Wenn ein alter Mensch zum Pflegefall wird, sind sie vielenorts Helferinnen in der Not: Frauen aus Osteuropa, die mit einer Rund-um die-Uhr-Betreuung die Angehörigen zu Hause entlasten. Beatrice Tukker aus dem Kanton Baselland hat sehr gute Erfahrungen mit diesem Pflegemodell bei ihrem Vater gemacht.
Vor ein paar Monaten verstarb Beatrice Tukkers Vater im hohen Alter von 97 Jahren. Bis zu seinem Tod wurde er zu Hause in Sissach von Frauen aus Osteuropa betreut.
Ich treffe mich mit Beatrice Tukker in dieser Baselbieter Gemeinde, wo nicht nur ihr Vater gelebt hatte, sondern auch sie nur wenige Gehminuten von ihm entfernt beheimatet ist. Die kurze Distanz hatte grosse Vorteile. So konnte sie immer wieder – notfalls bei einem Hilferuf auch nachts – noch kurz vorbeigehen.
Doch irgendwann akzentuierten sich die gesundheitlichen Probleme. Ein Pflegeheim kam für ihren Vater aber partout nicht in Frage. Er wollte, wie so viele gebrechliche Menschen, die eigenen vier Wände im hohen Alter nicht mehr verlassen.
Absage an Pflegeheim
Schon bei ihrer Mutter sei das früher der Fall gewesen. Während der Corona-Zeit wurde diese ebenfalls zu Hause ein paar Monate von einer Frau aus Litauen betreut. Von einem Pflegeheim wollte auch Beatrice Tukkers krebserkankte Mutter nichts wissen. «Meine Mutter wurde zuhause palliativ von der Spitex, der spitalexternen Onkologiepflege sowie der 24 Stunden Betreuung versorgt und starb zuhause. Nach ihrem Tod haben wir die Betreuerin weiter beschäftigt.»

Beatrice Tukker: «Mein Vater wollte die eigenen vier Wände nicht mehr verlassen».
Ihr Vater konnte dank dieser fremden Unterstützung noch fünf Jahre zu Hause verbringen. Die Frauen übernahmen wechselseitig die Hausarbeit, gingen einkaufen, kochten, putzten, halfen ihm auf die Toilette und waren auch in der Lage und befugt, gewisse Gesundheitsleistungen zu erbringen; so zum Beispiel erinnern sie an Medikamente. Pflegerische Aufgaben von einer grösseren Dimension wie etwa das Verabreichen von Spritzen gehörte nicht zu ihrem Aufgaben-und Kompetenzbereich. Dafür war die Spitex zuständig.
Entspanntes Verhältnis
Das Verhältnis mit den Helferinnen beschreibt Beatrice Tukker als sehr entspannt und völlig konfliktfrei. Gemeinsame Ausflüge seien keine Seltenheit gewesen. «Ich habe die Frauen aber nie geduzt, bin aus Respekt beim Sie mit Vornamen geblieben.» In der Regel war die gleiche Frau zuständig. Aber es gab zusätzlich noch «Springerinnen», welche – nomen est omen –für Kurzeinsätze – etwa bei Ferienabwesenheiten – oder irgendwelchen Unpässlichkeiten der Anderen zum Einsatz kamen. Per Saldo lägen die Kosten für die 24 Stunden Betreuung eher höher als im Pflegeheim, da ja noch alle anderen Kosten wie Essen, Unterhalt der Liegenschaft oder Miete usw. berücksichtigt werden müssten.
«Daheim am besten»
Die wichtigsten Punkte wurden vertraglich mit einer Firma geregelt. Die ganze Abwicklung, der administrative Aufwand, das Aufbieten von Ersatzkräften bei einem Ausfall, Versicherungsfragen etc. oblag im Falle ihrer Eltern der Organisation «Daheim am besten» mit Sitz in der basellandschaftlichen Gemeinde Oberwil.
