StartseiteMagazinKulturViel Glück zum Achtzigsten, Rolf Lyssy!

Viel Glück zum Achtzigsten, Rolf Lyssy!

Von den „Schweizermachern“ zu dem, was zu tun wäre, um die Schweiz weiter zu entwickeln. Ein vielseitiges Buch für den Jubilar Rolf Lyssy.

Wer „Die Schweizermacher“ gesehen hat, dem sind die beiden so unterschiedlichen Beamten (Walo Lüönd und Emil Steinberger) unvergessen, die dafür sorgen, dass keine und keiner Schweizerin oder Schweizer werden kann, der das eigentlich vom Verhalten her nicht schon ist. Letzthin ist zu Ehren von Rolf Lyssy der 1978 erschienene Film vom Deutschschweizer Fernsehen wieder gesendet worden. Der stille, wissende Humor über die verkrampften Einbürgerungsbeamten und ihre „Objekte“, Einbürgerungswillige, die unter der peinlichen Lupe der polizeilichen „Verhaltensforscher“ zum Teil fast nicht mehr wissen, was sie tun sollen, um das ersehnte Ziel nicht zu verfehlen, hat seine Aussagekraft auch im modernen Umfeld nicht verloren.

Es ist sicher der bekannteste Film des Schweizer Regisseurs. Die verschiedensten Menschen und Situationen haben ihn zu dem gemacht, was er noch heute ist. Die bittere Ironie, die mulmige Selbstgerechtigkeit (aber auch die Auflehnung dagegen), das Ausweichen des einen Beamten mit der lebensfrohen jungen Frau – alles das hat sich zu einem Schweizerbild verdichtet, das Ansätze zu vielen Fragen bietet.

Eine ganze Reihe von Menschen aus dem Freundes- und Wirkungskreis von Rolf Lyssy hat sich zusammengefunden, um ein eindrückliches, vielseitiges, faktenreiches Buch zu gestalten, das eine Art Festschrift zum 80. Geburtstag Rolf Lyssys geworden ist: „Die Schweizermacher – und was die Schweiz ausmacht“. Als Herausgeber zeichnen Prof. emer. Georg Kohler und der stellvertretende Leiter des Verlags Rüffer und Rub, Felix Ghezzi. (Sachbuch Verlag rüffer&rub, Zürich, Februar 2016.)

Das 335 Seiten starke Buch gliedert sich in vier Teile und einen vielseitigen, informativen Anhang. Im ganzen sind es mehr als 20 Persönlichkeiten, die am Buch mitgewirkt haben. Das Konzept der Publikation überzeugt: Was sagt der Film – Wie steht es um die Schweiz heute und morgen – Botschaften der Freunde an Rolf Lyssy – Gespräche und Dokumente um den Regisseur und den Film. Das sind die Hauptteile. Ergänzt sind sie mit einemumfangreichen Intermezzo von kommentierten Bildern aus dem Film und mit dem erwähnten Anhang mit Anmerkungen, Zahlen und Fakten zu den „Schweizermachern“ und biografische Angaben zu allen Autorinnen und Autoren.

Filmgeschichte(n)

Der erste Teil widmet sich dem Film, der Geschichte seiner Entstehung, seinem Platz in der Filmgeschichte und im Schweizer Film der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts. Die Film-Fachleute, die entweder mitgewirkt oder „Die Schweizermacher“ interpretiert und kommentiert haben, spüren seiner Eigenart nach, schildern Reminiszenzen der Produktions- und Rezeptionsgeschichte und finden zum Teil so anschauliche wie überzeugende Worte dafür, weshalb Lyssys Hauptwerk noch heute, trotz veränderter Randbedingungen, eine keineswegs überholte Bedeutung hat. Noch immer legt die Filmerzählung bildreich einen charakterisierenden Finger auf schweizerische Eigenart. Wenn es auch nicht jederzeit die sympathischsten Seiten sind, welche in diesem Film die Schweiz ausmachen, so liegt darin doch recht viel Stoff zur Selbsterkenntnis und zum Überdenken von überholten Selbstverständlichkeiten. Alle Beiträge liest man mit Interesse, wenn auch bei wenigen Schreibenden hin und wieder etwas l’art pour l’art durchschimmert, weil man den Eindruck gewinnen könnte, dass sie fast mehr über sich selber als über den Film uns seine Geschichte schreiben. Einig sind sich die allermeisten jedoch darüber, welche Bedeutung die Komödie für das Thema „Schweizer sein, Schweizer werden“ hat. Es ist keine ulkig heitere Komödie, auch keine schwarze, es ist eine dem Verständnis von Schweizern von sich selbst und von ihrem Land angemessene Komödie mit grauen Schattierungen: Nehmt euch ernst – aber nehmt euch um Himmels willen nicht allzu ernst.

