StartseiteMagazinKulturConrad Meyer – Mit Pinsel und Stift unterwegs

Conrad Meyer – Mit Pinsel und Stift unterwegs

Der Zürcher Barockmaler Conrad Meyer gehört zu den Pionieren der Landschaftsmalerei. Als Erster wanderte er mit Stift und Skizzenbuch in die Natur – gerne in die Berge – und zeichnete, was er sah. Damit wurde er zum Vorbild kommender Generationen. Das Kunst Museum Winterthur am Stadtgarten widmet ihm eine Kabinett-Ausstellung.

Die Schweiz gehört zu den Vorreitern alpiner Landschaftsmalerei. Caspar Wolf (1735-1783) gilt als erster Künstler, der im 18. Jahrhundert ins Hochgebirge stieg und die Felsen aus nächster Nähe realistisch malte. Doch es gab einen Vorläufer, der fast nur in Fachkreisen bekannt war. Umso erfreulicher, dass ihn nun das Kunst Museum Winterthur mit der Kabinett-Ausstellung Conrad Meyer – Pionier des Schweizer Barock würdigt. Vorausgegangen war eine Publikation Der Maler in der Natur von David Schmidhauser, Kurator der Ausstellung.

Blick auf Zürich von Hirslanden aus im Herbst, um 1650, Öl auf Leinwand, 112,5 x 150 cm, Privatbesitz. 

1655 unternahm der Zürcher Künstler Conrad Meyer eine Wanderung ins Glarnerland, begleitet vom jüngeren niederländischen Landschaftsmaler Jan Hackaert (1628-1685). Es ist dies die erste Künstlerreise in die Schweizer Berge. Die beiden schufen im Glarner Löntschtal zahlreiche Zeichnungen vor der Natur. Es sind die frühesten künstlerischen Darstellungen der Schweizer Alpen, die in der Bergwelt selbst entstanden.

Löntschtal in den Glarner Alpen mit zwei Zeichnern. Es sind Meyers zwei Begleiter: sein Schüler und Jan Hackaert, 1655. Tuschpinsel in Grau, stellenweise mit Blau aufgehellt und weiss gehöht. 37.9 x 95.5 cm. ZB Zürich, Graphische Sammlung 

Conrad Meyer (1618-1689) war der Sohn des angesehenen Zürcher Malers und Kupferstechers Dietrich Meyer. Vom Vater und vom dreizehn Jahre älteren Bruder Rudolf, ebenfalls ein Künstler, erlernte er früh sein Handwerk und trat nach der häuslichen Lehrzeit 1638 als Geselle die Wanderschaft an.

Conrad Meyer, Selbstbildnis, um 1650, schwarz und weisse Kreide. 20,2 x 14,5 cm ZB Zürich, Graphische Sammlung. 

In Bern kam er in die Werkstatt des Malers und Architekten Joseph Plepp (1595-1642), der zugleich Kartograf war. Für die Aufnahme exakter Topografien arbeitete dieser vor Ort in der Natur. Auf solchen Wanderungen weckte er bei seinem Lehrling die Freude an der Landschaftsmalerei. Diese wurde noch vertieft in Frankfurt am Main beim Kupferstecher Matthäus Merian d. Ä., ein Schüler von Conrads Vater. Denn bei Merian fand Conrad einen reichen Fundus an Stichen nach niederländischen und flämischen Landschaftsbildern, die er eingehend studieren und selbst auf Kupferplatten radieren konnte.

Über Augsburg und München kehrte Conrad 1642 nach Zürich zurück. 1649 heiratete er Susanna Murer, die aus einer bedeutenden Zürcher Künstlerfamilie stammte. Zwei Söhne wurden ebenso Kunstschaffende, der Dritte Pfarrer. Bis zu seinem Lebensende arbeitete Conrad Meyer als geachteter Künstler in seiner Heimatstadt. Noch im 18. Jahrhundert war sein Werk Vorbild für die Zürcher Landschaftsmaler, wie etwa für Johann Balthasar Bullinger (1713-1793), dessen Landschaftstapeten in Zürcher Bürgerhäusern begehrt waren.

Ansicht von Zürich mit dem Wellenbergturm und Regenbogen, Öl auf Leinwand 86,5 x 108,5 cm. Privatbesitz 

Die Winterthurer Kabinett-Ausstellung zeigt einen kleinen Ausschnitt aus Conrad Meyers vielseitigem und umfangreichem Schaffen. Zu Beginn steht die Entdeckung der Pleinairmalerei im Zentrum mit Zeichnungen, Skizzen und Gemälden. Meyer folgte als erster Schweizer Künstler den Niederländern und erhob die heimatliche Landschaft zum bildwürdigen Motiv. Ohne direkte Vorbilder setzte er sich in der Natur mit der Topografie auseinander und übertrug diese in seine Bilder. Auf seinen Wanderungen skizzierte er Ansichten am oberen Zürichsee, aus der Umgebung von Winterthur, in den Glarner Alpen, aber auch in der Stadt Zürich, seiner nächsten Umgebung.

