Ferientage in der Freien und Hansestadt Hamburg mit Kunst und Kulinarik zwischen Elbe und Alster
Hamburg, das ist für mich eine Erinnerung an den ersten Matjeshering, einen richtig von Hand auf hoher See eingesalzener, wie mir mein damaliger Chefredakteur mit leuchtenden Augen erzählte, als er mich nötigte, die ungewohnte Speise zu bestellen und zu essen. Dann war da noch ein Einkaufsbummel, von dem ich ein auffallendes Sommerkleid in die biedere Schweiz brachte. Im übrigen war ich als Redakteurin bei einem mehrtägigen Kongress beschäftigt mit Präsenz tagsüber, Redaktion der Verhandlungsprotokolle während der Nacht, so dass sie morgens auf den Tischen lagen. Von der Hamburger Kultur bekamen wir wenigstens beim Unterhaltungsabend etwas mit, in Erinnerung blieb der Satiriker und Liedermacher Hans Scheibner, der, mittlerweile ergraut, immer noch auftritt. Es war Mitte der Siebziger Jahre.
Das Hamburger Rathaus. Foto: Daniel Schwen. Wiki-commons
Nach langer Zeit bin ich wieder hin gereist, Freunde besuchen. Endlich bekomme ich mit, wie diese Stadt riecht und schmeckt, was sie Besucherinnen in zwei drei Tagen zu bieten hat. Am schnellsten erfährt man viel, wenn man eine fremde Stadt er-fährt: Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, hier mit S-Bahn, U-Bahn und den Bussen. Also Tageskarte kaufen, Netzplan besorgen und einsteigen.
Erste Station: Die Fassade des Rathauses ist schlicht imposant. Der Sitz der Bürgerschaft und des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg erinnert an ein Schloss mitten in der Innenstadt. Erbaut wurde der neoklassizistische Bau von einer Architektengruppe namens «Rathausbaumeisterbund» im Zeitraum von 1884 bis 1897. Von da geht es zu Fuss weiter, zum Jungfernstieg an die Binnenalster oder über die Mönckebergstrasse zum Hauptbahnhof – das sind die Orte mit den eleganten Geschäften.
Caspar David Friedrich: Das Eismeer. 1823/24
Zweite Station: Gleich neben dem Bahnhof liegt die Kunsthalle, nach mehrjährigen Renovations- und Ausbauzeit wieder geöffnet. Schwerpunkte der Sammlung sind unter anderen der St.Petri-Altar des Meister Bertram aus dem 14. Jahrhundert oder die Werkgruppe von Caspar David Friedrich.
Meister Bertram von Minden: Die Erschaffung der Tiere. Grabower Altar (1375–1383)
Diesen Sommer über ist eine aussergewöhnliche Ausstellung mit Meisterwerken Édouard Manets zu sehen, im White Cube des Neubaus gibt es eine Retrospektive der bei uns wenig bekannten rumänischen Künstlerin Geta Brătescu. Und für Piranesi-Liebhaber: Eine gescheit arrangierte Schau der Carceri-Blätter. Die Cafeteria im Neubau eignet sich für den Mittagsimbiss, allein wegen des Ambiente mit Blick auf die Alster.
Dritte Station: Landungsbrücken. Falls Sie mit der S-Bahn kommen, gleich auf die U-Bahn-Station (hier eine Hochbahn) steigen und einen ersten Blick aufs neue Wahrzeichen, die Elbphilharmonie, werfen. Wie eine Arche Noah erhebt sich das bizarr geformte Haus über die Häuser, Hafenanlagen und Schiffsmasten am Elbufer. Vorerst begeben wir uns hinunter zu den Landungsbrücken, deren Architektur trotz Kriegen weitgehend erhalten ist, und sehen uns den runden Bau mit den Personen- und Fahrzeugliften an, die tief hinunter zum Elbtunnel führen. Zu beachten die architektonischen Details von den kleinen Statuen der Ingenieure und anderen wichtigen Herren, die 1911 den Bau des Elbtunnel ermöglichten, bis zu den Jugendstil-Kacheln beim Eingang. Den Gang unter der Elbe durch lassen wir bleiben.
