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Gern und einfach essen – gut essen

«Richtig» essen, gesund essen – zu diesem Thema hat jeder eine Meinung.

Essen im Alter – gäbe es da etwas Interessantes zu berichten? Rüstige Seniorinnen und Senioren geniessen ihr Leben und damit auch ihre Mahlzeiten. Wer im Alter krank oder auf Betreuung angewiesen ist, muss essen, was er bekommt. So rigoros sollten wir das heutzutage nicht sehen. Der Schreibenden stehen keine Unterlagen zur Verfügung, aber seit der Tagung der CAREUM-Weiterbildung «Esskultur, Ernährung und Genuss im Alter» weiss sie, dass sich Care-Gastronomie von einfacher Verpflegung erheblich unterscheidet. Zudem sind diese Grundsätze nicht nur ein Massstab für Alters- und Pflegeabteilungen, sondern beherzigenswert für alle (älteren) Menschen.

Fingerfood ist auch bei alten Menschen beliebt.

Dem grossen Angebot an Nahrungsmittel stehen die Forschungen der Ernährungswissenschaft gegenüber. Gesund zu essen und mit Genuss zu essen, scheinen zuweilen schwer vereinbar, wenn man versucht, sich sklavisch an die neuesten Erkenntnisse zu halten. Waren es bis vor kurzem die Vitamine und Mineralien, an denen es in der Ernährung im Alter nicht mangeln durfte, wird jetzt besonders betont, dass hochaltrige Menschen genug Eiweissnahrung zu sich nehmen, während Kohlehydrate nur in geringem Masse benötigt werden. Das gilt natürlich auch für Senioren und Seniorinnen, die noch selbständig sind. Wir müssen uns jedoch bewusst machen, dass unsere gesamte Ernährung – nicht nur einzelne wichtige Komponenten der Lebensmittel – die Basis für ein lebensfrohes, vitales und gesundes Altern bildet. Das Essen geniessen und vernünftige Nahrung zu uns zu nehmen, sollten sich ergänzen und nicht im Widerspruch zueinander stehen. Zudem wird eine Speise, die wir gern essen, im allgemeinen besser verdaut als das, was wir essen «müssen». Glücklich sind diejenigen, die mit einer einfachen, ausgewogenen Ernährung zufrieden sind. Das nämlich ist gemäss den Experten einer der Hauptgründe, weshalb Japaner bzw. Japanerinnen eine so hohe Lebenserwartung haben.

Es sei noch einmal gesagt: Offensichtlich verhilft nicht eine einzelne Speise (viel Fisch, Olivenöl, Joghurt) zu einem langen Leben bei guter Gesundheit, sondern es ist die Kunst, Mass halten zu können, auch beim Essen. Das sieht man einem Menschen auch an: Nicht nur seine Gesundheit ist das (physiologische) Resultat seines Stoffwechsels, sondern auch seine Ausstrahlung ist von dem, was er isst, geprägt.

Ausser den eigenen Äpfeln kam früher oft kein anderes Obst auf den Tisch. (Foto mp)

Ein Blick in die Ernährungsgeschichte macht deutlich, was wir allzu leicht vergessen: Auch in der Schweiz hat sich ein grosser Teil der Bevölkerung über Jahrhunderte mit sehr einfacher Kost zufriedengeben müssen. Der Apfel ist dafür ein gutes Beispiel. Er gehörte noch bis ca. 1950 zu den Grundnahrungsmitteln, vor allem in den ländlichen Gebieten. Bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts wurden Äpfel vor allem gekocht gegessen («Öpfelschnitz» oder Apfelmus), und aus dem Saft stellten die Bauern vergorenen Most her («Suure Moscht»). Erst die Lebensreformer, unter ihnen Maximilian Oskar Bircher-Benner, propagierten den Verzehr roher Äpfel. Das Birchermüesli kennen wir heute noch. Bircher war es auch, der das Sonnenlicht als heilendes Element bezeichnete: «Wir werden nicht durch Kalorien, sondern durch Lichtquanten ernährt.» Eine These, die nicht unangefochten blieb.

