StartseiteMagazinLebensartBlütenschimmer über dem Bodensee

Blütenschimmer über dem Bodensee

Mit dem Rad an einem dieser Sonnentage früh unterwegs fuhr ich in einen strahlenden Morgen. Kaum ein Mensch war auf der Strasse. Das Elixier gegen Pandemie und Kontaktsperre: blühende Frühlingsbäume unter blauem Himmel. Also nichts wie hinaus ins Land.

Die Natur scheint den behördlichen Einschränkungen zu trotzen. Sie explodiert geradezu in diesen Tagen und sammelt sich in weissen Blütenwolken. Im Freien dürfen sich auch Zugehörige der Risikogruppe noch bewegen, sofern sie sich an die Abstandsregeln halten, und der Gang nach Draussen tut ebenso gut wie jene Outdoor-Aktivitäten in Gruppen, die jetzt unterbleiben müssen.

In meinem Wohnort Rorschacherberg fahre ich also diesmal nicht hinunter zum See – der wäre sonst erste Wahl mit seiner beruhigenden Weite. Mir fällt als erstes Ziel meiner Blueschtfahrt das Lehrerseminar in Rorschach ein, das frühere Kloster Mariaberg aus dem 15. Jahrhundert, ein stattlicher Bau aus der Spätgotik mitten in einem Park.

Magnolienbaum im Seminarpark

Gewaltige Baumriesen überschatten das Gelände: darunter ein Magnolienbaum. Viele Blütenblätter liegen schon am Boden. Auf der Nordseite sind die Blüten noch leuchtend frisch.

Die Magnolien im Schatten in voller Blüte.

Ich schaue um die nächste Ecke und bleibe staunend vor der hellgrünen Birke stehen, die vom Wind weich bewegt wird. Bei solchen Bildern hat der Lockdown-Blues keine Chance.

Die Birke trägt frisches Hellgrün, eins der jährlich wiederkehrenden Naturwunder (welches freilich von Allergikern nicht so geschätzt wird).

Der Kalender scheint die Reihenfolge der Monate Mai und April ausgetauscht zu haben – im April geniessen wir fast durchwegs Sonnenschein und steigende Temperaturen und das seit Tagen. Keine Spur von Gewitter, Graupeln oder gar Hagel, was ja sonst zum April gehört, jedenfalls in unsere Erinnerung und in der Wetterstatistik. Bis jetzt hat der Frühling es mit den Bauern gut gemeint. Einige Frostmorgen, die aber nicht zu viel schadeten, jedoch – mit der Zeit – auch ein grosses Manko an Niederschlägen.

Schon beginnen die Landwirte, ihre Wiesen und Felder zu bewässern. Fragt sich nur, wie lange das ohne Einschränkungen möglich ist, ein heisser und trockener Sommer ist vorausgesagt worden. Vorerst aber ist die wärmende Frühlingssonnne für alle, die aus der Wohnung wenigstens auf den Balkon oder in den Garten dürfen, eine Freude.

Kirschblüten überleben auf Hochstammbäumen auch Bodenfrost

 Unterdessen befinde ich mich schon in den Weilern am Hang des Rorschacherberges. Die Kirschbäume stehen in voller Blüte oder haben den Höhepunkt des Blütenrausches schon hinter sich. Nun öffnen sich die Blüten der Apfelbäume.

Apfelbäume zeigen uns ihre Blütenpracht

Doch es sind vor allem die Birnbäume – riesige Blütensträusse, schon von weitem an ihrer hoch gewachsenen Form zu erkennen. Manche sind richtige Individuen mit von den Zeitläuften geformtem eigenem Charakter. Und mir kommt in den Sinn, dass es ja in der psychologischen Diagnostik, einem meiner früheren Fachgebiete, einen Baum-Test gibt. Er macht Aussagen über die Testperson, ausgehend von der Art und Weise, wie sie einen Baum in Form und Einzelmerkmalen zeichnet. Diese unbewussten Aussagen dienen der Diagnostik. Aber wie dem auch sei, jetzt bin ich draussen unter blühenden Baumriesen, die meist in traditionellen Baumgärten, in der Nähe eines Bauernhofs oder einer Siedlung zu finden sind.