Die Elbphilharmonie – ein spektakuläres neues Wahrzeichen Hamburgs
Vierte Station: Die Insel mit dem neuen riesigen Konzerthaus Elbphilharmonie der Basler Architekten Herzog und De Meuron, das vor allem mit der skandalösen Kostenüberschreitung (statt 77 über 770 Millionen Euro) Schlagzeilen machte und wo das erste Konzert im Januar 2017 ertönen soll, erreichen wir mit der Elbfähre in flotter Fahrt. Auch die Fähren sind Teil des öV. Nun sind wir im neuesten Teil Hamburgs, dem Prestigeprojekt Hafencity. Hier entsteht ein neues Stadtviertel für gut 50’000 Bewohner und Arbeitnehmer. Spektakulär neben dem erwähnten Konzert-Kastell der Unilever-Geschäftssitz. Eine Wanderung führt an Wohnhäusern vorbei, die wie mehr oder minder geratene Gesellenstücke ambitionierter Architekten wirken. Dazwischen gibt es Grünanlagen, Wasserbecken mit Sitzgelegenheiten für Sommertage sowie einen Pavillon, der Einblick in den Bau der Elbphilharmonie bietet. Weiter geht es an unzähligen Gaststätten diverser Gastroketten vorbei in Richtung Weltkulturerbe Speicherstadt und Chilehaus: Backstein-Architektur des 19. Jahrhunderts, die in ihrer klassisch-eleganten Form Erholung fürs Auge bietet.
Ein Auge voll Weltkulturerbe: Kanal in der Speicherstadt
Fünfte Station: Das Portugiesenviertel erfreut den Gaumen. Es gibt zwischen Venusberg und Elbe unzählige Restaurants, die alle erdenklichen Genüsse der iberischen Halbinsel, vor allem der Küsten bieten. Wir versuchten es im Lisboa und waren alles andere als enttäuscht von der gemischten Fischplatte für zwei. Auch hier wird wie fast überall Rücksicht auf Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten der Gäste genommen.
Davidwache – das berühmteste Polizeirevier in Deutschland
Sechste Station: Was wäre ein Besuch in Hamburg ohne St. Pauli? Beeindruckend die berühmte Davidwache, das Polizeikommissariat, das wir aus Filmen kennen, aber aufgepasst, wer sie fotografiert bekommt es gleich mit den Damen zu tun, die am Randstein stehen. Unser Ziel ist kein Nachtlokal, auch keine elegante Bar und schon gar nicht einer der Abrissschuppen auf der Reeperbahn. Unsere Freunde führen uns in den Silbersack. Die langjährige Wirtin Erna ist zwar schon in anderen Gefilden, aber ihr Nachfolger hält sich mit Erfolg an ihre Regeln, und es bleibt alles (fast) so, wie es war. Verschiedene Flaschenbiere sind zu haben, die Jukebox steckt voller Musik älteren Datums, ab und zu wird getanzt, und die Stammgäste sind humorvoll und freundlich, auch wenn in den Tipps für Touristen steht, sie wären ruppig. Nehmen Sie sich Zeit, gehen Sie zweimal hin, denn wenn eine der Touristenführung ins Lokal lärmt, ist es mit dem Charme dahin. Glücklicherweise müssen die bald weiter, während wir noch ein halbes Stündchen sitzen bleiben.
Hafenkräne am Hamburger Hafen bei Nacht…
Siebente Station: Schauen Sie sich auf der Homepage von Hamburg um: Warum nicht ein Spaziergang durch Altona an die Elbe hinunter und von dort weiter an den hübschen Lotsenhäuschen vorbei, die heute erstklassige Wohnlage sind? Oder ein Besuch in einem der Theater oder Variété? Oder für Frühaufsteher und Freinächtler der berühmte Fischmarkt in Altona am Sonntag morgen ab fünf Uhr? Aber am spektakulärsten für Binnenländer ist der Blick auf die Hafenanlagen, die Kräne, die Containerschiffe.… und weil sie so schön sind, auch bei Tag
Fotos (ausser die speziell bezeichneten) : R. Hänny