StartseiteMagazinKulturSophie Taeuber-Arp: "Heute ist Morgen"

Sophie Taeuber-Arp: «Heute ist Morgen»

Würdigung der bedeutendsten Schweizer Künstlerin des 20. Jahrhunderts im Aargauer Kunsthaus.

Streng blickt sie uns in Grün auf der Fünfzig-Franken-Note entgegen und war doch ein so phantasievoller, spielerischer Geist. Gewiss war Strenge und vor allem Disziplin auch ein Wesensteil der grossen Künstlerin – so war sie streng in ihren bildnerischen Formulierungen der geometrischen Abstraktion, zu der sie als erste Frau überhaupt vorgestossen war. Aber ihr bedeutendster Wesenszug war eine unerhört kreative Neugier, die sie an den wichtigsten europäischen Kunstströmungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts massgeblich teilnehmen liess.

Formes élémentaires. Composition verticale-horizontale, 1917; Stickerei, Garn. Stiftg. Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp e.V. © Wolfgang Morell

Frühe Förderung

Sophie Taeuber wurde am 19. Januar 1889 in Davos geboren. Die Mutter, eine ungemein begabte und kreative Frau, erkannte und förderte früh das künstlerische Talent der Tochter und schickte sie nach St. Gallen in die Ecole des arts décoratifs, wo sie Textildesign studierte. Später vervollständigte Sophie ihre Studien in München und Hamburg. 1914 zog sie nach Zürich und nahm Tanzunterricht beim berühmten Choreographen Rudolf von Laban und dessen Assistentin Mary Wigmann, was sie zur Künstlergruppe Monte Verità in Ascona führte.

An den Schnittstellen der Kunst

Allein schon dieser Ausbildungsgang zeigt die vielfältigen Interessen der Künstlerin auf. Ihre Arbeit sollte zeitlebens geprägt sein von den Schnittstellen der verschiedenen Künste und deren Formulierungsmöglichkeiten. Sophie Taeuber-Arp, die heute als die bedeutendste Schweizer Künstlerin des 20. Jahrhunderts gefeiert wird, schuf in ihrer kurzen Lebenszeit von nur 54 Jahren ein enormes Oeuvre von fast 1’500 Werken, das zwischen Design, Malerei, Skulptur, Textilarbeit, Architektur, Tanz und Szenografie oszilliert.

König Hirsch: Deramo, 1918; Holz, gedrechselt und bemalt; Zürcher Hochschule der Künste, MfGZ Kunstgewerbesammlung; © ZHdK (Marlen Perez)

Durch die Begegnung mit dem schon damals bekannten Künstlers Hans Arp und der späteren Heirat der beiden trat Sophie in eine entscheidende Entwicklungsstufe. Die gegenseitige Anregung blieb nach aussen jedoch praktisch unbemerkt. Sophie bestritt als Lehrerin an der Textilklasse der Kunstgewerbeschule Zürich praktisch allein den Lebensunterhalt der beiden und hielt sich – und das scheint ein Wesenszug von ihr gewesen zu sein – immer bescheiden im Hintergrund. Sie zeigte ihre Arbeiten niemandem, so dass alle Welt nur auf den charmanten, weltgewandten Hans Arp starrte und Sophie dabei lange völlig übersah.

Mit Hans Arp aber trat sie 1917 in den Zürcher Kreis der Dada-Bewegung ein und belebte ihn sofort auf vielfältigste Weise, vor allem als Tänzerin sowie Kostüm- und Szenerie-Entwerferin der Dada-Aufführungen im legendären Café Voltaire in der Zürcher Spiegelgasse. Nach einer bewegten Flucht beider vor den Nationalsozialisten landeten die Arps wieder in Zürich, wo Sophie durch eine Kohlenmonoxydvergiftung 1943 ein frühes, tragisches Ende fand.

