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Zu Besuch bei Ginster Eheberg

„Und man siehet die im Lichte – Die im Dunkeln sieht man nicht.“ Im Theater sind das auch jene, die fürs Licht sorgen, hier die Beleuchtungsmeisterin.

Ginster Eheberg, bald pensioniert, macht noch bis Ende Mai am Schauspielhaus Zürich Licht. Beleuchtungsmeisterin als Frauenberuf war seinerzeit genauso unüblich wie ihr exotischer Vorname. Letzeren bekam sie – fürs Zivilstandsamt mit Marianne Barbara verziert – von ihrem schriftstellernden und Tenor singenden Papa Ernst Max Hacke, der den Namen bei Siegfried Kracauer und Günter Eich gefunden hatte.

Ginster, behütet von Winifred Wagner und Patenonkel Erich Ebermayer freut sich auf Mamas Erdbeerkörbchen

Als der Baedeker Nachfahre, Künstlername Peer Baedeker, mit Frau und Kind nach Bayreuth zog, geriet man schnell in die Nähe der Wagner, und mit siebzehn sang Ginster im Chor der Meistersinger mit und schaute sich hinter Scheinwerfern versteckt alle Vorstellungen an.

Seniorweb: Ginster Eheberg, war das der Beginn einer Theaterkarriere?

Ginster Eheberg: Nicht unbedingt, ich wollte schon Sängerin, Schauspielerin, Tänzerin werden. Ich wollte auch Klavier spielen mit etwa fünf Jahren, aber mein Vater verkaufte das Klavier. Ich war sehr enttäuscht. Er wollte verhindern, dass ich zum Theater ging, weil er den Betrieb zu gut kannte, aber später einigten wir uns, zunächst auf ein Kunstgeschichte- statt ein Apothekerstudium, und als ich mich für Theatertechnik interessierte, konnte er damit leben.

Sie reisen gern, steigen oft in den Zug oder ins Auto, nutzen die Ferien für Fernreisen. Immer noch Baedeker-Blut in den Adern?

Reisen bedeutet mir sehr viel. Gern mache ich logistische Vorbereitungen wie etwa in welchem Hotel welche Aussicht besonders hübsch sei. Darjeeling, Grönland, transsibirische Eisenbahn bis in die Mongolei – da bin ich noch voller Ideen.

Ginster Eheberg (rechts) im Bühnenbild der «Physiker» bei der Arbeit

Sie hatten beruflich auch harte  Zeiten. Aber Licht erfinden macht Ihnen noch immer Freude. Und nun, Angst vor der Pensionierung? Oder haben Sie schon Netze gespannt?

Gespannt bin ich schon, was wird. In den Museen der Basilicata wurde mir klar, dass ich mein Studium der Kunstgeschichte wieder aufnehmen will. Sofort machte ich mich via Internet schlau, wie das geht. Ich studierte vier Jahre lang, habe aber keine Abschlussarbeit gemacht. Nun will ich mich immatrikulieren. Das ist das eine, das andere ist die Reiserei. Mein Mann und ich sind freilich auch etwas nervös, wie das sein wird, wenn ich viel zuhause bin.

Und weiterarbeiten fürs Licht bei Theatern?

Bereits haben Regie-Freunde früherer Tage Interesse angemeldet und sich gefreut, dass ich wieder ‹auf dem freien Markt› sei. Auch ein Daniel Fueter arbeitet ja weiter, weil er gefragt ist, und Marthalers Bühnenbildnerin Anna Viebrock – sie bekommt den Zürcher Festspielpreis – wird gern gebucht.

Welche Produktionen haben Sie mit Stolz erfüllt, oder waren sehr erfreulich in letzter Zeit?

Besonders schön war, mit Herbert Fritsch als Regisseur Die Physiker von Dürrenmatt und Der schwarze Hecht, das Musical von Paul Burkhard zu produzieren. Weil er mich allein machen lässt, ich jederzeit auf den Proben sein kann, mir wilde Sachen ausdenken kann, etwa wie ich die Gesetze der Physik überliste…

Wie bitte?

Dass Licht nicht um die Ecke leuchtet, zum Beispiel.

Auf dem Perserteppich in gelb stehen Lisa-Katharina Mayer, Carol Schuler und Jessica Früh ohne störenden Schattenwurf. Foto: Matthias Horn

Beim Teppich vom Hecht wollten wir eine mit Teppichmuster bedruckte Acrylplatte von unten her so durchleuchten, das sich die Leuchtmuster des Perserteppichs verändern. Dazu sollte es keine Schlagschatten geben. Dass so etwas noch nie jemand versucht hat, fand ich sehr toll, daran tüftelte ich gern.

Der Hecht wird von Benedict Fellmer über den dank unzähligen LED-Lämpchen diesmal blauen Teppich getragen. Foto: Matthias Horn

Also das Meisterstück der Beleuchtungsmeisterin zum Karrierenende?

Ja, kann man vielleicht so sagen. Dann eben Die Physiker – es gab eine Fernsehaufzeichnung und ich bekam viel Anerkennung durch die Kollegen vom Fernsehen. Es freut einen, wenn Fachkollegen die Arbeit würdigen, während man mit ihnen bei der Adaptation für den Bildschirm zusammenarbeitet. Teamarbeit bedeutet mir ohnehin sehr viel.

