Der Zürcher Strauhof widmet seine neueste Literaturausstellung „Thomas Mann in Amerika“. Pate stand das Literaturarchiv Marbach und das Thomas-Mann-Archiv der ETH Zürich, klein und fein adaptiert und kuratiert von Rémi Jaccard und Philip Sippel, die in den verwinkelten Räumen 14 Jahre Zeitgeschichte des allseits hofierten Dichters auferstehen lassen.
Der Andrang war gross an der Vernissage in der Kirche St. Peter, der zweifellos der Rede von Lukas Bärfuss galt, der einen gedrechselten Satz Thomas Manns über sein persönliches Bekenntnis zur Demokratie in kluger Analogie und luzider Klarheit in seine Einzelteile zerlegte.
Ja, der Nobelpreisträger, der in Vorträgen vollmundig als „The Greatest Living Man of Letters“ angekündigt wurde, hat die demokratischen Verhältnisse in den USA zwiespältig erlebt, wurde er doch in Princeton gleich nach dem Beginn seines Exils zwar mit einer Gastprofessur euphorisch aufgenommen, um dann später in den Mühlen McCarthys kommunistischer Umtriebe verdächtigt zu werden. Ernüchtert wie viele seiner Gefährten kehrte er dann 1952 in die Schweiz zurück, wo er, 80 jährig, 1955 in Kilchberg starb.

Mit dem 1938 vollzogenen Anschluss Österreichs an die Nazi-Herrschaft übersiedelte Thomas Mann mit seiner Familie nach Amerika. Auf die Frage von Reportern, ob er das Exil als eine schwere Last empfinde, antwortete er: „Es ist schwer zu ertragen. Aber was es leichter macht, ist die Vergegenwärtigung der vergifteten Atmosphäre, die in Deutschland herrscht. Das macht es leichter, weil man in Wirklichkeit nichts verliert. „Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir. Ich lebe im Kontakt mit der Welt und ich betrachte mich selbst nicht als gefallenen Menschen.“ Damit stilisiert er sich als Repräsentant der deutschen Literatur zu Hitlers Antipoden.
Sein Exil ist geprägt vom Wechselspiel zwischen seinem literarischen Werk und seinem politischen Wirken. So entstehen die drei Romane „Joseph, der Ernährer“, Doktor Faustus“ und „Der Erwählte“. Tagebuchauszüge, Fotografien, Brief- und Tondokumente verschaffen Einblick in seine Öffentlichkeitsarbeit, wo er gleichsam als Botschafter des anderen Deutschlands im Rundfunk und auf Vortragsreisen gegen den Nationalsozialismus Stellung bezieht. Mehr getrieben von seinem Bruder Heinrich und seinen Kindern als aus innerer Not, vermerkte sein Sohn Golo Mann in einem Tagebucheintrag: „Der Alte schwankt wie eine geköpfte Wespe hin und her: Soll er schweigen, im Interesse seines Romans, der in Deutschland erscheinen soll? Oder soll er sich äussern? Ich rate zum letzteren.“
Die Tochter Erika vermittelt Kontakte zur BBC, damit sich der Vater 1940 direkt an das deutsche Volk richten und es zur Kapitulation auffordern kann. Es ist Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Nazis. Mittels Schallplatten werden die Ansprachen nach New York gesandt und dann via London über Langwelle ausgestrahlt. Für das Abhören über die deutschen Volksempfänger droht die Todesstrafe.

Seine Frau Katja steht ihrem Mann seit ihrer Heirat 1905 unerschütterlich zur Seite. Ihrer Stärke sei es zu verdanken, dass Thomas Mann sein grosses Werk schaffen könne, schreibt sein Verleger G. B. Fischer. Sie selbst meint rückblickend: „Ich habe tatsächlich mein ganzes, allzu langes Leben immer im strikt Privaten gehalten. Nie bin ich hervorgetreten, ich fand das ziemte sich nicht. Ich sollte immer meine Erinnerungen schreiben. Dazu sage ich: In dieser Familie muss es einen Menschen geben, der nicht schreibt.“
Es lohnt sich, die kontroversen Erfahrungen, die Wirren und Ränkezüge, aber auch die Anzeichen eitler Selbstdarstellung des literarischen Patriarchen zu begutachten. Thomas Mann war einer der meist fotografierten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Mit den Hörstationen zusammen ergibt sich ein illustres, erhellendes und spannendes Stück Zeitgeschichte.
Die Strauhof-Ausstellung „Thomas Mann in Amerika“ dauert bis zum 19.1.2020. Die Öffnungszeiten sind Di-Fr 12-18, Do 12-22 und Sa/So von 11-17 Uhr.