Café, 1928; Oel auf Leinwand. Stiftg. Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp e.V. © Wolfgang Morell

Erste Retrospektive weltweit

Trotz Präsentationen in vielen vor allem europäischen Gruppenausstellungen wurde erstaunlicherweise noch nie der Versuch unternommen, eine Retrospektive von Sophie Taeuber-Arps gesamtem Oeuvre zusammenzustellen. Heute, 71 Jahre nach ihrem Tode, haben wir Nachgeborenen das grosse Privileg, in einer spektakulären Schweizer Schau von rund 300 Exponaten einen repräsentativen Überblick über dieses facettenreiche Oeuvre zu gewinnen. Das Kunststück hat nicht etwa eines der ganz grossen Museen fertig gebracht, sondern das für seine zielstrebige Sammlungstätigkeit von Schweizer Kunst bekannte, im internationalen Vergleich aber relativ kleine Aargauer Kunsthaus. Die ungeheure Leistung, die hinter der sehr logisch, ästhetisch und anschaulich präsentierten Zusammenstellung steht, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Federführender Kurator ist der stellvertretende Direktor des Aargauer Kunsthauses Thomas Schmutz, der viele Leihgaben aus wichtigen Sammlungen zusammengetragen hat, um so Taeuber-Arps «Pionierleistung für die Moderne umfassend zu würdigen».

Portrait Jean Arp, 1918; Holzskulptur, gedrechselt und bemalt (Ölfarbe); Privatbesitz © Fotostudio Müller (A. Roth)

Gewandelte Wertschätzung

Und da Kunstrezeption immer auch was mit dem Kunstmarkt zu tun haben muss, hier ein kleines Beispiel der gewandelten Wertschätzung von Taeuber-Arps Arbeiten: 2003, also erst 60 Jahre nach Sophies Tod, erwarb das Pariser Centre Pompidou die kleine Skulptur „Dada-Kopf“ für eine Million Euro; eine andere Version des Dada-Kopfes ging an das MOMA (Museum of Modern Art) in New York. In der Aargauer Ausstellung ist die kleine Skulptur «Portrait Jean Arp» aus einer Privatsammlung zu bewundern. Heute, zumindest für die Dauer der Ausstellung, muss man also nicht mehr nach Paris oder New York, um dem faszinierenden Werk dieser grossen Künstlerin zu begegnen.

 

Composition dans un cercle (à volute), 1938; Wasserfarbe auf Papier; Stiftg. Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp e.V. © Wolfgang Morell

Programmatisch: «Docking Station»

Zwölf zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler haben in der zeitgleich laufenden Ausstellung «Docking Station» die Herausforderung angenommen, Kunstwerken aus der Aargauer und der Sammlung Nationale Suisse mit eigenen Werken zu begegnen. Dieser Parcours im oberen Stockwerk des Kunsthauses bietet vielfältige Einsichten und ästhetische Zeitsprünge.

Gleichzeitig werden im Untergeschoss zum Teil bedeutende Werke von Schweizer konkreter und geometrischer Kunst aus der Sammlung des Kunsthauses gezeigt, welche den kunsthistorischen Aufbau einer regionalen Sammlung aus hiesiger Sicht deutlich machen – eine hochinteressante Ergänzung zur Hauptausstellung.

Cercles et barres, 1934; Oel auf Leinwand; Aargauer Kunsthaus Aarau (anonyme Schenkung)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Begleitprogramm

Die Ausstellung «Heute ist Morgen» wird von einem vielfältigen Rahmenprogramm begleitet. Darunter ist vor allem eine internationale Tagung vom 24./25. Oktober hervorzuheben, an der vor breitem Publikum die kunsthistorische Aufarbeitung des Gesamtwerks sowie dessen Reflexion diskutiert werden soll. Programm und Anmeldung auf www.aargauerkunsthaus.ch.

Ein ausserordentlich umfangreicher Katalog (D + E) mit Farbabbildungen fast aller Exponate und Beiträgen von namhaften Autorinnen und Autoren begleitet die Schau (Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich, ca. 300 Seiten).

Die Ausstellung «Heute ist Morgen» im Aargauer Kunsthaus Aarau dauert bis 16. November 2014. Sie geht anschliessend weiter an die Kunsthalle Bielefeld (Kooperationspartner des Ausstellungsprojektes).

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