 

Nicht nur die Wände der Zelle, auch die Figuren (von links: Milan Zerzawy, Michel Stuber, Susanne-Marie Wrage, Joel Eggimann, Julia Kreusch, Jan Bluthardt, Uwe Sievers) bekommen ihr spezielles Licht in den «Physikern» von Friedrich Dürrenmatt, Regie Herbert Fritsch

Auch Alvis Hermanis, für den ich regelmässig das Licht machte bei den Produktionen fürs Schauspielhaus, kommt nicht auf Beleuchtungsproben, sondern er verlässt sich drauf, dass man irgendwann in die gleiche Schwingung gerät, dass man ohne viel über Nummern von Scheinwerfern und Farbfiltern reden zu müssen an einem Ergebnis arbeitet, das am Ende einfach gut ist.

«Die schönsten Sterbeszenen in der Geschichte der Oper» mit Friederike Wagner im Rollstuhl, Hilke Altefrohne und Jirka Zett, Regie Alvis Hermanis

Wie schon als kleines Kind mit ihrer Familie zog Ginster Eheberg zunächst von Ort zu Ort und lernte auf alten und modernen Bühnen grosse und kleine Stellwerke kennen. Sie assistierte bei Max Keller, dem Lichtpapst an den Münchner Kammerspielen, arbeitete mit dem Lichtdesigner an der Berliner Schaubühne, sie beleuchtete in London und Antwerpen, wo sie auch mal die royalen Logen samt WC ausprobieren durfte, und bei vielen freien Produktionen: Mit dem Tanzstück Geschlossene Gesellschaft nach Sartre errang sie 1989 den Preis für beste Technik (Licht) beim Cairo International Festival for Experimental Theatre. Darauf folgte der Ruf ans Zürcher Schauspielhaus, wo sie jetzt verabschiedet wird.

Aber die Karriere war alles andere als gradlinig. Ginster Eheberg überbrückte eine Arbeitslosigkeit gleich nach dem Bestehen der Meisterprüfung (dazu muss man auch Elektriker lernen) mit dem Verfassen von Krimi-Hörspielen nach Sherlock Holmes – das habe sie finanziell saniert – und später, bereits in Zürich, kam von einem Vorgesetzten aus heiterem Himmel die Kündigung. Das führte zu heftigen Protesten. Ginster freut sich noch heute an Loyalitätsbezeugungen von Mathias Gnädinger oder Peter Brogle und Thomas Hürlimann.

 Sie wurde nach einem Chefwechsel wieder eingestellt, erfand das Licht für viele Produktionen zu Marthalers und Hartmanns Intendantenzeiten bis heute. Wie ein Who is whoder Regie liest sich die Liste, für wen sie Licht entwerfen konnte, darunter Christoph Marthaler, Jossi Wieler, Karin Henkel, Andreas Kriegenburg.

Merken die Zuschauer gutes Licht?

Ich bilde mir ein, sie spüren es. Ich freue mich immer, wenn bei Kritiken auch das Licht erwähnt wird, das bedeutet ja, dass es als ein Teil der Produktion wahrgenommen wird.

Kaspar Hauser (Jirka Zett mit Roland Hofer) in der «Puppenstube» seiner Adoptiveltern. Regie Alvis Hermanis

Kann man sagen, Licht sei so wichtig wie Bühnenbild oder Kostüme?

Auf alle Fälle! Mit gutem Licht kann man viel herausholen, mit schlechtem alles zerstören.

Wären Sie gern Chefbeleuchterin geworden?

Jein, in Amerika und Frankreich gibt es Lichtdesigner, die sich um die Kunst kümmern und Beleuchtungschefs, die für das Material, die Budgets und die Dienstpläne sorgen. Bei uns ist das eine Funktion; ich weiss nicht recht, ob ich das gewollt hätte.

Sind Sie insgesamt zufrieden, wenn Sie zurückblicken?

Nachdem ich für meinen Abschied eine Collage mit Ausweisen, Zeitungs- und Briefausschnitten aus allen meinen Berufszeiten gebastelt habe, finde ich nun, ich könne sehr zufrieden sein. Erst da merkte ich, was ich alles machen konnte und wieviel positives Feedback ich bekommen habe.

Ginster Eheberg im Licht von Beleuchtungsmeisterin Eheberg im Bühnenbild der «Sterbeszenen». 

Aber vieles war auch mühsam; die Ups und Downs in meinen Berufsjahren. Bei jedem neuen Chef musste ich praktisch unten beginnen. Das braucht sehr viel Durchhaltevermögen, man muss auch stur sein können, bis man die Anerkennung wieder gewinnt.

 

Danke, Ginster Eheberg, und viel Freude im kommenden Lebensabschnitt.

Zitat im Untertitel: Schlussstrophe aus der Moritat von Mackie Messer von Bert Brecht
Teaserfoto und sämtliche Szenenfotos © Tanja Dorendorf / T+T Fotografie

Nächste (und letzte) Vorstellungen der «Sterbeszenen»: 27. Mai, 30. Mai, 31. Mai (letzte Aufführung)

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