Stellen Sie es sich vor: Sie sind stiller Zuhörer des 2½-stündigen Telefongesprächs, das Trump mit Putin am letzten Donnerstag führte. Das Pentagon hatte, wie schon einmal, trotz höchster Sicherheitsstufe, sträflich Lücken offengelassen. Als Sie surften, stiessen Sie absolut zufällig auf das Gespräch. Sie waren völlig irritiert, hörten aber zu. In seinem besten Englisch lobte Putin überschwänglich Trump für seinen gigantischen Erfolg. Wie er die erste Phase seines Friedensplanes für den Nahen Osten brillant umgesetzt habe. Wie er arabische Staaten, insbesondere Katar, Ägypten, selbst Indonesien hinter sich zu vereinen vermochte. Trump atmete hörbar auf. Er, Putin habe zugesehen, wie er in der Knesset himmelhochjauchzend gefeiert wurde, das habe ihn daran erinnert, als er als Geheimdienstoffizier in Ostdeutschland im Westfernsehen zugesehen habe, wie Franz Josef Strauss jeweils in den Bierzelten wie ein Bayernkönig gefeiert wurde. Und sofort ging Putin auf seinen zentralen Punkt los.
Wir beide haben doch grosse zentrale, wirtschaftliche Interessen in der Ukraine. Sie haben als Deal-Maker bereits einen Vertrag mit Kiew über die Nutzung der seltenen Erden abgeschlossen. Wir haben schon Gebiete erobert, wo es eben auch seltene Erden gibt. Teilen wir doch diese Gebiete unter uns Grossen auf. Dem kleinen Selenskyj lassen wir den Rest des Landes, der ist ja immer noch mehr als gross. Der schwarz gekleidete Mann in Kiew habe das Land in die Neutralität zu führen, ähnlich der Schweiz. Auf die Mitgliedschaft in der EU und in der Nato habe er zu verzichten, so dass keine Gefahr mehr aus Deutschland auf Russland zukomme. Wenn Sie der Ukraine Marschflugkörper Tomahawk mit einer Reichweite von 2500 Kilometer liefern, sind wir zu ganz drastischen Massnahmen gezwungen. Und bedenken Sie, die von uns gemeinsam angestrebten Geschäfte werden in höchste Gefahr geraten. Und wenn es deshalb zum Krieg kommt, meint er mit ironischem Unterton, dann werden Sie froh sein, wenn ihre Armee die Marschflugkörper noch hat. Putin schlägt Trump Budapest für das nächste Treffen vor. Zur Freude von Orban, zum Ärger vom Macron, Merz, Starmer und Co. Dann fällt der Ton aus.
Ja, Trump folgt Putin. Selenskyj musste am Freitag nach seinem Gespräch mit Trump ohne das Versprechen, Marschflugkörper zu erhalten, nach Hause fliegen. In Kiew schwindet das Vertrauen in den Deal-Maker rapid.
Und tatsächlich: Im israelischen Parlament ist Trump beim Einzug mit Siegesfanfaren und minutenlangem Standing Ovation begrüsst worden. Amir Ohana, der Knesset-Sprecher, brauchte 20 Minuten, um alle US-Gäste und Trump mehrmals zu begrüssen und in den höchsten Tönen zu loben: «Trump ist ein Gigant der jüdischen Geschichte». Benjamin Netanyahu pries in 30 Minuten Trumps «unübertroffene globale Führungsrolle». Trump sichtlich nervös, wollte endlich reden. Doch er wurde auf dem Weg zum Rednerpult gestoppt. Zunächst habe die Opposition das Wort. Der Oppositionsführer Jair Lapid bedauerte den grössten Fehler des Nobelpreiskomitees: «Das hat sich trotz ihrer grossen, politischen Tat gegen eine Verleihung des Friedensnobelpreises an sie entschieden: Wie konnte es nur?»
