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An Weihnachten zu lesen

Sind in unseren Breiten dem lieben Gott die Dichter abhandengekommen?

Es sind jetzt 29 Jahre her, als Kurt Marti von Arnim Juhre, dem Leiter der Kulturredaktion der Zeitung «Deutsches Allgemeinen Sonntagsblatt» (DAS) gefragt wurde, ob er, der Pfarrer, Lyriker, Schriftsteller bereit sei, eine neue Weihnachtsgeschichte zu schreiben. Kurt Marti antwortete ihm, er habe sich fest vorgenommen, keine Weihnachtserzählung mehr zu schreiben.

„Oh! Und warum das?“ Marti erwiderte, er habe dafür seine Gründe. Die Redaktion gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden. Man wollte seine Gründe kennen lernen, vorsätzlich zum Thema Weihnachten sich nichts mehr einfallen zu lassen. Doch warum? Er sei doch noch vor vier Jahren als evangelischer Pfarrer in Bern tätig gewesen.

In der Redaktion war man neugierig geworden. Wissbegierig. „Ihre Gründe, Herr Marti. Ihre Gründe…“ ? Kurt Marti ist Kurt Marti. Er schickte schliesslich der Redaktion seine Gründe in Form von zehn Thesen, und gab seine Zustimmung zur Veröffentlichung.  So kam es, dass das «Allgemeine Sonntagsblatt» am 29. November 1987 auf Seite 24 Martis Absage-Thesen abdruckte. Überschrift: „Die zerzählte Botschaft“.

Sowohl die Redaktion als auch der Autor erwarteten eine lebhafte Diskussion Man rechnete mit heftigen Protesten, mit empörten, mit bösartigen, sicher wohl auch mit freundlichen und zustimmenden Leserbriefen. Darüber hinaus Empörung in den Medien, Verstimmung und „Einspruch Euer Ehren“ auf den Kanzeln, Unmut und Enttäuschung in Küchen und Stuben. Behutsame Verärgerungen in den Buchhandlungen, bestimmt auch zustimmendes Kopfnicken von denen, die von Weihnachten, wie sie sagen, nichts wissen wollen.

Damit hatte die Redaktion der Wochenzeitung DAS gerechnet, jedoch es blieb in Grenzen. Ein Leserbrief von damals sei hier wiedergegeben: „Schade, dass Marti aufgibt. Jetzt bleibt mir wieder nur das Gewohnte. Leider Gottes werde ich ihn und seine nachdenkenswerten Erzählungen an den Weihnachtsfeiertagen vermissen müssen“.

Kurt Martis Thesen, die kurz vor Weihnachten im DAS erschienen, kopierte ich, um sie mir nicht verloren gehen zu lassen. These 4 lautet: „Weil die zu vielen, zu gut gemeinten, zu erbaulichen Weihnachtserzählungen den krank machenden, konflikterzeugenden Druck auf die menschliche Psyche noch verstärken…“

6.: „Weil die Unmenge von Weihnachtserzählungen dem Weihnachtsfest eine Priorität verleihen, die ihm gegenüber den anderen christlichen Festen theologisch nicht zukommt…“

8.: „Weil das Weihnachtsfest, konsumistisch aufgeblasen, theologisch entleert, total verbürgerlicht ist, und erzählerisch bloss noch affirmative Bürgerlichkeit reproduziert (CDU-Literatur) gewissermassen“.

9.: „Weil – summa summarum – Weihnachten in unseren nördlichen Breiten längst zerzählt ist, gewissermassen“.

Der Überdruss, die mittlerweile üblich gewordene Klage über die sentimentale Stimmung an Weihnachten, das naive Narrative und die blöde Vermarktung der biblischen Botschaft wären weitere Gründe für Martis Verweigern. Hinzu kämen heute die pseudotheologischen Predigten in den Kirchen; deren nivellierenden Niedergänge durch Verundeutlichungen, Verharmlosungen, Profillosigkeiten; das Abgleiten in allerlei heillosen Banalitäten.

Kurt Marti verstand es, Menschen zum Mitdenken zu bewegen über den diesseitigen Gott und die Verantwortung der Menschen füreinander und für die Welt. Vielleicht hatte er damals keine Sprache mehr für weitere Erzählungen. Lebenszeichen nur noch: Jammer. Seufzer. Vokative.

Wenige Wochen später hat Marti doch noch eine zusätzliche Antwort auf die Frage nach dem Warum seines Verweigerns gegeben. „Weil mir nichts mehr einfällt. Weshalb fällt mir nichts mehr ein? Weil es ohnehin schon zu viele Weihnachtserzählungen gibt (wenige gute, manche mittelmässige, viele schlechte)“. Abschliessend Kurt Marti: „Vielleicht hält Gott sich einige Dichter (ich sage mit Bedacht: Dichter!), damit das Reden von ihm jene heilige Unberechenbarkeit bewahre, die Priestern und Theologen abhandengekommen ist“.

An einem Weihnachtsfeiertag – wann sonst? – sich mal andächtig bis zum Ausdenken fragen: Sind denn in unseren Breiten dem lieben Gott die Dichter wirklich abhandengekommen? Wenn „Ja“, könnte das auch etwas mit mir zu tun haben?

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