Indre Steinemann, Leiterin der Firma «Daheim am besten»: «Alle Mitarbeitenden sind von der Firma angestellt.» Foto Markus Sutter
Besuch bei Indre Steinemann, einer promovierten Juristin, die hier dieses Geschäft 2013 ganz am Rande der Gemeinde aufgebaut hat. Diese Privatspitex-Firma unterstützt ihre Kundinnen und Kunden rund um die Uhr während des ganzen Jahres in allen Bereichen der Pflege und der Betreuung Zuhause. Dass hier viele Frauen aus Litauen arbeiten, versteht sich irgendwie von selbst. Indre Steinemann ist gebürtige Litauerin. Im Laufe der Zeit seien aber noch viele andere aus weiteren osteuropäischen Staaten dazu gestossen. Sozialkompetenz, Erfahrung im Pflegebereich, eine hohe Zuverlässigkeit, aber auch gute Sprachkenntnisse: Das sind Komponenten, auf die sie bei der Anstellung besonderen Wert lege.
Seit der erweiterten Personenfreizügigkeit im Rahmen der Osterweiterung haben die Osteuropäerinnen zwar Niederlassungs-und Reisefreiheit. Aufgrund der Restriktionen im Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt verfügen viele Care-Arbeiterinnen, die in Privathaushalten arbeiten, aber über keine offizielle Arbeitsbewilligung und bewegen sich in einer Grauzone zwischen legaler und illegaler Beschäftigung.
Nicht aber bei Indre Steinemann, wie sie versichert. «Unsere Gmbh verfügt über alle notwendigen Bewilligungen für die Tätigkeit in der 24-Stunden Betreuung und ist in den Kantonen Baselland, Baselstadt, Solothurn und Aargau von den Krankenkassen anerkannt.» Zudem wurde dem Vernehmen nach eine Betriebsstätte neu in Merlischachen (SZ) eröffnet, und für den Kanton Zug liege bereits eine Spitex-Bewilligung vor.
Alle Mitarbeitenden, die sie selber rekrutiere, seien von der Firma angestellt. Darauf lege sie grossen Wert, ebenso auf eine fundierte Weiterbildung im Pflegebereich; ob es um den Umgang mit an Demenz Erkrankten, um das Entdecken von Druckstellen oder um einen Verbandswechsel gehe.
Der überwiegende Teil der Mitarbeitenden wohne bei der Kundschaft. Für Kurzfristeinsätze stünden aber auch noch einige Dienstwohnungen in Oberwil zur Verfügung.
Chemie sollte stimmen
Bei der Vermittlung von Mitarbeitenden achte sie darauf, dass die Chemie mit den zu Betreuenden und dessen Familie stimme. «Wer passt zu wem?» könne auch Hobbies beinhalten, die man allenfalls gemeinsam pflegen könne. «Aber letztlich bleibt es ein Arbeitsverhältnis, und eine gewisse Distanz sollte immer da sein».
Wichtig sei eine möglichst grosse personelle Kontinuität bei der Pflege zu Hause und gleichzeitig eine Flexibilität: «Wir können eine Ersatzkraft innerhalb von wenigen Stunden bei einem Ausfall garantieren.» Aber auch ein Schichtbetrieb von mehreren Personen sei auf Wunsch möglich. Die Firma ist inzwischen gross genug.
Die Betreuung von pflegebedürftigen Menschen kann für die Mitarbeitenden nicht nur befriedigend sein, sondern auch belastend. Das Arbeitsverhältnis endet hier mit dem Tod. Nicht alle könnten gleich gut damit umgehen, so Indre Steinemann. Man versuche diesem Umstand so gut wie möglich Rechnung zu tragen, zum Beispiel in Form einer längeren Erholungszeit nach einem solchen Vorfall, ebenso mit psychologischer Unterstützung im Bedarfsfall.
Titelbild: Der inzwischen verstorbene Vater von Beatrice Tukker mit den beiden Pflegerinnen aus Litauen. Foto Beatrice Tukker


Meine Frage ist die, wie eine solche Betreuung überhaupt finanzierbar ist, wenn die pflegebedürftige Person nur über geringe Ersparnisse sowie AHV und eine kleine Pension verfügt? Es fallen zusätzlich Wohnungsmiete, Verpflegung, Steuern, Krankenkasse etc. an.
Die gleiche Frage wie Herr Schibli bewegt auch mich. Wie sind die Kosten, wie ist das finanzierbar ? LG Peter Meier
Meine Frage; was ist mit «Caritas Ost-Europa Hilfe» die bisher wie die obgenannte Firma, ausgebildete Personen, mehrheitlich Frauen, in Familien vermittelte.
Mit ihnen habe ich gute Erfahrungen machen dürfen als Hospiz Begleitung.