Ein regelrechtes Paradies der Hochstammbirnen: Frühling im Obstgarten nahe beim Bauerngut

Hier am Berg gibt es keine Plantagen. Ganz anders in den Siedlungen entlang des Bodensees. Dort musste die Mystik der alten Bäume modernen Obstplantagen mit Niederstämmen inklusive Schutznetzen weichen, was der Landschaft den Zauber nimmt. Für mich ist klar, es ist der Anblick dieser prachtvollen Bäume in vollster Blüte, die mir meinen Corona-Blues, meine manchmal düsteren Gedanken an die Isolation und an die unerreichbar fernen Freunde vertreiben. Deshalb widme ich diesen Bilderbogen allen alten Menschen, die vielleicht nicht mehr oder zumindest im Moment nicht die Möglichkeit haben, selbst in der freien Natur auf Entdeckungsreise zu gehen. Und weil der Morgen meine Seele befreit, ein Gedicht, welches den kurzen Ausflug in die Blütenträume abschliesst.
Fotos © Justin Koller

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9 Kommentare

  1. Lieber Justin, diese jubelnde Hymne an den Frühling und an die Seelentrösterin Natur ist eine Labsal in diesen unwägbaren Zeiten und eine willkommene Zerstreuung im eingeschränkten Alltag. Lass mich dir mit Eduard Mörikes wunderschönem Gedicht danken:

    Er ist’s
    Frühling läßt sein blaues Band
    Wieder flattern durch die Lüfte;
    Süße, wohlbekannte Düfte
    Streifen ahnungsvoll das Land.
    Veilchen träumen schon,
    Wollen balde kommen.
    Horch, von fern ein leiser Harfenton!
    Frühling, ja du bist’s!
    Dich hab ich vernommen!

    • Lieber Joseph, dein Kommentar freut mich sehr! Neben moderner Lyrik mag ich auch klassische Autoren. Die romantische Grundgestimmtheit ist ja als «neue Subjektivität» in vielen zeitgenössischen Gedichten zu finden. Und Frühling…Blumenpracht…neue Liebe …und Entzücken sind ja aktuelle jahresszeitliche Themen. Mörike schätze ich – ich war mal eine Woche in Husum, der grauen Stadt am grauen Strand.
      Mein «Alleinstellungsmerkmal», wenn ich es so nennen darf, ist es, Bild und Text zusammen zu bringen, so dass sie sich nicht einfach nebeneinader gestellt präsentieren, sondern einen Mehrwert bringen – jedes in seinem Medium.
      Zu finden auch auf meiner Webseite http://www.textundbildjustin.ch – wenn du dazu Lust hast, dich ein wenig umzusehen.
      Ich wünsche dir eine gute Zeit und gute Erlebnisse bei der «Seelentrösterin» Natur
      Justin

      • Lapsus memoriae: Ich verwechselte die Namen von Mörike und Storm, dem Schwaben und dem Nordfriesen. Entschuldigung! Justin

  2. A muito que eu saia de casa com a minha mulher na primavera, sem destino só para sair, mas a cada zona que passava tirava umas fotos as arvores com as suas flores ???? tão lindas, flor da vida que vai dar lindos frutos para a alimentação e boa saude de todos nós, mas isto só para dizer que agora vejo que já não vou sair de casa só por sair mas com o gosto de procurar mais as lindas arvores e flores da natureza para fotografar ???? depois de ler o lindo poema escrito em Alemão e com a nova tecnologia ver que com a minha 4 classe primaria. Posso tradozir para o meu Português. ???? ???????? ????

    • …und hier ein erster Versuch, den portugiesischen Text von Davide Pereira zu übersetzen:
      So oft ich im Frühjahr mit meiner Frau das Haus verließ und kein Ziel hatte, nur um hinauszugehen, machte ich überall, wo ich vorbei kam, Fotos von den Bäumen mit ihren Blüten, die so schön sind: Blume des Lebens, die schöne Früchte zum Essen geben wird und gute Gesundheit für uns alle. Aber dies nur um zu sagen, dass ich jetzt sehe, dass ich das Haus nicht mehr nur einfach zum hinausgehen verlassen werde, sondern mit dem Vergnügen, vermehrt nach den schönen Bäumen und Blumen der Natur zu suchen, um sie zu fotografieren – nachdem ich das schöne in deutsch geschriebene Gedicht gelesen habe und dank neuer Technologie dafür sorgte, dass ich es mit meiner 4. Primarschulklasse anschauen kann, übersetzt in mein Portugiesisch.

      • Danke, liebe Eva, du bist ja nicht nur fix sondern auch plurilingual gewandt, um so meine Anerkennung auszudrücken. Die Form mit dem angehängten TEXT&BILD ist gelungen.
        Ich wünsche dir gute Tage und geniesse es, den Fortschritt des Frühlings mitzuerleben!
        Justin

  3. Lieber Justin

    danke für deinen speziellen Bericht auf Seniorenweb. Die wunderschönen Fotos haben mich sehr gefreut. Sie waren das einzigartige Erlebnis heute. So kann ich also einen guten Bericht in mein Corona Tagebuch schreiben. Viele Grüsse Elisabeth

  4. Ganz, ganz herzlichen Dank für den tollen Bericht und die wunderschönen Fotos. Es sind die einzigen blühenden Bäume, die ich dieses Jahr sehe. Ich bin immer zu Hause. Die Fotos haben meiner Seele sehr gut getan.

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