StartseiteMagazinKulturWenig Glanz, viel Wahnsinn

Wenig Glanz, viel Wahnsinn

Vor 100 Jahren katapultierte Vaslav Nijinski die Ballettwelt in neue Sphären. Diese Sprungkraft, Anmut, Erotik! In der Choreografie von Marco Goecke  sucht man das vergeblich.

Es sind zwei grosse Namen, die am Samstag am Zürcher Opernhaus die Ballettpremiere prägen: Da die Tanzlegenden Vaslav Nijinski, dort der vielfach ausgezeichnete Choreograf Marco Goecke. Seine 2016 für Dance Gauthier choreografiertes Werk «Nijinski» hat er für Zürich – als schweizereische Erstaufführung – mit der hiesigen Ballettcompagnie neu einstudiert. Zuerst etwas zu Vaslav Nijinski: Der in Kiew geborene Tänzer stiess sehr jung zu Sergei Djiaghilews «Ballets Russes», das um 1910 herum im Begriff war, von der Tanzmetropole St.Petersburg aus Europa und die Welt zu erobern.

Die «Libellentänzer» weisen auf ein Stück hin, mit dem Nijinski brillierte: les Sylphides». Allerdings tänzte er den männlichen Part. (Beide Bilder Opernhaus Zürich/Carlos Quezada)

Das Publikum in Paris und London war begeistert von dem jungen, anmutigen Tänzer, seiner Virtuosität, Schwerelosigkeit, Erotik und vor allem für seine unnachahmliche Sprungtechnik. «Er setzt mit zwei Sprüngen über die Bühnendiagonale», schwärmte der Choreograf Diaghilew. Der den Liebling der Ballettbegeisterten gleich noch zu seinem Liebhaber machte – wenigstens so lange, bis sich Nijinski mit eigenen Choreografien emanzipierte.

Zehn Jahre Erfolge sonder Zahl

Die Biografie des jungen, schönen Tänzers und Choreografen, der mit nur vier eigenen Choreografien die Ballettgeschichte revolutionierte (und skandalisierte), und dessen Glanzzeit nur etwa zehn Jahre andauerte und von 30 Jahren psychischen Zerfalls abgelöst wurde, hat schon andere Choreografen, darunter Maurice Béjart und John Neumeier, inspiriert.
Aber keiner ist so in die Tiefe gegangen wie Goecke, sozusagen unter die Haut Nijinskis. In seiner Choreografie ist nichts zu finden vom Glanz des Ballets Russes, den opulenten Kostümen, dem Glamour der Tänzerinnen auf Spitze, den aufwendig gestalteten Bühnenbildern. Auch nichts von der Eleganz und Brillanz des jungen Nijinski. Kaum ein Sprung. Keine Spur von knisternder bis animalisch wilder Erotik, die das Publikum um 1910 toben liess. Goeckes junger Tanzgott ist von Beginn weg ein Suchender, Verzweifelter mit fiebrigen Gesten, Armen, die wie Windmühlen rotieren, verzerrten Posen – Weltschmerz pur.

Tanz am Rande einer Depression

Die Bühne ist kaum mehr als eine schwarze, dunkle  Höhle, in der sich vorwiegend schwarz gekleidete, kaum voneinander unterscheidbare Figuren bewegen. In schwarzen Hosen oder schwarzen Overalls verschmelzen sie nahezu mit der Umgebung und nur die nackten Oberkörper und Arme, die zappelnden, zuckenden Hände und die Gesichter sind beleuchtet. Und die Füsse auf dem schimmernden Bühnenboden. Daran ändert auch der mit einem Knall verbundene «Schuss» aus zwei «Konfettikanonen» nicht viel.

Jan Casier als innerlich zerrissener, fiebrig Suchender.

Dazu kommen die repetitiven Bewegungen, die rauen oder gequälten Schreie, die geflüsterten Fragen oder Monologe – hier wird nicht die Glanzzeit des Balletts in Szene gesetzt, sondern den traurigen Absturz eines Tanzgottes von Anfang an zelebriert.

Die ganze triste Szenerie wird, wenigstens gefühlsmässig, aufgehellt von der Präzision und Akkuratesse des Zürcher Ballettcompagnie. Da sitzt jede Geste, jede Bewegung, jede synchrone Drehung. John Casier gibt den Nijinski, der kaum richtig tanzen darf, mit der gebotenen Eindringlichkeit, William Morre oszilliert als Diaghilew zwischen Verführer und Dämon.
Die Frauen haben leider wenig zu melden in dieser Inszenierung. Katja Wünsche tritt kurz als Muse Terpsichore auf, Irmina Kopaczynska etwas länger in einer berührend lyrischen Sequenz als Nijinskis Mutter. Romola, Nijinskis Frau, die ihm auf einer Schiffsreihe nach Südamerika so nahe kommt, dass er sie heiratet, tanzt sitzend in einem Korbsessel, der mit dem Rücken zum Publikum steht. Man stelle sich das vor!

Musik bringt Nijinskis Epoche zurück

Glanz und etwas Farbe bringt allein die Musik in den Abend. Der Schweizer Pianist Adrian Oetiker interpretiert Sätze aus den Klavierkonzerten 1 und 2 von Frédéric Chopin mit viel Energie und beschwingter Musikalität – und das, obwohl er die Tanzenden auf der Bühne gar nicht im Blickfeld hat, sich allein am Dirigenten Pavel Baleff orientieren muss. Dieser führt die Philharmonia Zürich mit viel Feuer durch den Abend und setzt mit dem lyrischen «Russian Lullaby» und dem, von der Musik her gesehen farbenfrohen «Prélude à l’après-midi d’un faune» Akzente, die man gerne auch auf der Bühne gesehen hätte.

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