StartseiteMagazinKulturHommage an einen Magier des Tanzes

Hommage an einen Magier des Tanzes

Das Zürcher Opernhaus widmet dem tschechischen Choreografen Jiri Kylian seinen neusten Ballettabend. Getanzt werden vier Stücke voller Musikalität und Fantasie.

Poetische Schönheit, tiefe Melancholie, expressive Bewegungsbilder und zum Schluss Übermut und Ausgelassenheit – die vier Ballettstücke zeichnen alle ein anderes Bild der Tanzlegende Kylian und besitzen doch verbindende Elemente. Eine grosse Fabulierlust zum Beispiel, die Suche nach der reinen Ästhetik, eine verwirrende Symbolik und vor allem die tiefe Musikalität. Die Musik folgt dem Puls der Tanzenden, die wiederum gleichsam mit den Tönen, den Rhythmen atmen. Und das, obwohl nicht live gespielt wurde, was doch viele als Manko empfanden.

«Wo endet die Realität, beginnt die Kunst?», fragt sich der 72jährige Choreograf, der in Zürich spätestens seit seinen «Dogs and Gods» 2015 ein Begriff für sinnlich-poetische Tanzstücke ist, immer wieder. Das erste Stück, «Bella Figura», uraufgeführt 1995 in Den Haag, beginnt denn auch folgerichtig mit dem Trainingsalltag. Auf der offenen Bühne wärmen sich die Tanzenden auf, solange, bis der Vorhang fällt. Nur um gleich wieder hochzugehen.

Traumwelt oder Alltag

Dannn entwickelt sich auf der Bühne eine Reise durch Zeit und Raum, untermalt von einer Klangcollage, die von Barock bis in die Neuzeit reicht und am Schluss abgelöst wird von – Stille. Minutenlang tanzt ein Paar weiter, immer weiter und das Publikum meint, die Klänge in den Bewegungen zu fühlen. Das ist Ballett!

Eröffnet wird das Stück von einer nahezu nackten Tänzerin, grazil den Vorhang um sich geschlungen. Dieses Thema, die «bella Figura» zieht sich dann durch das ganze Stück, ebenso wie das Spiel mit den Vorhängen, die Raumteiler, Bilderrahmen, Hülle oder eben Drapierung sind.

Yen Han und Katja Wünsche in «Bella Figura». (Alle Bilder Opernhaus Zürich/Gregory Batardon)

Von Beginn an wird gleichsam der Grundton  für das Stück vorgegeben: zerbrechlich und traurig zugleich, verwirrend und glasklar, geheimnisvoll und magisch. Und von berückender Schönheit, die durch einzelne Musiksequenzen wie der Klage aus Stabat mater von Pergolesi oder den Oboenklängen des fast unbekannten Barockkomponisten Marcello akzentuiert wird.

Ägyptische Katzen

Auf einer Resie lernte Kylian die Tanztradition der Aborigines, der Ureinwohner Australiens kennen und adaptierte diese generationenübergreifend traditionellen Bewegungsmuster für sein Stück «Stepping Stones». Nein, da werden keine urtümlichen Rituale ferner Einheimischer getanzt – Kylian übetrug diese Referenz an Tradition und Erbe in seine Erfahrungswelt, in den klassischen Tanz.

Dass am hinteren Bühnenrand drei altägyptische Katzenstatuen stehen, verwirrt zwar auf den ersten Blick ebenso wie die golden schimmernde Objekte, welche die Tanzenden mit sich herumtragen. Ob Kylian ausdrücken will, dass der klassische Tanz ein Tanz um das goldene Kalb ist?

Sujung Lim, Matthew Knight in «Stepping Stones».

Zur Musik von John Cage und Anton Webern zelebrieren die Tanzenden all die klassschen Bewegungsmuster, vom Spitzentanz – in so schnellen Passagen, das fast etwas Mitleid mit den sehr geforderten Tänzerinnen aufkommt – über all die Drehungen und Figuren. Es ist eine unterkühlte, surreale Reise durch die Kulturgeschichte des Balletts, vielfältig und raffiniert zwar, aber ohne Emotionen. Die toten Augen der Katzenstatuen in Bewegung transferiert, sozusagen.

Franz Kafka und die Äpfel

Auch das dritte Stück, die «Sweet Dreams», lassen Fragen offen. Die schweren sechs Orchesterstücke op.6 b von Anton Webern – er schrieb diese Musik unter dem Eindruck des Todes seiner Mutter –  lasten wie dunkle Wolken über den Tanzenden. Ängste, Alpträume, Depression und Verzweiflung, aber auch Aggressionen und Wünsche werden zu einem choreografischen Collage verflochten – die düstere Welt eines Franz Kafka lässt grüssen.

Wie die grünen Äpfel, die herumliegen oder wie früher bei Teenager-Tanzspielen im Mund herumgetragen und ausgetauscht werden, ins Bild passen, ist der Fantasie des Betrachters überlassen. Es ist ein Stück Tanz, das nicht fassbar, erklärbar ist, aber faszinierend, voller Spannung und von morbider Schönheit.

Getanzter Dirty Talk

Und dann das Kontrastprogramm: «Sechs Tänze» von Mozart und dazu quasi als «Librettovorlage» die skurrilen, deftigen und erotischen «Bäslebriefe» des Komponisten an seine Cousine – das gibt ein frivoles Stück Tanz in sechs Kapiteln, rasant getanzt von zwölf jungen Tanzenden. Die Frauen in an Dessous gemahnende Kleider, die Männer mit nackten Oberkörpern und gepuderten Perücken vergnügen sich übermütig miteinander, schwelgen in den Bewegungen, lupfen die Röcke – oder lassen sie lupfen – hüpfen und drehen sich – endlich mal richtige Sprünge und Pirouetten! – und freuen sich des Lebens.

Riccardo Mambelli, Mariana Gasperin und Iacobo Arregui in «Sechs Tänze».

Wenn da nicht immer wieder dieses Donnergrollen wäre. Es ist zwar nicht der «Komtur» aus Mozarts «Prager» Oper «Don Giovanni», nein, es sind zwei reifberockte Gestalten, die dem lustigen Treiben vielleicht Einhalt gebieten möchten, aber selber zu Witzfiguren werden. Bis alles und alle hinter einem Seifenblasenvorhang verschwinden. «Es ist einfach nur Quatsch», sagt Kylian selber zu diesem 1986 uraufgeführten Stück.

Der ganze Ballettabend ist einfach nur Poesie, könnte man auch sagen. Und deshalb auf Analysen verzichten. Schade war, dass die Musik aus der Konserve kam, wunderbar hingegen, wie die Zürcher Ballettcompagnie sich dieser Musik hingeben konnte, eins wurde mit den Klängen und Rhythmen. Dem Premierenpublikum gefiel es. Es feierte das ganze Ensemble mit begeistertem Applaus.

Weitere Vorstellungen am 18.,19.,22.,25.,27.,31. Januar und 2. und 8. Februar.

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