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Das Spiel vom Guten Eindruck

Berns Theater an der Effingerstrasse zeigt Yasmina Rezas „Bella Figura“ als Schweizer Erstaufführung

Mit „Guten Eindruck machen“ ist es je nachdem so eine Sache für sich. Jedenfalls bei Yasmina Rezas „Bella Figura“ – so der italienische Begriff dafür – sind die Situationen, denen man sich mit guter Figur entziehen möchte, schon etwas peinlich. Der zur Zeit gerade nicht in besten Verhältnissen steckende Boris lädt seine Geliebte Andrea ausgerechnet ins Lokal zum Essen ein, das seine Ehefrau ihm empfohlen hat, was folgerichtig zu ernsthafter Verstimmung und zum Abbruch des geplanten Seitensprungs führt. Der nervös gewordene Liebhaber fährt beim Rückwärtsfahren Yvonne um, eine Frau die gerade ihren so hohen wie vermutlich runden Geburtstag in Gesellschaft von Schwiegertochter Françoise und Sohn Eric in diesem Lokal feiern möchte. Zum Glück ist nichts Ernsthaftes passiert. Ausser dass die Schwiegertochter die beste Freundin der Ehefrau von Boris ist.

In immer neuen Konstellationen und Variationen spielen sich in der Folge die Bemühungen des Quintetts ab, aus der Sache mit möglichst guter Figur herauszukommen. Der Grundton des Ganzen ist eher unverbindlich und zum Schmunzeln anregend gestimmt und weniger in ernsthafte dramatische Akkorde als Problemstellung verpackt.

Von links: Christoph Kail (Boris), Helmuth A. Häusler (Eric), Heidi Maria Glössner (Yvonne), Nicola Trub (Françoise), Sinikka Schubert (Andrea)

Für die Entwicklung und Ausschmückung dieses Spiels hat Peter Aeschbacher ein ebenso verwandlungsfähiges Bühnenbild geschaffen, in hellem Beige-Gelb getönt, mit viel transportablem natürlichem Grün und von der Technik (Claudia Pfitzenmaier) illustriert mit quellfrischen Wasser- und quakenden Froschgeräuschen. Sybille Weltis Kostüme, differenziert den fünf Charakteren gerecht, vervollständigt den Eindruck einer ausgewogenen und dem Gegenstand des Stücks angemessenen Ausstattung. Was es damit auf sich hat, wird so richtig klar, wenn (nach der Pause erst!) Françoise eine Art Kernsatz ausspricht: „Naturgeräusche machen mir Angst. Ich habe die Stadt lieber.“ Es kann das als eine Form von metaphorischer Abkehr vom Natürlichen zum Gestylten gesehen werden, was ja eine Facette davon ist, was man unter Bemühen der ums Ansehen beflissenen Gesellschaft um guten Eindruck, guten Stil, guter Figur eben, allgemein und vielleicht etwas oberflächlich versteht.

Heidi Maria Glössner, Sinikka Schubert, Helmuth A. Häusler, Nicola Trub und Christoph Kail in den „rückwärtigen Räumen“

Die angetönten Konstellationen und Variationen des Spiels scheinen dem Ensemble als Ganzes recht Freude zu bereiten. Der Trend geht versöhnlich in Richtung menschliches Verständnis des Gegenübers. Angesichts der doch recht peinlichen Ausgangslage kann solches allerdings nicht ohne Misstöne und seitliche Arabesken geschehen. Erschreckend, wie Christoph Kail als Boris seine männlichen Besitzansprüche wiederholt nicht zurückhalten kann; überzeugend die Frustration und die kleinen Schwächen, die Sinikka Schubert als Andrea nebst einer gesunden Selbstverständlichkeit mit Mimik, Gestik und Sprache ausdrückt; grosse Geste liegt im Gehabe des gewandt auftretenden Grossmauls Eric alias Helmuth A. Häusler; etwas blässer, weil in gekonnt zur Schau gestellter Unbequemlichkeit angesichts ihrer peinlichen Lage die wohl am meisten auf gute Figur bedachte Nicola Trub als Françoise.

Sinikka Schubert, Heidi Maria Glössner

Und Yvonne! Nach fast unzähligen Jahren steht Heidi Maria Glössner wieder auf der Effi-Bühne, mit Präsenz, Frische und einer Ausstrahlung, die der komplizierten persönlichen Verfassung ihrer Rolle Tiefe und Kontur verleiht. Vom Notizbuch mit den von eher seltsamen Gedankenwindungen zeugenden Einträgen bis zur Tasche, die sich entweder nicht finden oder nicht schliessen lässt – es gehört einfach zu dieser Schwiegermutter-Persönlichkeit, die, als erste überhaupt und als einzige wohl ehrlich, der skandalösen jungen Frau auf sympathische Weise begegnet.

Alexander Kratzer ist es gelungen, dieses nonchalante Spiel heiter und ohne falsche Ansprüche zu inszenieren, mit einer Geste von „Ja, so sind sie halt, die gute Figur meinen machen zu müssen“. Dass er einige Garnituren mit einbringt – das wiederholte Spielen mit den Taschen, mal entrissen, mal hingehalten, und mehr – das sind gewissermassen einige verzierende Nebenstimmen des Zusammenklangs.

Alle Bilder: (c) Severin Nowacki

Aufführungen bis 31. Dezember

DAS_THEATER_Effingerstrasse

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