietet Mofas an Einzelpersonen oder Gruppen. In Muntelier bei Murten. 




Früher ersehnt, heute verpönt. Hier unser Schlusspunkt.

Ui, ui, mit einem solchen Bild kann mann sich heute die Finger verbrennen. 
Wir wagens.
1 Mann
1 Lederjacke
50 Kubikzentimeter
3 Leichtbekleidete

Siebziger-Ikone: Drei Frauen sitzend und knieend am Boden. Der Mann mit dem offenen Hemd thront und lenkt.

Mit dem Pfupferli über alle Berge – unsere Leser erzählen. Da ist trotz des oben angekündigtem Schlusspunkts doch noch was nachzutragen. Nämlich: An was erinnert sich unsere Leserschaft? Mit dem Töffli über den Gotthard, mit dem Hobel ans Meer, zwei Wochen zelten in Tenero: Über die Kommentarspalte können unsere Leserinnen und Leser ihre Töffli-Erlebnisse uns allen zugänglich machen. Wir freuen uns.

Bilder: Fotor, zvg, pixabay, Peter Steiger

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3 Kommentare

  1. Klasse Artikel. Ich hatte früher auch einen Sackgeldverdünster, da lagen mir die Weiber noch zu Füßen. Hehe. 😉

    Ich liebe Füße.

    • Die «Weiber» hatten eigene Töffs, du Fussfetischist; wir brauchten damals wie heute keine Möchtegerngross und wichtig-Männer :-))

  2. Mit 14 Jahren war ich das Meitli mit dem Solex meines Vaters, das dieses nutzen durfte um den «Stern» und den «Quick» am Kiosk im Nachbardorf zu kaufen. Ja das waren Zeiten…!!

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