Nach eher schwerer Kost in der laufenden Saison folgt nun im Opernhaus Zürich mit Donizettis „Don Pasquale“ die leichtere Muse, die es aber in sich hat – und auf die Festtage hin ein Füllhorn der Superlative, u.a. mit Cecilia Bartoli als Primadonna assoluta in Rossinis „Cenerentola“.
Von den 70 Opern, die der Vielschreiber Gaetano Donizetti (1797-1848) komponierte, findet sich gerade noch ein knappes Dutzend auf den Spielplänen, allerdings mit anhaltendem Erfolg. „Don Pasquale“ gehört als „Dramma buffo“, wie er sein Spätwerk nennt, zu den Ohrwürmern der Operngeschichte, erfordert aber als 4-Personen-Stück (nebst kurzen Chorszenen und etwas Hauspersonal in Slapstick-Posen samt stummen Komparsen) eine erstklassige Besetzung. Das weiss das Haus natürlich und lässt sich nicht lumpen.
Die Geschichte ist rasch erzählt. Ein älterer, wohlhabender Herr (also kein Tattergreis wie in Rossinis „Barbiere“) will seiner Einsamkeit entfliehen und sein emanzipiertes Mündel, das es knüppeldick treibt, heiraten. Er gerät damit in Teufels Küche, weil sich alle gegen ihn verschwören und ihm einen Denkzettel verpassen, der ihn zum bemitleidenswerten Opfer macht. Donizetti hat Einiges abgeschaut bei Rossini (auch das obligate Gewitter und die halluzinösen Stakkato-Rezitative), aber dann doch eine sehr eigenständige und betörende Musik hinterlassen.
Norina (Julie Fuchs) singt Don Pasquale (Johannes Martin Kränzle) eine Standpauke
Julie Fuchs in der Doppelrolle als Norina und verkleidete Sofronia setzt ein Glanzlicht umwerfender Bravour. In wenigen Jahren hat sie, die von 2013 bis 2015 zum Ensemble gehörte, eine unglaubliche Karriere hingelegt und hat sich zu einem „Theaterfüdli“ mit blitzartigen Rollenwechseln und einer Ausstrahlung gemausert, die nicht nur die Männer um ihren Verstand singt. Dem widersprüchlichen Charakter vom Mündel zum frivolen Flittchen, zur Liebenden und zur Intrigantin verleiht sie eine Wandlungsfähigkeit und musikalische Stilsicherheit, die sie in die vorderste Reihe der virtuosen Solistinnen katapultieren wird, wenn das so weiter geht.
Don Pasquale muss Norina mit ihrem Geliebten Ernesto (Mingjie Lei) loslassen / Fotos © Monika Rittershaus
Dass Johannes Martin Kränzle in der Titelrolle nach schwerer Krankheit wieder im Vollbesitz seiner gesanglich sonoren wie darstellerisch agilen Kräfte ist, grenzt an ein Wunder. Das Einzige, was die Perfektion etwas trübt, ist das fehlende italienische Kolorit. Aber wie virtuos er die rasanten Tempowechsel und die Schnellsprechverse à la Rossini handhabt, ist schon sehr beeindruckend. Sein Vorgänger in der Spielzeit 1996/97, mit dem er sich messen muss, ist kein Geringerer als der unvergessliche Ruggero Raimondi. Auch der Chinese Mingjie Lei, der sich als Neffe von Don Pasquale unsterblich in das Mündel Norina verliebt, hat sich dem Vergleich mit Francisco Araiza zu stellen, der die Partie 1980 in Zürich sang. Sein betörender Schmelz verspricht eine erfolgreiche Laufbahn. Konstantin Shushakovs kernig schwarzer Bass gehört in der Rolle des verschworenen Ränkeschmieds und Drahtziehers Malatesta zu den verheissungsvollen Neuentdeckungen. In der kleinen Rolle als schmieriger Notar glänzt Dean Murphy vom IOS. Die etwas gar nüchterne Bühnenausstattung (Bild: Johannes Leiacker, Kostüme: Barbara Drosihn) mit kalten Rippenwänden und Blumentapeten stört aber angesichts des süffigen Drives immer weniger.
Norina macht aus Don Pasquales Villa eine Festhütte: Der Chor der Oper Zürich haut auf den Putz
Christof Loy und Enrique Mazzola als Bühnen- und Taktstockmagier
Wer diesen Sommer in Salzburg das Gespann Barrie Kosky (Regie) und Enrique Mazzola (Dirigat) in der irrlichternen Umsetzung von Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ erlebte, durfte darauf hoffen, dem gewiegten und akribisch inszenierenden Regisseur Christof Loy und dem mit allen Wassern gewaschenen Pultmagier Enrique Mazzola in Donizettis Verwechslungskomödie ebenfalls entgegenzufiebern. Und man wurde nicht enttäuscht. Mazzola, der seit dieser Saison als GMD der Lyric Opera von Chicago zeichnet, scheint dann besonders motiviert zu sein, wenn er einen Regisseur wie Christof Loy als ebenbürtigen Partner zur Seite hat und sich ganz auf die Sängerinnen und Sänger verlassen kann. Loy ist dafür bekannt, dass er ein Meister der Charakterzeichnungen ist. Wie mit dem Silberstift führt er die Vokalartisten durch Skylla und Charybdis, und sie folgen – inklusive der inspirierten Philharmonia Zürich – dem immer wieder überraschenden, aber hoch musikalischen Tempodiktat und dem holzschnittartigen Furioso Mazzolas als verschworene Gemeinschaft. Ernst Raffelsberger wählt die besten Choristen aus, um in den wenigen Einsätzen auf Tutti zu gehen. Wen wunderts, wenn das Publikum ganz aus dem Häuschen geriet und sich am Schluss wund klatschte.
Weitere Vorstellungen: Dezember 12, 15, 21, 26, 29, Januar 1, 4, 9
Der geschätzte „Musikalische Adventskalender“ ist zudem noch bis zum 23. Dezember um 17.30 bei freiem Eintritt zu geniessen.