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Wenn Alter hilflos macht

Wer nicht mehr voll bei Kräften ist – geistig oder körperlich –, wer sich im Alter isoliert fühlt, verdient Rücksicht und alle notwendige Unterstützung. Das gilt gleichermassen für alle, die alte Menschen beruflich oder privat betreuen.

«Sich ausgeliefert zu fühlen, ist eine der menschlichen Grundängste – eine zu Recht bestehende Angst, denn jeder Mensch hat das Recht, selbstbestimmt zu handeln. Durch Krankheit und Alter fällt es uns schwerer, dieses Recht einzufordern.» Mit diesen Worten leitete Monika Stocker kürzlich eine Veranstaltung ein, in der die schweizweite Plattform «Alter ohne Gewalt» vorgestellt wurde. Entstanden ist dieses Projekt aus der Zusammenarbeit von drei Hilfsorganisationen aus den drei grossen Sprachregionen der Schweiz. Monika Stocker ist Präsidentin der Deutschschweizer Gruppe UBA.

Es geht in jedem Fall darum, der erwähnten Angst die Gewissheit entgegenzusetzen, dass dem Menschen in seiner Hilflosigkeit die notwendige Unterstützung zuteil wird. Das können scheinbar banale Fälle sein: Eine Frau von über 90 wendet sich selbst an «Alter ohne Gewalt»: Sie hat eine psychisch belastete Tochter, die sie mit ihrem Schäferhund besuchen kommt. Dieser macht der Mutter Angst. Zudem bleibt die Tochter stets mehrere Tage und tyrannisiert ihre Mutter, die zwar noch fit und geistig rege ist, sich aber gegen die Ausfälle ihrer Tochter nicht wehren kann. Hier sucht die Fachperson zuerst das Gespräch mit der Tochter, muss aber einsehen, dass dies nicht genügt. Die Tochter darf ihre Mutter für eine gewisse Zeit gar nicht mehr besuchen. Nach einer Kontaktpause kommen die beiden von Zeit zu Zeit wieder zusammen – ohne Beschwerden, worüber die alte Frau sehr erleichtert ist.

In Zeiten des Jugendkults, führt Monika Stocker aus, geht der Respekt gegenüber hochaltrigen Menschen verloren. – Junge Menschen können sich gar nicht vorstellen, aus Gebrechlichkeit selbst von Hilfe abhängig zu sein. – Man redet, wenn es um alte Menschen geht, schnell nur von den Kosten, die das Alter mit sich bringt. Für diejenigen, die das Alter der Hilfsbedürftigkeit vor sich sehen, ein beängstigender Gedanke.

«Wir müssen darüber reden»

Eine Intervention von «Alter ohne Gewalt» ist kein juristischer Schritt. Es geht darum, Möglichkeiten von Hilfe zu suchen, Beratung anzubieten und die beste Lösung für die gegebene Situation bzw. Person zu finden.

Auch die Angehörigen eines alten Menschen brauchen in gewissen Fällen Rat und Unterstützung: Die Tochter eines dement gewordenen 90-jährigen Mannes sucht die Hilfe der Organisation «Alter ohne Gewalt», weil der Umgang mit den finanziellen Ressourcen unübersichtlich geworden ist. Vier der fünf Geschwister unterstützen den Vater unentgeltlich, eine Schwester möchte entschädigt werden. Zudem fürchtet die Tochter, dass das Vermögen ihres Vaters nicht ausreiche, um die immer notwendigere Pflege zu finanzieren. Hier kann die Fachperson von «Alter ohne Gewalt» in mehreren Aussprachen eine Einigung erreichen – und der Vater muss betrübt anerkennen, dass er seine Fähigkeiten überschätzt und seine Hilflosigkeit unterschätzt hat.

Kosten als entscheidender Faktor

Betreuung im Alter findet zunehmend zu Hause statt und wird von Frauen geleistet – denn es soll so wenig wie möglich kosten. Daraus können sich aber kostenintensive Folgen ergeben, und das erfordert eine neue Aufrechnung der Rentabilität.

Kostenfragen spielen nicht nur bei der Betreuung, sondern auch in Krankheitsfällen eine entscheidende Rolle: Einerseits werden alte Menschen aus Kostengründen zuweilen nicht operiert – andererseits steht immer die Frage im Raum, ob die Operation benötigt wird, d.h. das Leben der Person verbessert, erleichtert wird oder nicht. Nicht zuletzt versuchen Krankenkassen immer wieder, auf Kosten alter Menschen zu sparen. – «Alter ohne Gewalt» hat ein Netz von Fachpersonen aufgebaut, die auch in solchen Fällen beraten können.

Ein anderes Problem ist die Übermedikation: Es kommt vor, dass alte Menschen mit Medikamenten «ruhiggestellt» werden. Der Grund kann darin liegen, dass Pflegende und Betreuende in ihrer Arbeit überfordert sind. Es sind, wie Statistiken belegen, vorwiegend Frauen involviert, die bis an ihre äussersten Grenzen belastet werden. – Auch hier kann eine Beratung Wege aufzeigen, wie der Alltag von Betreuenden erleichtert werden kann. Ganz wichtig ist es, dass die betreuenden Personen in solchen Situationen spüren, dass ihnen Vertrauen entgegengebracht wird.

Hinschauen, nicht lockerlassen, Empathie zeigen

Vertrauen steht bei «Alter ohne Gewalt» an erster Stelle. Im Zentrum steht das Wohl des alten Menschen. Alle Anfragen werden vertraulich, rasch und unabhängig von Behörden behandelt. Wie gesagt, es geht nicht um Rechtshilfe, sondern darum, Hilfe und Beratung anzubieten und für die entstandenen Probleme eine für alle gute Lösung zu finden. Oft ist es nicht leicht, an Betroffene heranzukommen. Wenn Aussenstehende sich nicht angemessen und empathisch verhalten, reagieren alte Menschen mit Schweigen – sie fühlen sich als die Schwächeren.

Das Telefon ist die erste Anlaufstelle. Wer Telefondienst hat, hört zu und legt schriftlich nieder, was gesagt worden ist. Dann wird diese Notiz an Fachpersonen weitergeleitet – für «Alter ohne Gewalt» sind mehr als 100 Fachpersonen tätig. Nachher erfolgt eventuell ein Hausbesuch, eventuell ein Treffen mit allen Betroffenen. Wichtige Bezugspersonen sind Hausärztinnen und -ärzte, Spitex-Pflegerinnen. Die Organisation veranstaltet für alle professionell Involvierten Weiterbildungen mit Expertinnen /Experten. Dabei ist es von Vorteil, dass «Alter ohne Gewalt» als überkantonale Organisation tätig ist.

Eine Telefonnummer für die gesamte Schweiz: 0848 00 13 13.
Die Antwort erfolgt in der entsprechenden Sprache der Region.

Eine Internetseite in drei Sprachen: www.alterohnegewalt.ch
E-Mail: info@alterohnegewalt.ch

«Alter ohne Gewalt» ist das Dach für Unabhängige Beschwerdestelle für das Alter (Deutschschweiz), alter ego (Westschweiz) und Pro Senectute Ticino e Moesano (Tessin und Misox)

Titelbild:   © Schwester Klara  / pixelio.de: «alte und junge Hand»

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