Skizzenbuch Nr. 3, fol.79: «Küsnacht. Blick von Nordosten auf die ehemalige Johanniterkomturei, seit der Reformation Amtshaus», um 1645, Feder in Schwarz, grau laviert, 15,6 x 38,6 cm. Kunsthaus Zürich, Graphische Sammlung. (rv)

Auf seinen Ausflügen zeichnete und skizzierte er meistens mit Grafit, dem heutigen Bleistift. Manche Zeichnungen erscheinen mit dem Stift akkurat und präzis gearbeitet. Andere sind mit feinen kaum sichtbaren Strichen skizziert und mit dem Pinsel aquarelliert, ohne sich immer an die vorgegebenen Linien zu halten. Es sind gerade diese künstlerisch freien Arbeiten, die den Grundstein der Landschaftsmalerei für nachfolgende Jahrhunderte legte: Caspar Wolf, Alexandre Calame oder Ferdinand Hodler.

Aussicht vom Zürichberg gegen Hardturm und Höngg, Aquarell und Graphit, 17,4 x 30,4 cm. ZB Zürich, Graphische Sammlung. 

Im zweiten Raum der Schau stehen Porträts von sich selbst und der Familie im Fokus, aber auch von Bekannten. Zudem allegorische Figuren, die in Meyers Druckgrafik eine wichtige Rolle spielen.

Conrad Meyers Sohn Johannes, 1662. ZB Zürich, Graphische Sammlung. (rv)

Nach der Heimkehr wurde Conrad Meyer in Zürich mit Porträtanfragen überhäuft. Alle wollten ihr Konterfei von ihm gemalt haben, natürlich möglichst imposant. An die 200 Bildnisse des Zürcher Bürgertums sind erhalten. Im Gegensatz zu diesen repräsentativen Porträts erscheinen seine zahlreichen Selbstporträts nahbar und zeugen von einer eingehenden, prüfenden Selbstbefragung. Auch die Zeichnungen von seiner Familie verraten einen einfühlsamen Menschen.

Auch wenn wir heute Conrad Meyers Landschaftsbilder als Pionierarbeit schätzen, hatten sie zu seiner Zeit keinen grossen Stellenwert, auch für ihn selbst nicht. In seinem Lebenslauf hebt er sie nicht hervor. Es waren selbstverständliche Arbeitsprodukte und dienten nicht einmal als Vorlage für seine Ölgemälde.

Für ihn selbst war die Druckgraphik mit Abstand wichtigstes Medium. An die tausend Blätter sind heute bekannt und fast alle gehen auf eigenhändige Entwürfe zurück. Häufig handelt es ich um biblische Szenen, die den Künstler als strenggläubigen Christen zu erkennen geben. Zusammen mit dem Zürcher Dichter Johann Wilhelm Simler (1605-1672) gilt Conrad Meyer als Begründer der Neujahrsblätter. Ab 1645 publizierte er jeweils einen Einblattdruck zum neuen Jahr, sein Sohn Johannes führte diese Tradition ab 1674 weiter. Diese Neujahrsblätter waren so beliebt, dass andere Institutionen die Idee aufnahmen und ihre eigenen Blätter herausgaben, teilweise bis heute.

«Kämpfest wider Dich, so schlahest Mich», Neujahrsblatt 1653, Radierung, 10 x 13,6 cm. ZB Zürich, Graphische Sammlung. 

Meyers Neujahrsblätter richteten sich in Bild und Text als moralische Erbauungsblätter an die Jugend. Jedes Blatt umfasst ein ganzes Programm in Form allegorischer Bilder und biblischer Texte, die auf den rechten Weg führen sollen. So ist das Blatt auf das Jahr 1653 betitelt Kämpfest wider Dich, so schlahest Mich. Eine Weisheit, heute noch gültig, die aber in dieser Form kaum mehr verstanden wird. Es geht hier um das «innere Ringen eines Menschen mit sich selbst, ein Selbstkampf zwischen Tugend und Trieb, Geist und Körper», lautet ein Teil der Erklärung, die über den QR-Code mit dem Handy abrufbar ist. Über diesen QR-Code gibt es auch weitere Informationen zur Ausstellung.

Fotos: Kunst Museum Winterthur 

Bis 1. Februar 2026
Conrad Meyer – Pionier des Schweizer Barock. Kunst Museum Winterthur / Reinhart am Stadtgarten, Winterthur

Publikation zur Ausstellung: «Mühlsteinkragen und Totentanz. Der barocke Grafiker und Maler Conrad Meyer (1618-1689) aus Zürich», mit verschiedenen Beiträgen, Schwabe Verlag, Basel 2025. CHF 48.00 ISBN 978-3-7965-5340-0

David Schmidhauser, Der Maler in der Natur. Zur Schweizer Landschaftsmalerei des 17. und 18. Jahrhunderts, Hirmer Verlag, München 2024. ISBN 978-3-7774-4148-1

 

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