FrontGesellschaftÄltere Menschen, Covid-19 und Gewalt: eine doppelte Gefahr

Ältere Menschen, Covid-19 und Gewalt: eine doppelte Gefahr

Massnahmen und Regeln für die über 65-Jährigen sind seit Beginn der Corvid-19-Krise omnipräsent. Diese Regeln haben ein Ziel: die älteren Menschen zu schützen. Sie werden allerdings zunehmend von Seniorinnen und Senioren als eine Form von Diskriminierung empfunden. Die älteren Menschen sind zudem in Zeiten des Aufrufs «zu Hause zu bleiben» ohne Informationen über häusliche Gewalt.

Die nationale Anlaufstelle «Alter ohne Gewalt» macht auf die Tatsache aufmerksam, dass die altersabhängige Diskriminierung durch die Bundesverfassung (Art. 8.2) ausdrücklich verboten ist und eine Form von Gewalt darstellt. Sie appelliert deshalb, in der Kommunikation über häusliche Gewalt auch die älteren Menschen zu berücksichtigen.

Verschärfung altersbasierter Stereotype

Laut der Eurobarometer-Umfrage zur Diskriminierung (2015) ist Altersdiskriminierung eine häufigere Form von Diskriminierung als Rassismus und Sexismus. Trotzdem ist sie gesellschaftlich viel akzeptierter. Die vorgefassten Meinungen zum stereotypen älteren Menschen sind stark verbreitet: Ältere Menschen sind hilfsbedürftig, sie kosten viel, sie sind egoistisch und unempfänglich gegenüber Veränderungen, sie stellen eine Belastung für die Gesellschaft dar, usw. Im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise haben Massnahmen zum Schutz älterer Erwachsener, zwar mit guter Absicht ausgesprochen, den Kollateraleffekt, dass sich die Meinung zum stereotypen älteren Menschen verschärft. Betrachtet man alle Personen ab 65 Jahren allein aufgrund ihres chronologischen Alters als «gefährdet», werden bei dieser Betrachtung die interindividuellen Unterschiede der Alterung und die Tatsache, dass das so genannte Alter tatsächlich mehrere Generationen umfasst, nicht berücksichtigt. Unbeabsichtigt tragen sie zur Zunahme der Altersdiskriminierung und der Infantilisierung von Senioren bei.

Die Abwesenheit älterer Personen in Mitteilungen zu häuslicher Gewalt

Die Zusammenhänge zwischen der Bewegungseinschränkung, der Zunahme innerfamiliärer Spannungen und häuslicher Gewalt wurden in den letzten Wochen häufig hervorgehoben, insbesondere in den Medien. Während mehrheitlich Frauen und Kinder angesprochen werden, wird selten daran erinnert, dass auch die älteren Menschen stark gefährdet sind. Wie bei Jüngeren kann die Ausgangsbeschränkung vor allem bei Paaren Spannungen verschärfen. Sie verstärkt die Isolation älterer Menschen und ihrer Angehörigen und verringert die Möglichkeiten des Zugangs zu Informationen, insbesondere für Senioren, die kein Internet haben. Dass ältere Erwachsene in Präventionsbotschaften über häusliche Gewalt nicht erwähnt werden, ist eine zusätzliche Form der Diskriminierung.

Veränderte Anforderungen

Mit der Krise in Zusammenhang mit Covid-19 hat die Arbeit der Nationalen Anlaufstelle «Alter ohne Gewalt» eine neue Dimension angenommen. Viele Menschen wenden sich an die Anlaufstelle mit Fragen zu ihren Rechten, insbesondere in Bezug auf Besuche bei einem geliebten Menschen am Ende des Lebens in einer Institution und baten um Vermittlung. Hingegen gab es weniger Beschwerden und Anfragen des Umfelds von älteren Menschen (Freunde, Nachbarn usw.). Diese Situation hängt wahrscheinlich mit der Bewegungseinschränkung und dem Rückgang der kollektiven Aufmerksamkeit aufgrund der sozialen Distanz zusammen. Dies legt nahe, dass viele ältere Opfer von Gewalt derzeit keine Hilfe erhalten können.

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