StartseiteMagazinKolumnenSchwingen - Tradition mit Zukunft

Schwingen – Tradition mit Zukunft

Man braucht nicht Schwinger zu sein, um dem exotischen Hosenlupf Sympathie zu zollen. Das «ESAF 2016» in Estavayer hat es eindrücklich unter Beweis gestellt.

Omega-Zeitmessung? Zehntelsekunden? Alles elektronisch erfasst? Nichts dergleichen, am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 2016 wurden die Notenblätter wie eh und je von Hand ausgefüllt. Und die Kampfrichter walteten mit professionellem Blick und sicherem Gespür ihres Amtes, ob der Wurf aufs Schulterblatt die Höchstnote 10 oder nur 9,75 verdiente. Das bedarf keines Videobeweises wie in immer mehr Sportarten, und ein kurzes „Time-Out“ wird höchstens beansprucht, wenn einem Schwinger das Sägemehl im Hals stecken bleibt.

Mehr als eine Viertelmillion Festbesucher und Tribünen für 52’000 Arrivierte und Neugierige, Kenner und Laien, Alt und Jung und keine Polizei-Armada weit und breit wie an jedem zweiten Fussballspiel. Wo liegen die Gründe für dieses friedliche Kräftemessen mit Bratwurst, Stumpen und Edelweisshemd? Die Besucher kommen von überall her, die zerknitterten Häupter sind keineswegs in der Überzahl, nein, junge Männer und Frauen äussern sich in Vielzahl anerkennend über die grossartige Atmosphäre, die Folklore und die spannenden Sägemehl-Ausmarchungen.

Die Schwinger sind weder Berufssportler noch Grossverdiener, obwohl die Werbeverträge heute schon ansehnliche Unterstützung versprechen. Natürlich, ohne finanzielle Unterstützung ist an Spitzensport nicht mehr zu denken. Und Spitzensportler sind die Schwinger, aber sie sind und bleiben Amateure mit Leib und Seele. Grimmigen Blicks, Kraftpakete mit Stierennacken, wortkarg und liebenswürdig zugleich genügt ein stummer Händedruck, bevor es zur Sache geht. Sieger soll nach acht Gängen der Würdigste werden und nicht der mit einer Millionengage. Keine Fouls und gelb-rote Karten, auch wenn mit Haken und Ösen gekämpft wird. Dann wieder ein Handschlag und die traditionelle Geste, dem Unterlegenen das Sägemehl vom Rücken zu streifen. Der 30-jährige „Berner“ Matthias Glarner hat in einem begeisternden Schlussgang den brillant schwingenden 21-jährigen „Bündner“ Armon Orlik letztlich besiegen können und ist für drei Jahre „König der Schweiz“, nach Bundespräsident und Ehrengast Johann Schneider-Ammann der einzige König, den die Schweiz duldet.

Was hat der Schwingsport mit unserer direkten Demokratie zu tun? habe ich mich gefragt. Die Parallelen sind offensichtlich. Europa begegnet unserem Föderalismus und dem regelmässig erfassten Volkswillen an der Urne sowohl mit Verwunderung als auch mit Unverständnis. Diese Art der Volksbefragung ist für den Europäer genau so exotisch wie der Schwingsport. Der Brexit hat gezeigt, dass man die Abstimmung in der Überzeugung wagte, das Volk auf der EU-Seite zu wissen. Die Ernüchterung war total. Jedes andere EU-Land würde eine solche Abstimmung wie der Teufel das Weihwasser fürchten, weil man seinen Wählern schlicht nicht zutraute, eine solch wegweisende Entscheidung mit allen Konsequenzen abzuwägen. Dieses Risiko nimmt unser Land in Kauf, selbst wenn es hin und wieder zu Zerreissproben kommt.

Das bedeutet nichts anderes, als dass direktdemokratische Entscheide im übrigen Europa als Überforderung der Stimmbürger „ad acta“ gelegt werden. Wir jedoch halten an scheinbar überlebten Traditionen fest, zu dem das nur alle drei Jahre stattfindende Schwing- und Älplerfest genau so gehört wie das Selbstverständnis, dass es hier auch um den Zusammenhalt der Schweiz geht, auch wenn die Romands in der Minderzahl sind und die Tessiner kaum Schwinger in ihren Reihen zählen. Wer die Ansprachen und Interviews aufmerksam mitverfolgte, konnte feststellen, dass die Wertschätzung für den Föderalismus mindestens so betont wurde wie der Schwingsport selbst. Und dass das Schweizer Fernsehen mit mustergültigen Übertragungen ein Mammutprogramm auf die Beine stellte, faszinierende Bilder frei Wohnstube lieferte und  auch die gesellschaftspolitische Bedeutung des Grossanlasses zu würdigen wusste, soll durchaus lobend miterwähnt werden. 2019 ist es in Zug wieder soweit. Die Schwingerkarawane zieht weiter, authentisch schweizerisch, der Vergangenheit wie der Zukunft verpflichtet.

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