Landeskunde

Der zweite Teil wird eingeleitet von Georg Kohler. Treffsicher arbeitet der Wissenschaftler die Ambivalenz heraus, das Gefühl, irgendwie gespalten zu sein zwischen der Kleinheit des Staates und dem schon fast irrationalen Gefühl, insgeheim unter Bedrohung zu leben. Die Verkörperung dieses „Helvetischen Dualismus“ sieht er im Film-Protagonistenpaar Fischer und Bodmer (Emil Steinberger, Walo Lüönd). Im Schweizer als solchem und seiner Schweiz erkennt er den Sinn für öffentliche Ordnung und „eidgenössische Selbstkontrolle“, verbunden mit einem Grundvertrauen in die Normalität. Dem „heimlichen Optimismus der 1070er Jahre“ stellt er die These gegenüber, „Die Schweiz von 2016 ist ein gespaltenes Land.“

Von links: Emil Steinberger (Fischer), Walo Lüönd (Bodmer). © T&C Film, 1978

Das Gespräch, das diesen Teil abschliesst, zwischen Nathaly Bachmann Frozza, u. a. Geschäftsführerin der Bürgerinitiative StrategieDialog21 (SD21), Andreas Müller, Vizedirektor von Avenir Suisse, Georg Kohler und Jobst Wagner (SD21, Stiftungsrat Avenir Suisse) trägt den Untertitel: „Ein Gespräch über Zuversicht, Narrative, gute Politik und was zu tun wäre“. Gründliche und ernsthafte Analysen, treffsichere Handlungsvarianten und strategische Entwicklungs- und Handlungsmöglichkeiten wecken in der heute manchmal etwas verfahren anmutenden gesellschaftlichen und politischen Lage überzeugende Ansätze und Hoffnungen.

Freundespost

Zu einem auch als Gratulation gedachten Buch gehören auch Gratulationen und Würdigungen von Freunden und Mitstreitern. Man wird sie mit Anteilnahme und Freude lesen. Und manches „Aha“ wird sich einstellen, wenn man im geschriebenen Originalton Menschen wieder begegnet, von denen man in jungen Jahren wusste, die man vielleicht auch näher kannte.

Von links: Beatrice Kessler (Milena), Emil Steinberger (Fischer). © T&C Film, 1978

Gespräche und Dokumente

Der letzte Hauptteil des Buches enthält abwechslungsreiche, schon von den Partnern und dem Verlauf her äusserst spannende Gespräche, die Felix Ghezzi aufgezeichnet hat. Sie ergeben zusammen mit den aufgeführten Dokumenten rund um den Film eine begeisternd vielseitige und lebendige Geschichte der Entstehung der „Schweizermacher“. Spannend, aussagekräftig, illustrativ – eine weitere Kostbarkeit dieser ungewöhnlich vielseitigen Publikation.

Was man da beim Lesen so alles erfährt – über einen sympathischen, begabten Menschen und Filmautor, über seine Freunde; über den Schweizer und seine Schweiz in der Vergangenheit, der Gegenwart und in einer hoffentlich Wirklichkeit werdenden Zukunft; über leisen, verhaltenen Humor; über das Werden eines Films – und das alles für den 80. Geburtstag von Rolf Lyssy am 25. Februar!

© T&C Film, 1978

Auch wir wollen uns dieser Gratulation herzlich anschliessen; Rolf Lyssy: Alles Gute weiterhin!

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