Wir gehören fast alle zum «alten Eisen», wie man sagt. Und doch haben wir heute noch so viele Möglichkeiten, etwas zu lernen, anderen zu helfen, ganz einfach aktiv zu sein. Super!
Ich lese sehr gerne die Artikel von Otfried Höffe* in der NZZ. O. Höffe hat auch verschiedene Bücher geschrieben über das Älter-Werden und über die Qualität des Alterns. Sein interessanter Ratschlag für unsere Generation hat er in vier gut verständlichen Worten formuliert. Sie lauten: Lernen, Laufen, Lieben, Lachen! Viermal ein «L»! Wahrscheinlich haben Sie diesen Ratschlag auch schon gelesen. Lassen Sie mich dazu ein paar Gedanken formulieren.
Lernen! Früher hiess es: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr! Heute wissen wir, dass wir ein Leben lang lernen können und dürfen und sogar sollen: Es gibt Volkshochschulen und andere Kurse. Wir können von unseren Enkelkindern lernen, vor allem was die Bedienung des Handy oder des Compi anbetrifft!! Wir können uns sportlich betätigen, Bücher lesen, einen Ferienkurs in Singen oder Jodeln absolvieren, neue Strick-, Stick- oder Klöppelmuster ausprobieren, in einem Chor mitsingen, unsere Enkel hüten, Bücher schreiben. Vielleicht interessiert uns ein Gebiet, das wir in unseren sogenannten aktiven Zeiten nie bearbeiten konnten: Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts; vielleicht möchten wir eine Sprache neu lernen oder eine früher mal gelernte neu auffrischen: Englisch, Französisch oder gar Russisch oder Chinesisch und dabei Wörtli büffeln und Grammatik studieren, so lustvoll wie noch nie. Vielleicht absolvieren wir aber lieber einen Pflegekurs oder einen Selbstverteidigungskurs. Oder wir erfreuen uns an einer Freiwilligenarbeit in einem Spital oder Altersheim. Der Möglichkeiten sind so viele! Und all das regt unseren Kreislauf, aber auch unser Gedächtnis und vor allem unsere Vitalität an! Einfach cool – wie man heute sagt!
Laufen! Das muss ich nicht lange erklären! Wer noch laufen, spazieren, wandern, sogar joggen oder tanzen kann, hat eine wundervolle Möglichkeit, sich fit zu halten. Nicht allen ist das gegeben. Aber diejenigen, die das noch können, sollten ihre Fähigkeiten nutzen. Am Montag-Nachmittag gehe ich jeweils ins Tai Chi, um das Gleichgewicht zu trainieren. Ich mache das schon mehr als 30 Jahre lang, aber regelmässig übe ich erst seit ich pensioniert bin. Am Montag-Vormittag habe ich eine neue Aktivität schätzen gelernt: Die Pro Senectute organisiert ein regelmässiges Walking-Training. Das erste Mal bin ich mit der schnellsten Gruppe gelaufen. Oho, da bin ich auf die Welt gekommen! Ich war ausser Atem. Nun marschiere ich in der sogenannten mittleren Liga. Jeder Wochenbeginn ein absolutes Highlight!
Lieben! Das will nicht heissen, dass wir uns einen Liebhaber suchen müssen – nicht zwingend!! Es bedeutet vielmehr, dass man beim Älterwerden nicht aufhören soll, ein soziales Leben zu führen: Freunde und Freundinnen treffen, mit den Kindern und Enkelkindern diskutieren, in einer Lerngruppe Gedanken austauschen, über Bücher reden oder über Zeitungsartikel, Ausstellungen geniessen, einen Vortrag besuchen und interessiert zuhören. Einfach mit Menschen zusammen sein! Selbstverständlich braucht ein jeder auch seine Rückzugmöglichkeiten. Manchmal bin ich ganz gerne mal auch allein. Das ist normal. Aber jede Woche mit ein oder zwei Personen Kaffee trinken oder zu Mittag essen, andere Meinungen hören und sich so selber eine Meinung machen. So bleibt man dran! So verliert man den Anschluss nicht. Und wenn Sie keinen Gesprächspartner oder -partnerin haben und mal nicht wissen, wie abstimmen, dann melden Sie sich bei mir. Ich sage Ihnen nicht, was Sie stimmen müssen. Keine Angst. Ich erkläre Ihnen nur in Kürze, warum ich wie meine Stimme abgebe. Auch das gibt manchmal ein gutes Gespräch, einen Gedankenaustausch. Eines ist sicher: eine liebevolle Diskussion über etwas Erfreuliches bringt unsere Hirnzellen in Bewegung! Negatives lassen wir auf der Seite!
Das bringt mich zum 4. «L»! dem Lachen: Grossartig! Ich habe vor einiger Zeit gemerkt, dass ich manchmal 2-3 Tage lang gar nie die Gelegenheit habe zu lachen! Ein riesiger Fehler! Und so habe ich mir vorgenommen, jeden Tag mal zu lachen oder wenigstens immer mit einem Lächeln im Gesicht auf meine Einkäufe zu gehen, ins Tram oder in den Bus zu steigen! Und plötzlich grüssen einen die Menschen! Ein fröhliches Gesicht erfreut jedermann. Und die Welt sieht schon ein bisschen besser aus! Wir haben täglich Negatives zu verkraften. Machen wir es uns zur Pflicht, anderen Menschen ein Vorbild zu sein, indem wir nicht geizen mit einem liebenswürdigen «Guten Morgen» oder «En schöne Tag», mit einem «Danke schön» oder einem «Kann ich ihnen helfen?» Wer weiss es besser als wir älteren Semester, dass das Leben schnell an einem vorbei geht! Also packen wir es, wer immer kann, mit dem Lächeln und überhaupt mit allen vier «L»: Lernen, Laufen, Lieben, Lachen! Und wer das nicht mehr kann, dem helfen wir – gerne!
*Ottfried Höffe ist Ethik-Professor in Tübingen und war viele Jahre vom Bundesrat gewählter Präsident der Medizinischen Ethikkommission. Sein besonderer Blick gehört dem Altern.