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Familienforschung des Mühlemann Fritz

Der Berner Psychologe, Fotograf und Schriftsteller Fritz Mühlemann hat an den Wirkungsorten seiner Ahnen Familienforschung betrieben und mit «Föhn.Sturm» ein neues, aussergewöhnliches Buch geschrieben.

Fritz Mühlemann wurde 1950 in Bern geboren. Die Ausbildung zum Psychologen ermöglichte fruchtbare Verbindungen zur autodidaktischen Auseinandersetzung mit der Fotografie («Wie wirklich ist die Wirklichkeit?»). Sehr eigenwillig ist die Orthografie seiner Gedichte. Wichtige Impulse für sein bildnerisches Gestalten kommen für ihn aus Malerei, «Filosofie» und der Poesie.

Seit den achtziger Jahren schreibt und fotografiert Fritz Mühlemann «Rabengeschichten». Seine Bücher tragen Titel wie «kein ort aber krähengelächter» oder «dort wohnen die Narren». Als Nachfolger vieler Fritzen-Generationen gründet er das Unternehmen frizz&phryds&company. Seit seiner Pensionierung 2005 gestaltet er Bücher sowie Ausstellungen und lanciert Fotoprojekte. Fritz Mühlemann lebt und arbeitet in Bern.

 Impuls für das Buch

Die Idee, ein Buch über seine Vorfahren zu schreiben, kam ihm 2015 anlässlich des Jubiläums der «Zimmerwald-Konferenz», an welcher der spätere russische Revolutionär Lenin und Arbeiterführer Robert Grimm teilgenommen hatten. Fritz las in einem im Gasthof Löwen in Zimmerwald aufliegenden Blättchen, dass der Gemeinderat per Gesetz verbot, in Zimmerwald  Lenin-Gedenktafeln aufzustellen. Und als er las, dass man sich im Dorf «kaum um die grossen Vorgänge der Geschichte gekümmert habe und die Ereignisse draussen in der grossen Welt für unsere Bevölkerung kaum mehr als ein Wellenschlag seien», entschloss er sich, die eigenen Familien- und Fritzengeschichten  niederzuschreiben und ins Weltgeschehen zu stellen.

Schattenbild: Selbstporträt von Fritz Mühlemann in der Natur.

Die Mühlemanns stammen aus  Bönigen auf dem Bödeli.  In Unterseen  tauchte der Berner Pensionär nach der Publikation seines letzten Buchs ins  Archiv Schläfli-Maurer ab, recherchierte im Heimatmuseum der Alten Pinte in Bönigen, las Chroniken und Berichte der Historiker. Im «Oberländer Anzeiger» und im «Hardermannli» fand er Geschichten sowie Artikel von und über Grossväter, Urgrossväter, die vor weit über hundert Jahren gelebt hatten. Am Unspunnenfest 1805 – so stellt er es sich vor – nahm Christen Mühlemann, einer seiner Urahnen mit Frau und Kindern teil.

Im Stammbaum der Mühlemanns werden Frauen als Ehegattinnen erwähnt, die ihren Gatten so und so viele Kinder schenkten. Eine Ausnahme war die Urgrossmutter des Autors. Sie wirtete in der Trinkhalle auf der Heimwehfluh, während ihr Ehemann, der erste Fritz mit Vornamen, auf dem  Bödeli in Interlaken als Coiffeurmeister arbeitete.

Von den Quellen zur Fiktion

Bei der Auswertung der Quellen suchte der Autor Unterstützung beim Staatsarchiv Bern. Als ihm ein wissenschaftlicher Mitarbeiter erklärte, eine genaue Rückverfolgung der familiären Spuren bis zur Reformationszeit sei unmöglich, so dass nicht herausgefunden werden könne, ob einer seiner Urahnen in der Mühle Wilderswil gemüllert habe, entschied sich der Forscher und Schriftsteller, das geplante Buch auf die fiktionale Ebene zu verlagern. Er stellte sich beispielsweise vor, sein Ururgrossvater sei auf dem Unspunnenfest gezeugt worden.

Eine andere Familiengeschichte kennt er von Erzählungen seines Vaters: Sein Urgrossvater war Coiffeurmeister in Interlaken. Um dem Alkoholismus vorzubeugen, soll er den Betriebsalkohol – wie von den Behörden verlangt – mit Schiesspulver versetzt haben. Als es im Labor bei Experimenten mit Lotionmischungen ungeplant zu einer Explosion des Fässchens mit Schiesspulver kam, soll der Coiffeurmeister aus dem Fenster gesprungen sein und das Genick gebrochen haben.

