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Im Skikurs für Alte

Die aktive Generation der Skination Schweiz kommt ins Rentenalter und fährt weiter Ski

Keine zwanzig waren wir diesmal im schweizweit einzigen Seniorenskikurs, knapp halb so viele wie in den Jahren davor. Echten Schnee gab es Anfang Januar auch im Skigebiet von Tschappina am Heinzenberg kaum, und die Wettervorhersage war tendentiell schlecht. Eigentlich hat der Skihit für Senioren den die Schneesportschule Tschappina jährlich anbietet, viele Stammgäste, aber einige erkrankten und vor allem die älteren verzichteten angesichts der Verhältnisse. Arnold aus Thusis bekam zu seinem 90. Geburtstag im November von der Skiliftunternehmung eine Saisonkarte geschenkt, aber er will erst auf die Piste, wenn der echte Schnee kommt. Dafür ist eine Neue von sehr weit her dazugestossen, Margrit Imboden aus Bern, allein lebend und seit einiger Zeit pensioniert.

Margrit (links) hat eine Frage an ihren Tschappiner Skilehrer

Wie viele andere fuhr sie gern und gut Ski. Aber nach einer mehrjährigen Pause braucht sie technische Unterstützung bei der Überwindung der Angst vor dem Steilhang, will etwas lernen übers Carven und vor allem wieder so viel Sicherheit auf den Brettern erlangen, dass sie mit ihren Enkeln einige ihrer Grossmama-Tage auf Skiern abhalten kann. So begann sie im Dezember einen passenden Kurs zu suchen. Bei Pro Senectute Bern hiess es, es würden nur Langlauftage angeboten. Bei Bern Tourismus und einzelnen Skistationen wie Grindelwald oder Gstaad empfahl man ihr entweder Privatunterricht oder verwies sie auf die normalen Erwachsenenkurse. „Ich kann mir nicht vorstellen, mit 30jährigen in einem Kurs zu sein,“ sagt sie, denn da seien die Bedürfnisse ganz anders als bei jemandem, der über 55 oder 60 sei.

So suchte sie weiter, bis sie in einem kleinen Skigebiet im Bündnerland, eben in Tschappina, fündig wurde. Dort scheint es den exklusiv einzigen Skikurs für Senioren in der Schweiz zu geben – und zwar Jahr für Jahr. Margrit liess ihren Ski einen Service verpassen, kaufte einen neuen Skianzug, eine schicke Brille und natürlich einen Helm. Zwanzig Jahre lang ist der beliebte Skiplausch für Ältere nur mit einem kleinen Inserat im regionalen Wochenblatt Pöschtli beworben worden. Als Margrit ihre Suche im Internet fortsetzte, fand sie die Ausschreibung auf der Website von Schweiz Tourismus: „Toll, dass ich das fand!“ sagt sie, „Skischule für Ältere gibt es offenbar nur hier.“

Ausrüstung stimmt, Wetter auch, nun kann es am Heinzenberg für Margrit aus Bern losgehen 

Auch eine Unterkunft fand sie in einem Gasthof, wo ein engagierter Koch am Werk ist. Das entschädigt für das schlichte Zimmer mit Dusche über den Gang.

Erster von vier Vormittagen des Seniorenhits: alle Teilnehmer bringen das Kursgeld mit, teilen sich Pi mal Handgelenk (viele kennen sich und ihre Künste von Vorjahren) unter die drei Skilehrer auf und lassen sich mit dem Schlepplift hochziehen. Die Skilehrer zeigen die richtige Haltung, fahren vor und korrigieren Fehler. Wer sich nicht wohlfühlt in seiner Gruppe, wechselt.

Endlich hat es geschneit, und die Sonne zeigt sich wie jeden Tag kurz oder länger

Zweiter Tag: Noch sind viele Feriengäste aus Deutschland und Solothurn sowie die Dorfjugend auf der knapp bemessenen Piste unterwegs. So gibt es auch Unterweisung in richtigem Verhalten auf überfüllten Pisten. Denn gerade veröffentlichte die SUVA ihre Unfallstatistik. Im Schneesport werden Unfälle immer teurer, unter anderem, weil immer mehr ältere Personen beteiligt sind, daher ist Prävention wichtig.

Dritter Tag: Wir sind die Mehrheit am Skilift, die Piste ist – wie immer perfekt präpariert und gehört den Alten vom Kurs sowie einer Kinderklasse. Jetzt wird richtig trainiert. Margrit hat Sicherheit gewonnen, wenn auch ihre Haltung mit der eines Carvers noch nicht übereinstimmt.

Am vierten und letzten Tag – endlich hat es geschneit – gibt es traditionell einen kleinen Riesenslalom. Zunächst nochmals üben und probehalber durch die Tore gleiten. Dann gilt es ernst. Am schnellsten flitzt Schorsch aus der Gegend ins Ziel, Margrit aus Bern geniesst den Rennlauf länger. Der Kurs insgesamt hat ihre Erwartungen mehr als erfüllt: «Die ungezwungene Atmosphäre, die netten Leute, die herzlichen Skilehrer» überzeugten sie, sagt sie vor der Abreise.

Mit Helm draussen, beim Abschiedsessen drinnen: der Skihit für Senioren Ausgabe 2016

Was aber tun, wenn man erst jetzt von dem exklusiven Skiplausch vernimmt, der nach wie vor von grossen Stationen nicht kopiert wird, obwohl auch jene Skischulen unter dem Januarloch leiden, obwohl da offensichtlich eine Marktlücke wäre?

Bei der Internetsuche tut sich immerhin eine weitere Schweizer Möglichkeit auf: In Brigels-Waltensburg-Andiast gibt es ausserhalb der Hochsaison jeweils freitags zwei Stunden Seniorenkurs, gesponsert von den Bergbahnen und dem Skilehrer Aluis Cathomen – aber bitte anmelden.

Oder es gilt, nach Kaprun in Österreich oder aufs Brauneck in Bayern zu fahren, wo Alte und Wiedereinsteigerinnen auf Skis gepflegt werden. Hier ist es die Ex-Rennfahrerin Michaela Gerg, die eine Skischule führt, die sich gern auch um Ältere kümmert, dort gibt es seit längerem ebenfalls hors saison Kurse, beworben mit dem Spruch:Sie werden nicht jünger, aber wir helfen Ihnen, Ski zu fahren wie ein junger Gott!

Alle schön in der Spur des Skilehrers. Es ist die allerletzte Plausch-Abfahrt für die alten Flitzer und Carverinnen: Heidi kann brauchen, was es gelernt hat.

Noch ein Tipp ohne Gewähr: im bayrischen Karwendelgebiet können Frauen und Männer über 50 im Januar und März (natürlich ohne Ostern) gratis in den Skikurs, wenn sie fünfmal in einem Hotel oder Gasthof der Region übernachten.

Viele Alte oder auch Best Ager, ü60, Seniorinnen, Junggebliebene undsoweiter wünschen sich, zu Saisonbeginn ihr skifahrerisches Können wieder zu aktivieren, am liebsten in einem Gruppenkurs. Denn wo lernt man lockerer neue Menschen kennen als bei einem Kurs, für den man sich erst noch nicht ein ganzes Semester verpflichten muss. Was die Schneesportschule in Tschappina seit zwei Jahrzehnten anbietet, scheint ein gesuchtes Nischenprodukt zu sein, das den Skilehrern erst noch Beschäftigung in der Nebensaison sichert. Zumal alle Kursteilnehmer sich nach dem letzten Umtrunk einig waren: „Wir kommen wieder!“

Alle Bilder© Eva Caflisch

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