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Zaubergarten eines Weltenbummlers

am palmenstrand

Der Parco Scherrer ist eine Reise wert, genauer, eine Reise ins Tessin. Während Morcote mit seinem spektakulären Friedhof an steiler Halde ein beliebtes und bekanntes Ziel am Lago di Lugano ist, wird der Scherrerpark oft links liegen gelassen. Es scheint, vielen Touristen sei der Weg auf der schmalen und verkehrsreichen Uferstrasse zu weit.

Mauern, Säulen und Skulpturen in einer üppigen mediterranen Vegetation

Wer nach rund dreihundert Metern rechterhand durch die Pforte tritt und seine Eintrittskarte löst, dem öffnet sich ein Universum der Vegetation aus dem Mittelmeerraum, durchsetzt mit fremdländischen Pflanzen, dazwischen Kunst und Architektur, manchmal echt, oft als Kopie berühmter Denkmäler. Auf Wegen und Treppen über Granitplatten und Rasenterrassen geht es in anderthalb Stunden einmal um die Welt. Da sind Zedern und Zypressen, Bambus- und Eukalyptushaine und ab und zu eine hohe Palme über dem blauen Seespiegel. Im Frühling blühen Magnolien, Kamelien, Azaleen, dann folgen Rosen, Hortensien und zahlreiche weitere Blüten- und Duftpflanzen des Sommers und des Herbstes.

Zwar kleiner als das Original aber an prominentem Ort: das Erechteion von der Akropolis 

Zwischen den Baum- und Sträuchergruppen versteckt, auf kleinen lichtdurchfluteten Flächen oder in einem winzigen französischen Garten mit Buchseinfassungen überraschen Statuen aus allen Kontinenten und Epochen seit den alten Ägyptern. Zu Anfang gleich nach der Kasse heisst es, flankiert von Löwen aus Marmor, Treppen steigen, wobei zur rechten Zeit eine beschattete Steinbank zum Ausruhen einlädt, bevor es weiter ins alte Rom oder besser in die Renaissance und den Barock geht: ein niedlicher römischer Brunnen, die Schale auf den Schultern von drei Puten, ergiesst sein Nass in ein geschwungenes Bassin.

Steinerne Faune und Nymphen schauen uns beim weiterschreiten zu,. Ein Taufstein aus einer anderen Stilepoche steht etwas einsam, dafür im gemähten Gras gut im Licht. Fast alle Göttinnen und Götter der Antike schauen halb versteckt aus dem Grünen. Das Erechtheion der Athener Akropolis mit den sechs Karyatiden ist weithin zu sehen. Um eine originalgetreue verkleinerte Kopie zu erhalten, machte Scherrer zahlreiche Fotos, die er seinem Bildhauer aus Vicenza unterbreitete.

Blick durchs Glas in den siamesischen Pavillon mit gedecktem Lacktisch

Weiter aufwärts nach Südostasien: versteckt in einem Hain aus Riesenbambus liegt ein siamesisches Teehaus. Ob hier wohl wirklich mal Tee serviert wurde? Der Blick durch die Glasscheiben ins Innere zeigt einen Diwan, orangerot bezogen, den niedrigen Lacktisch aus schwerem Holz mit verschiedenem Geschirr und Nippsachen darauf sowie reich geschmückte Wände. Die Teestunde müssen wir verschieben, in dem exotischen Raum war schon lange keine mehr. Dafür dürfen wir gleich nebenan an einem Terrassentischchen auf grazilen Gartenstühlchen Platz nehmen. Von hier aus präsentieren sich der Luganersee und die südlichen Hügel auf der anderen Seite besonders malerisch, nicht zuletzt dank der riesigen Zeder im Vordergrund, oder ist es die Dattelpalme gleich daneben, welche reiche Fruchtstände überm blauen See vorzeigt.

