StartseiteMagazinKolumnenFridolin Tschudi (1912 – 1966)

Fridolin Tschudi (1912 – 1966)

Zürich Judith Stamm im Café City für das Wocheninterview . 10.05.2010 Bild : Peter Würmli

„Doch falls du es vergessen hast: Bald blüht im Wald der Seidelbast!“

Zweifach steht er in meinem Büchergestell mit einem Sammelband seiner Gedichte, den er noch selbst für seine Leserschaft zusammengestellt hat. Und ich hatte ihn, den Autor, der vor fünfzig Jahren verstorben ist, total vergessen. Dabei hatte ich seine Gedichte seinerzeit mit höchstem Vergnügen gelesen. Sie sind poetisch, witzig, humorvoll und manchmal frech!

Ich besitze zwei Ausgaben dieses Sammelbandes, beide 1966 herausgekommen, im Sanssouci-Verlag Zürich. Die erste ist ein Geschenk mit Widmung, die zweite eine Lizenzausgabe von Ex Libris. Aha, die hatten damals schon die gute Nase, was dem Volk passen würde.

Auch die „Weltwoche“ brachte jahrelang, Woche für Woche, ein Gedicht von Fridolin Tschudi. Würden sie ihn doch wieder ausgraben, wie sie den Cartoon-Klassiker „Poldi“ wieder ausgegraben haben. Tschudi wäre auch heute in jeder Nummer ein sicherer Wert!

Die Ausgabe, die ich geschenkt bekommen habe, sieht recht zerlesen aus. Der gut gemachte Einband ist fast etwas locker, das Buch war in Gebrauch! Und, wie hübsch, im Inhaltsverzeichnis sind Titel mit kleinen Kreuzchen angezeichnet. Wenige schafften es damals in die allererste Liga. So auch das Gedicht, mit dessen Titel mein Text beginnt. Wenn ich jetzt das Buch durchblättere, müsste ich eher jene ankreuzen, denen ich nicht viel abgewinnen kann.

Ja, wie fühlt sich denn Fridolin Tschudi heute an? Ich mache die Probe aufs Exempel. Draussen ist es trüb und grau, meine Laune auch nicht besonders gehoben, ich nehme das Buch zur Hand und beginne, halblaut vor mich hin zu lesen. Und siehe da, sehr schnell breitet sich Heiterkeit in meinem Gemüt aus. Es ist eine ganz besondere Eigenschaft, die diese Gedichte so attraktiv machen. Da wird sehr selten schon im ersten Satz, im ersten Abschnitt, die Welt hinterfragt. Sie kommen häufig recht bieder und brav daher. Und können auch, verszeilenlang, so bleiben. Aber sie können auch böse enden! Ein Text beginnt häufig ganz harmlos, man kann sich geradezu ausruhen in ihm. Aber, Vorsicht, man weiss nie, worauf er hinauslaufen wird.

Und verblüffend, Tschudi bleibt aktuell. Nur beschrieb er das, was uns heute massiv und plump auf allen Kanälen frei Haus geliefert wird, mit feiner, spitzer Feder. Er war ja auch noch nicht dieser Übermacht der medialen Einwirkungen ausgeliefert. Im Gedicht „Gib dich anders!“ schreibt er in einer Strophe: „Distanziere dich vom Geist, werde ein Neandertaler, der das Primitive preist; denn so bist und wirkst du meist grösser, kühner, genialer!“ Haben wir da nicht die Anweisung für Wahlkampagnen, mit denen auch heute um die Gunst des Volkes geworben wird?

Natürlich ist auch die Schweiz ein Thema für Tschudi. Ich weiss noch, wie mich damals das Gedicht mit der Überschrift: „Kennst du das Land…..?“ bewegte. Es beginnt nämlich so: „Kennst du das Land, wo die Neurosen blühn….“. Das fand ich eine unerhört kühne Formulierung. Heute: nur noch müdes Lächeln! Da heisst es weiter: „Das Land ist klein, jedoch arkadisch schön, und wird von seinen Nachbarn ringsherum beneidet, obschon es allzuhäufig dank dem Föhn, an geistig-seelischer Verdauungsstörung leidet.“ Aber es kommt noch dicker: „So sehr die Pharmazeuten sich bemühn, den tragischen Konflikt mit Dragées zu versüssen: im Land, in dem die „Fleurs du Malaise“ blühn, muss man die Saturiertheit mit Neurosen büssen“. Dem ist  auch heute nichts beizufügen!

Aber schliessen wir versöhnlich: bald blüht im Wald der Seidelbast!

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