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Ohne Einschränkung gegen Gewalt

Im Berner Kunstmuseum demonstrieren Mexikos Künstlerinnen gegen Machoträume, für die Menschlichkeit und für die Würde der Frauen

Drei dieser Frauen sind 1963 geboren (Ximena Cuevas, von ihr stammt das Video über Schmerz; Teresa Margolles, von ihr ist die Audioinstallation einer Trepanation zu hören; Betsabeé Romero mit ihren Objekten und Bildern rund ums Auto). Claudia Férnandez zeigt Videos über traditionelle räumliche und verhaltensspezifische Strukturen von Frauen; von Melanie Smith – in England geboren, seit 1989 in Mexiko City – stammen aussagestarke fotografischen Stadt-Abstraktionen; beide haben Jahrgang 1965. Teresa Serrano (geb. 1936) bewegt und erschüttert mit ihren Installationen über Macht und die Rolle der Frau in einer männlich dominierten Umwelt. Maruch Santiz Gomez schliesslich, geboren 1975, verschreibt sich dem Bewahren des „Lobs des Herkommens“ aus künstlerischer Sicht.

Diese Frauen alle sprechen ungeachtet der Altersdifferenz dieselbe künstlerische Sprache, wenn auch in verschiedenen Dialekten, wie man es ausdrücken kann, will man beim Vergleich mit der Sprache als solche bleiben.

Die gezeigten Video- und Fotoinstallationen und Skulpturen stammen aus der „Daros Latinamerica Collection“, gegründet 2000 in Zürich mit dem Zweck, lateinamerikanische Kunst zu sammeln, die sich engagiert und tiefere soziale und humane Zusammenhänge herstellt. Als Privatsammlung ist sie mit Ausstellungen in der ganzen Welt präsent.

Die Ausstellung im Kunstmuseum Bern steht unter dem Patronat von Claudia Ruiz Massieu Salinas (Ministerin für Auswärtige Angelegenheiten von Mexiko) und Bundesrat Didier Burkhalter (Vorsteher des EDA) und steht im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Mexiko.

Hilfreiche Informationen im Katalog

Die Kuratorin Valentina Locatelli (Kunstmuseum Bern), gestaltet diese Ausstellung mit sicht- und spürbar leidenschaftlichem Engagement. Mit wissenschaftlicher Akribie und genau recherchiert, präsentiert sie als Herausgeberin die reichhaltigen und vielseitigen Informationen im Katalog zur Ausstellung. Er bietet mit ihren Beiträge und solchen von weiteren Kennern und Fachleuten eine umfassende Hilfestellung zum Verstehen des weiten gesellschaftlichen Umfelds der Kultur Mexikos (und Lateinamerikas überhaupt) und der Rolle, welche das Schaffen dieser sieben Künstlerinnen darin innehat.

Gegen stereotype Bilder und Verhaltensweisen

Die Schau gliedert sich in drei Hauptabschnitte, deren jeder in zwei nischenartige Räume unterteilt ist. Auf die ersten beiden Räume „Der häusliche Raum“ folgen „Der weibliche Körper als Raum“ und zuletzt „Der urbane Raum“. Die Grundhaltung des hier vereint gezeigten Schaffens ist eine Art von Mobilisieren einer Gegenkraft angesichts der Konventionen und Bräuche, die von Macht und Machismos geprägt sind, eine Demonstration „without restraints“, wie der Titel lautet, ohne Einschränkungen oder auch Beschränkungen auf das normativ Vorgegebene.

Dass, wie noch andernorts, auch in Mexiko die Frauen als Kunstschaffende noch nicht lange die Möglichkeit haben, ihre Werke ohne Beschränkungen zu erarbeiten und zu verbreiten, ist eine oft vergessene Tatsache. Darum kommt hier auch dem Kampf um Anerkennung dieser Künstlerinnen eine gewisse Bedeutung zu.

Teresa Serrano (*1936): Blown Mold (Geblasene Form), 2012. © The Artist

Die Macht hat nicht nur in einem lateinamerikanischen Land mancherlei Ausprägungen. Neben der Staatsmacht gibt es die Macht der gesellschaftlichen Normen und Tabus, die Macht und Gewalt gegenüber Frauen, und nicht zuletzt die Macht der Instanzen der Kirche, welche sich die christliche nennt.

Teresa Serrano zeigt in Form von nach Murano-Art geblasenem Glas mit eingeschlossenen Blasen die Kopfbedeckungen verschiedener religiöser Repräsentanten. Sie haben den gleichen Durchmesser wie ein zweites, ähnliches Objekt in textiler Form. So symbolisiert die Künstlerin die Aussichtslosigkeit des Machtkampfs der verschiedenen Religionen mit der konstruktiven Aussage, der Durchmesser der Religions-Insignien sei ja derselbe, also können die Religionen nicht allzu verschieden voneinander sein. Und das nicht lupenrein durchsichtige Glas (auf dem Bild hier) zeigt ja auch, dass die Reinheit der Lehre durch allerlei Fehlerhaftes getrübt sein könnte…

Maruch Santiz Gomez sammelt mündlich überlieferte Redensarten der indigenen Volksstämme. Sie verbindet sie mit Schwarzweiss-Fotos von illustrativen Gegenständen und Motiven. So versucht sie, dieses altüberlieferte Kulturgut vor dem Verschwinden zu bewahren.

S‡ntiz G—mez Maruch

 

Maruch Santiz Gomez (*1975): K’ajben xchi’uk aj, 1994  (Man soll niemanden mit Stangen oder einem Schilfrohr schlagen). © The Artist

Dass mexikanische Künstlerinnen heute nicht nur die prä-hispanische Herkunft, das kulturelle Erbe von Volksstämmen der Mayas und ihrer Nachfahren, darstellen dürfen, sondern auch die erschütternden Vorgänge um Mord, Totschlag und auch etwas sublimere Gewaltausübung staatlicher und kirchlicher Instanzen zu demaskieren wagen, ist eine Hauptbotschaft der gezeigten Werke in dieser Ausstellung.

Im urbanen Zusammenhang ist die Darstellung der wüstenartig kahlen, grauen und beinahe wie digitalisierte Muster wirkenden Strassenfluchten, aus dem Helikopter fotografiert (Melanie Smith, *1963) ein ebenso eindrücklich kritisierender Vorgang wie die Verherrlichung des Automobils als Statussymbol.

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Bétsabeé Romero (*1963) Aliento para rodar (Atem zum Fahren), 1997; © The Artist.

Bétsabeé Romero (*1963) Autoconstruido (Auto konstruiert), 2000. © The Artist.

Die reichhaltige Ausstellung lohnt eine Reise nach Bern und ist bis am 23. Oktober geöffnet.

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