Eine rationelle, günstige und gesunde Ernährung schrieben sich auch andere Organisationen auf die Fahnen, z.B. die Frauenvereine. Sie kämpften gegen den Alkoholismus, mit dem sich viele Menschen in den unteren Schichten der Gesellschaft ruinierten, und verkauften Süssmost statt vergorenem Apfelsaft, um «die Schnapspest einzudämmen». Nach dem 2. Weltkrieg kamen die Süssgetränke (Coca Cola usw.) in Mode und verdrängten den Apfelsaft. Und die Hausfrauen kauften lieber Apfelmus in der Dose, als es selbst herzustellen. Schliesslich erhielt der Apfel für ca. ein Jahrzehnt einen Platz in der Politik: Die Apartheitsgegner boykottierten die Sorte Granny Smith, da dieser Apfel aus Südafrika importiert wurde.

Markus Biedermann hatte leckere Kleinigkeiten zum Probieren vorbereitet.

Hilfs- und pflegebedürftigen Menschen steht es wie selbständigen alten Menschen zu, gesunde, aber auch appetitanregende, schön präsentierte Mahlzeiten angeboten zu bekommen. Darüber sind sich die Fachleute mit gerontologischem Hintergrund inzwischen einig. Markus Biedermann hat dazu das Konzept der Care Gastronomie entwickelt. Er versteht darunter «angewandte Gastfreundschaft» im Alters- und Pflegeheim. Im englischen Begriff «care» sind Sorge, Fürsorge, aber auch Obacht und Obhut enthalten. Darum geht es in Biedermanns Konzept: um das Wohl der Gäste besorgt sein, im besten Sinne des Wortes. Die Zubereitung des Essens und die Mahlzeiten selbst sind Bestandteile innerhalb des Ganzen: Wohnen, Pflege und Verpflegung gehören zusammen: Sie stehen im Dienst der alten hilfsbedürftigen Menschen.

Das Wohlbefinden des Menschen sollte zu jeder Zeit im Vordergrund stehen. Es besteht kein Unterschied, ob es sich um gesunde, bewegliche Senioren handelt oder um Menschen mit Demenz: Jedem und jeder stehen Anerkennung, Respekt und Vertrauen zu. Zusätzliche Achtsamkeit und Einfühlung vonseiten der Betreuenden benötigen Menschen mit Demenz. Nicht nur für diese, sondern für alle gilt ein uralter Grundsatz: Das Essen wird besser aufgenommen, und die Mahlzeiten verlaufen harmonischer, wenn dabei Reizüberflutung und Gehetze vermieden werden. Der Mensch isst mit allen Sinnen, das gehört zu seinem Wohlbefinden.

Der Impulsnachmittag der CAREUM Weiterbildung hatte sich das Ziel gesetzt, Impulse zu setzen für ein reflektiertes Verständnis der Gastronomie in der Altersarbeit. Das Erfrischende bestand darin, dass die Referierenden ihre Erfahrungen einbrachten, Angebote machten, Möglichkeiten aufzeigten, aber nie den symbolischen Zeigefinger erhoben. Denn nichts wirkt abschreckender als Vorschriften, was man essen darf. Im Gegenteil: Genuss gehört zum Essen, das heisst, auch ausgefallene Speisewünsche sollen ernstgenommen und verwirklicht werden.

Die Titel der Referate dokumentieren das breite Spektrum der Veranstaltung:
Sabina Roth, Historikerin: «Süsse Kost und frischer Schaum». Mit dem Apfel durch die Esskultur im 20. Jahrhundert.
Markus Biedermann, Küchenchef und Gerontologe: Care Gastronomie. Die Herausforderungen der Zukunft.
Irene Leu, Pflegefachfrau und Erwachsenenbildnerin: Essen als Event? Essen als Event! Strukturierte Beobachtungen im Dementia Care Mapping.
Sybille Binder, Ernährungsberaterin: Über liebgewordene Essgewohnheiten und gesunde Ernährung im Alter – Genuss ohne Reue.
Thomas Wernli, Direktor der PflegiMuri: «Ich hätte heute Lust auf ein grosses Stück Schwarzwälder Torte!» Das kalkulierte Risiko in einer Gesundheitsorganisation.

CAREUM Weiterbildung

Fotos: Cornelia Riner/CAREUM Weiterbildung

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