Endlich war er dran. Er genoss es sichtlich. Zunächst las er vom Teleprompter sachlich und klar. Neben dem Gaza-Krieg und der Lage im Nahen Osten streifte der amerikanische Präsident unter anderem auch die Verhandlungen Steve Witkoffs mit Wladimir Putin. Immerhin. Dann kam es immer kurioser. Er verunglimpfte Joe Biden, wie so oft. Er sprach über das Eheglück von Jared Kushner und seiner Tochter Ivanka. Jared Kushner, der habe zum grossen Erfolg beigetragen, der sei ein gewiefter Immobilienstratege. Israels Präsidenten Yitzhak Herzog forderte er auf, Benjamin Netanyahu in seinem andauernden Korruptionsprozess zu begnadigen: «Ich mag den Kerl einfach», sagte der Präsident lächelnd. Der Saal quittierte das mit lauten, anhaltenden «Bibi, Bibi, Bibi»-Rufen.
Derweil zogen tausende Palästinenser zurück in ihre Strassen, in ihre zerbombten Häuser. Die Hamas-Kämpfer verliessen mit ihren Gewehren ihre Stellungen, erschienen in den Strassen, auf den Plätzen, begannen den Verkehr zu regeln. Sie übernahmen wie selbstverständlich Polizeifunktionen. In Videos wird öffentlich, wie sie vor Zuschauern «Kollaborateure» mit einem Genickschuss niederstreckten. Trump warnt sie wortreich. Wie will er sie aber ohne Gewalt entwaffnen, wie das sein Plan vorsieht?
Derweil gewöhnen sich die befreiten israelischen 20 Geiseln an ihre Freiheit, versuchen mit Unterstützung in ein normales Leben zurückzufinden. Was nicht einfach ist. Die Angehörigen der toten Geiseln, welche die sterblichen Überreste ihre Liebsten noch nicht erhalten haben, zweifeln. Sie zweifeln am Friedensplan Trumps.
Derweil demonstrierten am Samstag in 2600 Orten der USA Millionen Menschen: «Wir wollen keinen König.» Aus den Weissen Haus verlautete: «Das sind alles fehl gerichtete, verführte Linke, vor allem Demokraten.» Da ist Putin viel weiter. Nach den Wahlen 2011 kam es zu riesigen Demonstrationen in Russland. Putin verbot sie. Sein Machtapparat verhaftete alle, die sich nicht daranhielten und -halten. Und Aleksej Nawalny, seinen stärkten Widersacher, strangulierte er, bis dieser im Arbeitslager 2024 starb.
Ganz nüchtern betrachtet: Die Siegesfeier in der Knesset war schlicht zu früh angesetzt gewesen. Muss sich Trump nicht noch bewähren, kann er durchhalten, am Ball bleiben? Kann er sich aus der Umklammerung Putins befreien, den aggressiven Lauf des Herrn im Kreml ins Herzen Europas oder in die baltischen Staaten stoppen? Kann er Putin von seinen Hegemoniegelüsten endgültig abbringen? Wird er seine Machtansprüche im Inneren der USA massiv mässigen, endlich als demokratischer Präsident regieren? Wenn ja, dann ist er nächstes Jahr ein aussichtsreicher Kandidat für den Friedensnobelpreis. Aber auch nur Kandidat. Mehr nicht.


Ein aktuelles Politdrama mit niederträchtigen Protagonisten in Hochform. Doch Hochmut kommt vor dem Fall. Ein Stoff, aus dem dereinst Theaterstücke und Vorlagen für Verfilmungen entstehen oder Bestseller geschrieben werden; die unmenschlichen Herrschertypen sind austauschbar.
Und das Volk? Schaut zu und rührt sich kaum. Der Mensch muss wohl eine besonders dumme und unzulängliche Spezies der Evolution sein, dass er sich mit seinem zerstörerischen Handeln den Ast auf dem er sitzt absägt. Die Erde machts noch ein paar Millionen Jahre, auch ohne die Krone der Schöpfung.