StartseiteMagazinKolumnenPolizist Wäckerli lässt grüssen

Polizist Wäckerli lässt grüssen

Ausbüxen – was denn sonst? Wenn sogar Huftiere nach Freiheit lechzen, warum sollten dann ausgerechnet unsere Häftlinge zurück stehen und ihre Bettlaken-Olympiade sein lassen?

Sie erinnern sich: Mitte Juni haben zwei schottische Hochlandrinder in Pontresina das Weite gesucht und die Polizei während Stunden auf Trab gehalten. Und vor einer Woche büxte ein junger Stier aus dem Zürcher Schlachthof aus, übersprang hohe Hindernisse, narrte die Ordnungskräfte, rammte ein Einsatzfahrzeug und musste dann von einem Wildhüter aus Sicherheitsgründen erschossen werden.

Das können wir auch, dachten sich zwei Einbrecher des Badener Bezirksgefängnisses und seilten sich frisch-fröhlich aus 18 Metern ab. Das Durchtrennen eines Gitterstabes genügte, um ihren Zellen lebewohl zu sagen und sich darauf an zusammengeknüpften Leintüchern runterzuhangeln. Ein einziger Angestellter überwacht im Badener Bezirksgefängnis nachts jeweils die Anlage. „Bereitschaftsdienst“ nennt sich diese Schlafmützen-Lachnummer. Was danach routinemässig angeordnet wird, folgt immer dem gleichen Prozedere: Eine Grossfahndung wird eingeleitet, Diensthunde und Helikopter drehen ihre Runden, meistens erfolglos, weil die Häftlinge ja nicht auf den Kopf gefallen sind und ihre Flucht in der Regel minutiös vorbereiten, nicht selten mit Helfershelfern, die mit den heutigen (eingeschleusten) Kommunikationsmitteln keine Narrenkappe mehr brauchen, um sich aus dem Staub zu machen. Dass die polizeiliche Alibiaktion den Steuerzahler weit mehr kosten dürfte als der Einsatz einer zweiten Amtsperson, wird mit Schulterzucken zu Kenntnis genommen. Der Vorfall erinnert an die Befreiungsaktion eines Liebespärchens im Gefängnis Dietikon, wo die Betreuerin mit ihrem Liebsten unbeaufsichtigt das Weite suchen konnte.

Die Frage sei erlaubt, wie die „Ausbüxler» zu 10 Laken und Bettdecken kommen, damit es reicht, 18 Meter Höhe zu überwinden. Es wird aber noch grotesker: Im gleichen Gebäude befindet sich auch ein Posten der Kantonspolizei. Gute Nacht, Strafvollzug! Es folgen dann immer die gleichen Beschwichtigungen: „Man werde jetzt das Sicherheitskonzept überprüfen.“ Wer kann diese Leier noch hören? Sie ertönt mantrahaft und ändert rein gar nichts am Umstand, dass unser Land in kleinen wie in grossen Haftanstalten ständig den Defiziten nachrennt, Vollzugsprobleme von der Sparschraube abwürgen lässt, Überbelegungen nicht kompensieren kann oder, wie jetzt in Baden, „das denkmalgeschützte Bezirksgebäude“ gar nicht zeitgemäss als Gefängnis nutzen kann.

Tragischer ist die mutmassliche Gewalttat des gemeingefährlichen Kriminellen Tobias Kuster, der im unbegleiteten Hafturlaub im Zürcher Seefeld mit grosser Wahrscheinlichkeit einen 43-jährigen Schweizer umbrachte. Justikdirektorin Jacqueline Fehr erntete harsche Kritik, wusch ihre Hände aber in Unschuld. Man wartete zehn Tage zu, bis die Fahndung nach dem Verschwinden Kusters eingeleitet wurde. Auch hier ein inakzeptables „ich nicht – du auch“ und die Schutzbehauptung: „Hafturlaub ist immer mit einem gewissen Risiko verbunden.“ Hat man denn tatsächlich nichts gelernt aus dem Mordfall Brumann am Zollikerberg, der 1993 hohe Wellen schlug? Wer trägt das Risiko eines Hafturlaubs bei Schwerkriminellen? Es bringt natürlich nichts, von „linker Verhätschelungspolitik“ zu lamentieren oder festzustellen, dass statistisch gesehen die Nichtrückkehr selten vorkommt. Tatsache ist, dass wir uns generell schwer tun mit einem effizienten Strafvollzug und oft ein zu hohes Risiko zu Lasten der Zivilbevölkerung eingehen. Polzist Wäckerli lässt noch aus den 50er-Jahren grüssen.  Wie lange noch?

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