In «Resonating Spaces» zeigt die Fondation Beyeler Arbeiten von fünf international renommierten zeitgenössischen Künstlerinnen: Leonor Antunes, Silvia Bächli, Toba Khedoori, Susan Philipsz und Rachel Whiteread. Sie spielen mit einer besonderen Qualität von Räumlichkeit in unterschiedlicher Form als Skulptur, Zeichnung oder Soundinstallation.
Der Titel der Ausstellung lehnt sich an die Bedeutung der englischen Begriffe resonating und resonance an, die offener sind als die deutsche Bezeichnung Resonanzraum. Raum war in der Kunst lange kein Thema, bis in den 1960er-Jahren neue Ausdrucksformen wie Performance, Installation und Video Eingang in die Kunst gefunden haben. Diese haben Räume zu einem wichtigen Aspekt des zeitgenössischen Kunstschaffens werden lassen.
Susan Philipsz: Installationsansicht Ausstellung «Resonating Spaces», Fondation Beyeler/Basel, 2019. Foto: Stefan Altenburger. Die Lautsprecher an den Wänden sind Teil der Klanginstallation von Susan Philipsz.
In Resonating Spaces geht es nicht um einen thematischen Zugang zum Raum, sondern um das Empfinden eines Raumes. Das Raumempfinden verbindet das Schaffen der fünf Künstlerinnen, die nicht nur an unterschiedlichen Orten auf der Welt leben, sondern sich auch in ihren Ausdrucksmitteln und künstlerischen Herangehensweisen voneinander unterscheiden. Ihre Installationen, Skulpturen und Zeichnungen erscheinen zurückhaltend und ermöglichen gerade dadurch, die Gestaltung im Raum als Ganzes wahrzunehmen.
Die schottische Künstlerin Susan Philipsz (*1965) erkundet die plastischen Eigenschaften von Klängen und zieht dabei den Raum oder die konkrete Umgebung mit ein. Als Ausgangspunkte ihrer Soundinstallationen dienen ihr sowohl vokale als auch instrumentale Tonaufnahmen. Sie greift auf Popsongs, Volkslieder oder Choräle zurück, die sie mit ihrer unausgebildeten Stimme und ohne Begleitung intoniert. Mit singenden Gläsern oder im Krieg beschädigten Blasinstrumenten stellt die Künstlerin Bezüge zu bestimmten historischen oder literarischen Gegebenheiten des jeweiligen Ortes her, so dass diese in neuer Weise erfahren werden.
Ausschnitt aus Toba Khedoori, Untitled (seats), 1996, Öl, Grafit und Wachs auf Papier, 350 x 762 cm, Museum of Contemporary Art, Los Angeles. Foto: rv.
Toba Khedoori (*1964) zeichnet seit Mitte der 1990er-Jahren minutiös architektonische Gebilde als Einzelobjekte oder in serieller Reihenfolge. Die grossformatigen wachsüberzogenen Papierbahnen stehen dabei im Kontrast zur zeichnerischen Präzision. Die australische Künstlerin, die heute in Los Angeles lebt und arbeitet, hat in jüngster Zeit ihren Fokus geändert, indem sie ihre Bildobjekte nicht mehr aus der Ferne, sondern aus unmittelbarer Nähe erfasst. In Motiven nach der Natur, wie Zweige, Berge oder Wolken übersteigert sie das Close-up-Prinzip bis die Darstellungen ins Abstrakte zu kippen scheinen.
Ausschnitt aus Toba Khedoori, Untitled (branches 1), 2011/12, Öl auf Leinen, 80,6 x 105,1 cm, Privatsammlung, Courtesy David Zwirner. Foto: rv.
Die portugiesische Künstlerin Leonor Antunes (*1972) setzt sich in ihren raumgreifenden Installationen mit der Wandlungsfähigkeit der Skulptur und der modernen Formensprache auseinander. Seit den späten 1990er-Jahren schafft sie Werke, die auf geometrischen Formen und vielfältigen Materialien basieren, wie Leder, Nylon und Messing, was auch die aktuelle Arbeit für Resonating Spaces kennzeichnet. Die Installation ist für den vorgegebenen Raum mit linear-strukturellen Teilen und verschiedenen Materialien entstanden. Auffallend ist das geometrische Spiel der Basis mit gelben, schwarzen und grauen Bodenplatten, die mit den darauf befestigten oder von der Decke hängenden skulpturalen Elementen in Verbindung stehen. Die begehbare Installation steht in einem Wechselspiel mit der Architektur des Raumes, gleichzeitig kann die labile Ordnung durch die Besucherinnen und Besucher in Bewegung geraten.
