FrontKulturWorthülsen zur Rettung der Welt

Worthülsen zur Rettung der Welt

Unterhaltsame Wortkaskaden: René Pollesch inszeniert in der Schiffbau-Box des Zürcher Schauspielhauses «Hello, Mister MacGuffin!». 

«Ein Theaterabend mit René Pollesch, das ist wie in einen reissenden Strom steigen, einen Strom aus Worten, von dem sich der eine mitreissen lässt und der andere so rasch überspült wird, dass er rettungslos untergeht.» Diese Einschätzung von Maximilian Probst in Zeit Online trifft auch auf sein jüngstes Werk «Hello, Mister MacGuffin!» zu, das am Wochenende in der Schiffbau-Box Premiere feierte. Auch hier inszeniert Pollesch Wortspiele mit überraschenden Denkweisen, bei ihm gibt es keine wetterfesten Charaktere, die Figuren sind weder sie selbst, noch sind sie jemand anders – sie sind etwas dazwischen. Es gibt keine geschlossene Story, nur Überfalltheater, harte Schnitte und Wortkaskaden mit Erzählfragmenten und Theoriepartikeln.

Ab in die Raucherkabine (v.l.): Inga Busch, Marie Rosa Tietjen, Sophie Rois, Jirka Zett.

Bei MacGuffin handelt es sich um eine filmdramaturgische Figur, der Alfred Hitchcock seinen Namen gegeben hat und die handlungstreibend wirkt. Alle möglichen Gegenstände können McGuffin sein, hinter denen die Figuren her sind. In der neuen Pollesch-Inszenierung ist es eine Raumschiff-Crew, die ihren Commander sucht. Der steigt verkatert aus einer Plexiglas-Kabine, darüber prangt – wohl in Anspielung auf sich selbst – die Leuchtschrift «weltberühmt». Vorne an einem Probentisch mit Schreibmaschine und Papierstössen wird verhandelt und debattiert. Zur Bühnenausstattung gehören auch zwei Fenster mit zerbrochenem Glas und dazwischen ein Gang, der der Crew als Einstieg und für allerlei Kapriolen dient (Bühnenbild: Anna Viebrock).

Schauspieler wollen die Welt retten

Gesucht wird nach einem Stück, in dem die Schauspieler die Welt retten sollen. Doch immer, wenn sich eine rettende Idee abzeichnet, wird der Dialog durch ohrenbetäubenden Lärm gestört. Mal donnert ein Flugzeug über die Köpfe hinweg, mal rattert ein Zug oder rast ein Auto vorbei, kreischen Vögel aus Hitchcocks Filmklassiker «Die Vögel» oder hämmert eine Schreibmaschine. Alle Bemühungen, eine nachvollziehbare Handlung zu gestalten, sind vergeblich. Verständlich sind nur Worthülsen, von denen man nicht sagen kann, ob sie etwas bezeichnen wollen oder nur um sich selbst kreisen.

«weltberühmt» in Retroschrift und Inga Busch im Bühnenbild von Anna Viebrock. (Fotos: Lenore Blievernicht)

«Es war ganz toll, aber ich habe nichts verstanden», kommentiert der Commander amüsiert die Unterbrechungen. Dieser Ausspruch charakterisiert in treffender Weise den Abend. Geboten wird ein unterhaltsamer Klamauk-Abend, der immer wieder für Lacher sorgt. Es gibt zahlreiche Anspielungen und Seitenhiebe, slapstickhafte Szenen, in denen sich die Schauspieler wegen bestimmter Wörter gegenseitig ohrfeigen, sich in neuen Rollen versuchen, um sie gleich wieder fallen zu lassen, ballettartige Parodien wie jene um ein Stück Seife in Analogie zu Hitchcocks Duschszene aus «Psycho».

Alle reden aneinander vorbei

Es werden viele Worte und Zitate gemacht über die Unmöglichkeit, miteinander zu reden. Die Schauspielerinnen Hilke Altefrohne, Inga Busch, Sophie Rois, Marie Rosa Tietjen und der Schauspieler Jirka Zett machen das wunderbar: Mal lakonisch, mal zickig, mal genervt, mal nachdenklich, mal sehr heiter und aufgeregt sowie mit vielem Hin-und-Her-Gerenne und Slapstick-Einlagen reden sie aneinander vorbei. Dabei schiebt sich Sophie Rois als Commander immer mehr in den Vordergrund. Grandios, wie sie in barschem Ton den Takt vorgibt und das handlungsarme Stück gekonnt vorantreibt.

Wer aus einer Pollesch-Aufführung kommt, kann wenig darüber erzählen, vermutlich kann er nicht einmal darüber streiten. Und doch beschleicht einen das Gefühl, ein grandioses Stück gesehen zu haben. Jedenfalls gabs dafür am Premierenabend grossen Applaus.

Weitere Spieldaten: 6., 7., 11., 12., 14., 16. März, 22., 23., 25., 26. April, 2., 3. Mai

 

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