Horus links und Sekhmetan bewachen den Eingang zur ägyptischen Gruft

So einladend das Teehaus, so abweisend das ägyptische Grabmal ein Haus weiter, im reich bemalten Innern eine Kopie der Nofretete-Büste auf einem Sockel, aber an den Türstehern, der Sekmhetan mit Löwenkopf und der Horus, Sohn des Osiris, mit Falkenkopf wagt sich keiner vorbei (wir wären freilich auch durch die Glasscheibe gestoppt).

In der indisch dekorierten Renaissance-Villa, dem Palazzo Salò in Brugine bei Padua nachempfunden, mit Bassin mit Steinfiguren wie Elefanten, Kobras und der heiligen Kuh ganz oben am Abhang kann auch geheiratet werden: die Gemeinde Morcote als Parkeignerin hat den Raum mit Mughai-Dekorationen zum Trauzimmer gemacht.

Auf die Hochzeitsgäste warten beim Eingang zum italienisch-indischen Palazzo weisse Blumen

Wer weiss, vielleicht trifft der Besucher in Wanderschuhen oder Sandalen unvermittelt auf eine Traumhochzeit. Amalia Scherrer überliess das Anwesen neun Jahre nach dem Tod ihres Gatten Hermann der Gemeinde Morcote mit der Auflage, es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seit 1965 generiert das Geschenk viel Aufwand – der Garten will gepflegt sein – aber auch viel Ehre. Zurück auf unseren Rundgang. Nach wenigen Schritten befinden wir uns tief in Arabien. Die Szene gleicht einer Oase mit Palmen, Kies und einem arabischen Haus, leider ist es nie vollendet worden.

Nubische Sklavinnen eines exotischen Arabiens

Weiter abwärts stehen und knien Skulpturen nubischer Sklavinnen – dunkelhäutig, aufreizend geschminkt – inmitten einer üppigen Pflanzenwelt.

Bis in die Siebzigerjahre gab es an diesen Hängen Weinberge, Kastanienhaine und einen alten Wohnsitz mit Stall direkt am See. 1930 hat Hermann Arthur Scherrer, ein reicher Textilhändler mit St. Galler Herkunft und Geschäften in München, das Haus und das einen Hektar grosse Gelände nach und nach gekauft. Nach etlichen Jahren waren die Hänge und Terrassen mit Zypressen, Kamelien, Kampferbäumen, Eukalyptus, Zedern, Aurakarien, Palmen und Bambus bepflanzt. Scherrer hatte diese exotischen und orientalischen Pflanzen während seiner Geschäftsreisen schätzen gelernt. Im Laufe der Jahre liess Scherrer einige Tempel im verkleinerten Massstab errichten, die mediterranen und fernöstlichen Vorbildern nachempfunden sind. Immer wieder erwarb er Statuen und Steinfiguren, denen er in seinem Garten einen passenden Platz gab. Der obere Teil des Parks entspricht einem Renaissancegarten, mit einem Sonnentempel nach spanischem Muster. Er erinnert an die berühmten Gärten der Alhambra in Granada. Die Statuen des Handelsgottes Merkur und einer Spinnerin beherrschen den Park aus der Höhe und versinnbildlichen die von Hermann Scherrer ausgeübten Tätigkeiten. Seine und seiner Gattin Asche sind in diesem Garten Eden beigesetzt.

Auf jeder Terrasse im Park eine andere spektakuläre Sicht auf den Luganersee.

Am Parkausgang steht ein Tessiner Haus im lombardischen Stil des 14. Jahrhunderts mit bogenförmigem Laubengang, wo es Erfrischungen gibt. Mit dem Grotto del Parco am See ist auch fürs Kulinarische gesorgt. Der Parco Scherrer ist halbjährlich geöffnet vom 15. März bis zum 31. Oktober, und zwar täglich von 10 bis 17 Uhr, im Hochsommer bis 18 Uhr. Weitere Details hier

Wanderern empfiehlt sich der Anmarsch vom Monte San Salvatore aus mit Übernachtung in Morcote, Reisenden empfiehlt sich die Schiffahrt über den See von Lugano aus.

Fotos © C. Zortea und E. Caflisch

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