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Was mich bedrängt

Um die Antwort gleich zu geben, es ist eigentlich mein iPhone. Es hat sich bei mir eine Sucht eingeschlichen, es sofort zu öffnen und durchzublättern, nicht wie ein Buch, vielmehr es durchzurollen. Oder wie soll ich sagen, wenn ich mit dem Finger von einer Information zur anderen streiche, Schlagzeilen lese und bei der einen oder anderen stehen bleibe. Was mich dabei bedrängt, sind Dinge, die ich eigentlich gar nicht wissen will. Da hat eine Berühmtheit ein Kind bekommen und es wird so getan, als ob dies vor allen anderen Müttern, die Kinder geboren haben, wichtiger wäre. Oder ein Traumpaar hat sich scheiden lassen. Was geht das mich an? Scheiden oder Trennen, meldet die Statistik, würden sich fast die Hälfte der Paare.

Wer sich mir gegenwärtig am meisten aufdrängt, ist der Blondhaarige in Amerika. Er sagt dies und macht das. Bei einigen Dingen geht er rabiat vor. Er spricht von einer Welt, in die ich nicht passe. Aber mein iPhone lasse ich, obwohl ich weiss, dass es sich mir unterwegs gebieterisch aufdrängt, nicht zu Hause. Das ist meine Schwäche. Manchmal versuche ich mich nach zwei Tagen zu erinnern, was ich digital gelesen habe und es fällt mir nichts mehr ein. Aber ich weiss natürlich genau, wann ich Hans das letzte Mal getroffen und mit ihm ein Glas Wein getrunken habe. Wein trinken hat mir vor kurzer Zeit mein Handy vermiest. Natürlich, war dieses Verbot so flüchtig aufgetaucht, dass ich mich nicht mehr an die Gründe erinnere, warum ich es unterlassen soll. Ich freue mich auf jeden Fall, bald wieder mit Hans am Mittagstisch ein Gespräch zu führen und da werden wir auf unsere Freundschaft anstossen.

Dass ich gerne mit Hans und anderen Menschen, die ich schätze, zusammenkomme, beweist, dass mir das analoge viel mehr bedeutet als das digital vorgespielte Leben. Wissen brauche ich, damit ich mich unterhalten kann. Das medial vermittelte Wissen von Kriegen bedrängt mich so sehr, dass ich wegschauen möchte, aber es ist eben dauernd präsent. Manchmal beneide ich Menschen, die den Schrebergarten pflegen und gesellig zusammensitzen. Es prangt dann ein Schweizerwappen oder eine italienische Fahne an einer langen Stange, die mir sagt: Da wollen Menschen glücklich sein.

Was ich gegen meine Sucht des Tippens und Zappens tun kann, ist mir klar. Wenn ich mich jeweils zu erinnern versuche, was mir geblieben ist und dies mit der Lektüre eines Buches vergleiche, bleibt mir, selbst wenn ich den Titel eines neuen Buches vergesse, immer noch die analog gelesene Geschichte, die mich fasziniert hat. Dass ich gerade wieder einmal in «Dichtung und Wahrheit» lese, wie Goethe sich um seinen Glauben bemüht hatte, verrät eine gewisse intellektuelle Neugier. Das Leben selbst ist Dichtung und Wahrheit.

Fake News oder Wokeness und gar Verschwörungstheorien sind oft Lügengebilde, und nicht das was man unter Dichtung versteht. Gegen diese muss ich mich stellen. Ich darf nicht vergessen, dass es Tatsachenwahrheit gibt, die sich nicht bestreiten lässt, auch dann nicht, wenn man die Tatsache aus einer jeweils anderen Perspektive betrachtet.

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1 Kommentar

  1. Ganz recht Herr Iten, man muss sich bewusst wehren gegen die digitale Vereinnahmung unserer Zeit und Aufmerksamkeit durch das Internet. Ich habe mich entschieden, nur noch wenige und nur einmal die Woche Informationsmedien zu konsultieren. Seither geht es mir mental viel besser. Ich kann eh nichts Wesentliches am aktuellen Politikgeschehen ändern; obwohl, als dreifache Grossmutter und Mutter bin ich, am Rande zwar nur, aber immer noch ein Vorbild und Zeitgenossin und ich scheue nach wie vor keine Auseinandersetzung auf Augenhöhe. Gerade in schwierigen Zeit zählt der Mut jedes einzelnen zu seiner Meinung zu stehen.

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