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Huonders Naturbegriff

Bischof Vitus Huonder hat seine Kirchenschäflein mit einem Hirtenbrief beglückt.

Am 25. Juli 1968 erschien die Enzyklika „Humanae vita“. Papst Paul VI. verkündete ex cathedra, wie katholische Ehepaare ihre ehelichen Pflichten wahrzunehmen haben. Der Churer Bischof Huonder fand es angemessen, nach 50 Jahren mit einem Hirtenbrief an die Enzyklika zu erinnern. Nachdrücklich betont er, dass die künstliche Verhütung im „Widerspruch zur göttlichen Ordnung“ stehe. Durch künstliche Empfängnisverhütung werde die natürliche Fruchtbarkeit der Frau abgelehnt. Damit sei der Gebrauch von Verhütungsmitteln ein Teil der Kultur des Todes.

Von welchem Naturbegriff geht Bischof Huonder aus? Es sind die Tiere, die nur in Brunst geraten, wenn sich die Geschlechtsreife oder die Empfängnisbereitschaft des weiblichen Tieres durch den Duft anzeigt. Die Vögel balzen, wenn sie getrieben werden, sich dem weiblichen Partner bemerkbar zu machen. Sie folgen ihrem Instinkt. Es scheint, wenn man Huonders Hirtenbrief liest, er denke an die vormenschliche, natürlich gegebene Ordnung.

Der Mensch aber ist ein „ens rationale“, ein Wesen, das vernunftbegabt ist. Der Verstand gehört zu seiner Natur. Er schlug sich schon früh mit Klugheit in der ihm feindlich gesinnten Welt durch. So war er den wilden Tieren überlegen. Mit Verstand erfand er Werkzeuge und technische Hilfsmittel. Schon die Vorsokratiker und die Bibel zeichneten den Menschen als Krone der Schöpfung aus. Die Bibel gab dem Menschen den Auftrag, sich die Erde untertan zu machen. Daraus leitete er ab, sich selbst zu verwirklichen und sein Leben selbst zu verantworten. Er passt damit nicht recht in Huonders göttliche Schöpfungsordnung. Der Mensch ist ein Aussenseiter wie Adam und Eva es waren und ist verurteilt, sich im Schweisse seines Angesichts durchzuschlagen.

Der Mensch machte sich das Leben auch mit Autos und Flugzeugen bequemer. Selbst Bischof Huonder lässt sich chauffieren und fliegt mit dem Flugzeug zum Papst nach Rom. Bei solcher Art des Reisens spürt er, dass dies nicht ganz der göttlichen Ordnung entspricht. Eheleute zeugen nur so viele Kinder, wie sie verantworten können. Der Daimon ihrer Triebe und die vom Eros getriebene Zuneigung halten sich aber nicht an Huonders „göttliche Weltordnung“. Damit die Ehepaare nicht beliebig viele Kinder in die Welt stellen, entwickelten sie künstliche Hilfsmittel zur Verhütung der Schwangerschaft. Der Mensch ist längst aus dem natürlichen Zustand heraus gefallen und in einen künstlichen geraten, und zu ihr gehört auch der berühmte dehnbare Gummi, der offenbar zuerst in Paris ausprobiert worden ist und dessen Verwendung nun Bischof Huonder in seinem Hirtenbrief erneut verurteilt.

Gott, wenn er denn den Menschen geschaffen hat, sah vor, dass er zu der gegebenen Welt auch eine künstliche schafft. Er wäre aber ein zynischer Gott, wenn er die natürliche Verhütungspraxis mit dem Zielen auf die Tage, in der eine Frau nicht empfänglich ist, nur zur Probe der menschlichen Tugend eingerichtet hätte. Die Enzyklika erschien im Jahr 1968. Da tanzten die jungen Menschen nach dem Motto „make love not war“. Sie wollten zu bedenken geben, dass gelebte Sinnlichkeit zufrieden macht und Kriege verhindert. Schauen wir uns doch die grimmigen, nie lächelnden Grosshelden und Machtmenschen auf der Bühne der Welt einmal richtig an und vergleichen sie mit liebenden Menschen. Haben sie Trump, Putin und Erdogan bei Auftritten im Fernsehen schon lächeln gesehen? Manchmal denke ich, Papst Franziskus gebe der Kirche ausserhalb ihrer Dogmen ein Gesicht.

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