Leonor Antunes: Installationsansicht Ausstellung «Resonating Spaces», Fondation Beyeler, Riehen/Basel, 2019. Foto: rv.
Das Oeuvre der Schweizer Künstlerin Silvia Bächli (*1956) umfasst eine Vielfalt von klein- und grossformatigen Zeichnungen. Von ihrem Frühwerk kleiner figurativer sowie abstrakter Darstellungen hat sie sich gelöst und sich grösseren Papierarbeiten zugewandt mit Liniengefügen und reduzierten Pinselbahnen. Von Anbeginn an hat die Künstlerin ihre Werke als wandelbare Gruppen, oft in Form wandfüllender Installationen präsentiert. Das Zusammenspiel von Zeichnung, Bildrand, Papiergrund und den weissen Wänden der Ausstellungsräume, den Leerstellen zwischen den Bildern, ist dabei von entscheidender Bedeutung und erzeugen eine Raumempfindung.
Silvia Bächli: Installationsansicht Ausstellung «Resonating Spaces», Fondation Beyeler/Basel, 2019. Foto: Stefan Altenburger.
Seit den frühen 1990er-Jahren hat die britische Künstlerin Rachel Whiteread (*1963) ein ausserordentliches plastische Oeuvre hervorgebracht. Ihre Skulpturen oder Hohlkörper entstehen aus Abdrücken und Abgüssen von vertrauten Gegenständen, wie architektonischen Strukturen oder Hohlkörpern, die durch das Material verändert fremd wirken. Die Künstlerin verleiht den Negativräumen der Objekte, wie einer Wärmeflasche, einem Schrank oder Büchergestell derart Gestalt, dass eigenständige Skulpturen entstehen. Ihr Werk umfasst nicht nur Einzelobjekte, sondern auch eindrucksvolle Abgüsse ganzer Wohnräume und Gebäude.
Das Gemälde von Balthus Passage du Commerce-Saint-André (1952-54) hat Rachel Whiteread zutiefst berührt. Sie sieht darin eine Art Bühne oder Filmset und empfindet «die drückende Stille, entlegen, weltabgeschieden und gespenstisch». Das hat sie inspiriert, mit dem Bild eine Installation herzustellen. Die Architektur und die vereinzelten, einsamen Personen des Gemäldes setzt sie als Stimmungsbild komprimiert in einer schwarzen Skulptur «Wardrobe» um. Diesen «Kleiderschrank» positioniert sie in einem bestimmten Abstand vor Balthus’ Gemälde, auch in Verbindung mit den an den Wänden hängenden hellen Quadraten. In dieser Installation sieht die Künstlerin auch eine Art Theaterraum.
Rachel Whiteread: Installationsansicht Ausstellung «Resonating Spaces», Fondation Beyeler/Basel, 2019. Foto: Stefan Altenburger. Teil der Installation von Rachel Whiteread mit einer Referenz an das Gemälde Passage du Commerce-Saint-André von Balthus.
Die Ausstellung regt dazu an, mit offenen Sinnen die Räume zu erleben, die Räume zu empfinden. Nicht das einzelne Objekt steht im Vordergrund, sondern das im Raum fein aufeinander abgestimmte Zusammenspiel der Skulpturen, Zeichnungen und Malereien, ebenso die Klänge aus den Lautsprechern der Soundinstallation. Die Fondation Beyeler schafft mit dieser Ausstellung ein sensibles Gesamtkunstwerk für alle Sinne.
Titelbild: Screenshot Leonor Antunes, Installationsansicht, «Resonating Spaces», Fondation Beyeler, Riehen/Basel, 2019
Resonating Spaces, Fondation Beyeler, Riehen / Basel, bis 26. Januar 2020
Katalog: Resonating Spaces, 5 Annäherungen, Hrsg. Theodora Vischer, Fondation Beyeler, CHF 52.00