Coiffeursalon von Ulrich Mühlemann am Höheweg, um 1863. Links neben der Eingangstür: Ulrich Mühlemann, Buch Seite 86. Archiv Krebser Thun, mit freundlicher Genehmigung.

Mühlemanns neues Buch ist voller Fotos, Postkarten, Gemälde, gedruckter und weitere historischer Quellen. Die Texte zu den Illustrationen sind in Versform geschrieben und in erfreulicher grosser Schrift gedruckt. Für Seniorinnen und Senioren, die an einer Sehschwäche leiden, ist die Lektüre eine Wohltat.

Kürzlich ist das Buch nun erschienen: In «Föhn.Sturm» erzählt Fritz Mühlemann die  fiktive Geschichte seiner Berner-Oberländer-Vorfahren von der Reformationszeit bis heute. Der Band ist auch ein Stück Schweizer Zeitgeschichte und  Geschichte des ‹Bödelis›. Verschiedenste Historiker haben ihm Einblicke in die regionalen Geschehnisse verschafft und seine Vorstellungskraft angeregt. Weshalb sind einige seiner Vorfahren nach Amerika ausgewandert? Wie könnten seine Vorväter als Müller (Mühle-Männer) in Wilderswil, als Wirt und Wirtin auf der Heimwehfluh und als Coiffeurmeister in Bönigen und Interlaken gelebt haben?

Inserat / Werbung für den Coiffeursalon von Fritz Mühlemann an der Jungfraustrase, Interlaken. Um 1895. Buch Seite 120. Archiv Krebser Thun, mit freundlicher Genehmigung.

Ein Ahnen-Gedicht aus dem Buch:

die Vorfahren kommen und gehen
die Verhältnisse sind unübersichtlich
man sucht nach einer Lichtung
hilft sich mit Volksweisheiten
über Orientierungslosigkeit hinweg

mein Blick schweift über das Bödeli
das behäbig Heimat verspricht
zum Greifen nah legen sich mir die Firne
silbern verklärt ins Zwischenhirn Föhn

Sturm
der unergründliche Atem des Herrn
bricht aus der Stille
tobt der trockene Fallwind
über das Bödeli
deckt er Häuser und Ställe ab
entwurzelt Bäume reisst Felsstücke los
wirft Boote auf den Seen umher.

Prominente Besucherinnen und Besucher

Heimwehfluh, Restauration, F. Mühlemann. Aus der Postkartensammlung des Autors. Buch Seite 126.

Die Heimwehfluh und das Bödeli übten schon lange eine grosse Anziehungskraft auf Menschen aus aller Welt aus. Illustre Gäste kamen hier zu Besuch: Madame de Staël 1805 zum Unspunnen-Alphirtenfest, Goethe gastierte im Rathaus Unterseen, bevor er ins Lauterbrunnental weiterreiste, Lord Byron logierte in der Taverne Interlaken, Polo Hofer irrte, vom Blues verweht umher und besang sein ‹Meitschi vo Bönige am Quai›. Von Zeit zu Zeit bläst hier der Föhn. Der Blick auf seinen Heimatort Bönigen regte den Autor zum Nachdenken über Auswanderung, Heimat und Heimweh, über das Wesen von Zeit und Erinnerung an. Und über seine eigene Endlichkeit.

Photographie-Poesie-Filosofie


Gedicht von Fritz Mühlemann:

ich werde alt
doch bin ich ganz fahrsam
bedenke den Gletscherspalt
bei Meringue mit Schlagrahm

die Schläfen grau
auf Joggen null Bock
das Tempo flau
weniger Horn mehr Stock

warte noch immer
auf längst fällige Geduld
liebe Wahrheit mit Dimmer
HERR vergib mir die Schuld

noch passe ich nicht
zu den Handzahmen
Ende Gedicht
Amen

Föhn.Sturm, Fritz Mühlemann, edition clandestin 2024, ISBN 978-3-907262-57-3

Titelbild: Fritz Mühlemann mit seinem neuen Buch. Foto PS / alle anderen Fotos ZVG

 

Im Rahmen des Lesefestes «Aprillen» liest Fritz Mühlemann am Donnerstag 25. April 2024 um 12 Uhr im Auditorium der Bibliothek Münstergasse in Bern (Universitätsbibliothek) aus «Föhn.Sturm». Der Anlass ist gleichzeitig auch die Buch-Vernissage: Im Gespräch mit Ruth Gantert stellt der Autor sein neustes Werk vor.

LINK   www.frizzmuehlemann.ch

 

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