StartseiteMagazinKolumnen1991: Frauenstreik

1991: Frauenstreik

Zürich Judith Stamm im Café City für das Wocheninterview . 10.05.2010 Bild : Peter Würmli

Die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau ist das eine, die tatsächliche Gleichstellung das andere.

Mit leuchtenden Augen stand meine Bekannte, aufgewachsen in Texas, seit Jahren in der Schweiz lebend, vor mir. „Hillary Clinton wird Präsidentschaftskandidatin der Demokraten werden“, sagte sie. Ja, das hatte ich auch gelesen. „Zum ersten Mal wird eine Frau die Möglichkeit haben, Präsidentin der USA zu werden“, doppelte sie nach und strahlte!

Langsam erwachten meine politischen Geister. Ja, wie war denn das gewesen mit unserer ersten Bundesrätin? Die erste offizielle Kandidatin der SP, Liliane Uchtenhagen, nicht gewählt. Die erste offizielle Kandidatin der FDP, Elisabeth Kopp, gewählt, aber später zum Rücktritt aufgefordert. Die zweite offizielle Kandidatin der SP, Christiane Brunner, nicht gewählt, aber dann doch eine Kandidatin der SP, Ruth Dreifuss, gewählt. Die erste offizielle Kandidatin der CVP, Ruth Metzler, gewählt, aber dann nicht mehr wiedergewählt. Was war denn das für ein Holterdipolter gewesen, als die Frauen, seit 1971 im politischen Geschäft, nach der Macht auf der Stufe der Landesregierung griffen? Aber seither gab es sogar einmal eine Periode mit vier Bundesrätinnen und einer Bundeskanzlerin! Dem gemeinsamen Gedächtnis entfallen?!

Gro Harlem Brundtland war die erste Ministerpräsidentin Norwegens gewesen. Während zehn Jahren. In Norwegen zirkulierte ein Witz. Ein Junge und ein Mädchen fragen einander, was sie einmal werden wollen. Der Bub sagt Premierminister. Da antwortet das Mädchen: Das kann nur eine Frau. Es soll sich um eine wahre Geschichte handeln!

Vor Jahren hatte ich als Jugendanwältin mit einem zehnjährigen Jungen zu tun, der gestohlen hatte. Die Folge war „Arbeitsleistung“. Die „Strafe“ sollte aber nicht die Arbeit sein, sondern die Beschränkung der Freizeit. Hatte er in seiner Freizeit „Blödsinn“ gemacht, so sollte er jetzt in der Freizeit etwas Positives leisten. Das war die Überlegung der Jugendanwaltschaft. Deshalb durften die Übeltäter jeweils den Einsatzort auswählen. Und was wählte er? Mithilfe in einem Kinderhort! Die Mutter bestätigte, dass der Bub sehr gerne kleinere Kinder betreue. Also verbrachte er drei schulfreie Nachmittage in einem Kinderhort. Und erhielt ein ausgezeichnetes Zeugnis über seine Fürsorglichkeit und Umsicht für seine Schützlinge!

Wieso kommen mir jetzt unzählige solcher Geschichten in den Sinn, wenn ich über den Frauenstreik von 1991 schreiben will? Er wurde ja ausgerufen, weil es zehn Jahre her war, seit der Gleichberechtigungsartikel 1981 in der Bundesverfassung verankert worden war. Und weil es mit der Umsetzung so zögerlich voran ging. Seither ist einiges gegangen: 1995: 10. AHV-Revision mit Splittung und Erziehungs- und Betreuungsgutschriften, 1996: Bundesgesetz über die Gleichstellung von Mann und Frau, 2000: Neues Scheidungsrecht (Hälftige Teilung der Pensionskassenguthaben), 2004: Gewalt in Ehe und Partnerschaft wird Offizialdelikt, 2014: Gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall. Die Aufzählung ist längst nicht vollständig.

Nur, die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau ist das eine. Das geht die Gesetzgeberinnen und Gesetzgeber auf allen Stufen an. Die tatsächliche Gleichstellung ist das andere. Das geht uns alle an. Und hier scheint mir der kleine Junge, der den Kinderhort als Einsatzort wählte, ebenso wichtig, wie das, was sich in den nächsten Monaten in den USA abspielen wird unter dem Motto: „Hillary for President“!

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