StartseiteMagazinKolumnenEroberung des Glücks

Eroberung des Glücks

Neue Wege suchen, um glücklich zu sein oder den Elementen ausgeliefert zu werden.

Den Titel dieser Kolumne habe ich Bertrand Russell (1872-1970) entliehen, der ihn zum Thema eines Buches machte. Darin fand ich den wunderbaren Satz: „Man vergisst nur, dass es unbedingt zum Glück gehört, manches, was man möchte, nicht zu haben.“ Ich will mich also von dem Gedanken anstecken lassen, dass ich mehr Glück erlebe, wenn ich Vieles nicht bekomme, was ich möchte. Ich würde zum Beispiel gern nach Madrid fliegen, die Kunstwerke im Prado bestaunen, nach vielen Jahren an die Adria, hören, ob der Wellenschlag noch immer eine beruhigende Wirkung auf mich hat oder in Wien verschiedene Opern besuchen und im Burgtheater Aufführungen erleben. Russell sagt mir aber, dass mir mehr Glück zufällt, wenn ich mich einschränke und auf einige Wünsche verzichte. So habe ich Zeit für aktivere Sachen. Mir bleibt die Möglichkeit, Kolumnen zu schreiben, ohne an den Nutzen dieser Arbeit zu denken. Wenn ich dies so daher plappere, löse ich vielleicht Staunen aus, denn diese geäusserte Ansicht läuft gegen den Strom der Zeit. Die kapitalistischen Wachstumsphantasien suggerieren täglich, ich könnte mir doch noch viel mehr wünschen, ja sogar leisten. Unzählige Güter und Dienstleistungen werden mir angeboten. Doch ich sage mir, allzu viel zu besitzen und überaktiv zu sein, ist mehr Last als Freiheit. Ich stimme Russell vorbehaltlos zu.

Beobachte ich Kinder, mit welchen Sachen sie spielen, denke ich an einen anderen Satz von Russell: „Die Freuden der Kinder sollten in der Hauptsache jene sein, die das Kind selbst durch einige Mühe und Erfindungsgabe seiner Umgebung abgewinnt.“ Diesen Satz hätte er meinen Eltern nicht zu sagen brauchen. Für Spielzeug fehlte das Geld. Also verschafften wir Kinder uns selber Beschäftigungen. Wir spitzten Stecken zu, um zu knebeln. Wir bogen eine Haselrute zu einem Pfeilbogen und zielten auf Spatzen, um sie zu verscheuchen. Am Bächlein stauten wir das Wasser, bauten einen dünnen Kanal und liessen es über ein selbstgebasteltes Wasserrad fliessen. Die Phantasie war beständig in Bewegung. Sie erfand Dinge, die wir nicht bloss nachahmten. Diese Erfahrung prägte den Lebensstil. Man wurde sich bewusst, dass man nicht alles braucht, was man sich wünscht oder was Globi besass, den man las.

Nun rutschen wir in eine neue Zeit hinein, die uns schleichend den Satz von Russell einhämmert. Er wird uns von der Natur aufgezwungen. Vielen Menschen wird dies langsam bewusst. Sie verstehen die Botschaft der Natur. Wissenschaftlich wird sie Klimaänderung genannt. Vor einigen Tagen sass ich zwischen zwei älteren Herren, die die Klimaänderung verleugneten. Heisse Sommer ohne Regen habe es immer gegeben. Kein Klimaforscher würde ihnen widersprechen, ihnen aber entgegenhalten, dass sie nicht langfristig denken. Dass Argument der Klimaforscher beziehe sich auf die zunehmende Häufigkeit der Naturereignisse, nicht auf ein einzelnes. Dass dies so sei, würden Hunderte von Studien beweisen. Der Mensch lebe auf zu hohem Fuss.

Die Medien bestätigen: Haufenweise werden gekaufte, unbenutzte Kleider weggeworfen. Ähnlich steht es mit den Lebensmitteln. Es kommt viel mehr in den Kühlschrank und auf den Tisch, als gegessen wird. In einem Zeitungsartikel las ich einmal, dass die Italiener so viel Esswaren wegwerfen, dass sie ganz Spanien damit ernähren könnten. Die Zunahme der produzierten Autos ist gross. Die Flugzeuge fliegen viel zu billig. Es gibt Leute, die sich den Wunsch erfüllen, rasch nach Ascona zu fahren, um einen Kaffee zu trinken, oder sie fliegen schnell nach Mallorca, um einen süffigen Ballermann zu erleben. Pakete von Medikamenten, die nicht gebraucht werden, liegen in den Kästen. Die Liste des Missbrauchs von Überfluss könnte beliebig verlängert werden.

Damit bin ich wieder bei Russells Satz, den ich am Anfang der Kolumne zitiert habe. Der Mensch muss sich langsam daran gewöhnen, nicht zu haben, was er möchte. Ob er dabei glücklich wird, wenn er es nicht von Jugend an gelernt hat, ist fraglich. Haben Kinder gar mit den Eltern erlebt, nach Lust und Laune in der Welt herum zu jetten, wird es ihnen wohl schwerfallen. Wäre ich solchen Bedürfnissen des Aktivismus verfallen, dann würde es mir kaum Freude machen, ein Buch zu lesen. Nun ja, denke ich, lange können die beiden älteren Herren, nicht mehr leugnen, dass es eine Klimaänderung gibt. Sie werden dann zum Glück gezwungen, manches, was sie möchten, nicht mehr haben zu können. Vielleicht aber überlassen sie dieses Glück ihren Kindern, den Enkeln, Nichten und Neffen.

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