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Wildblumen am Wegesrand

Welche Folgen der Klimawandel für Blumen und Pflanzen der Schweizer Bergwelt hat, erfahren wir in der Neuerscheinung «Botanischer Schatz».

In den letzten Jahren ist «Klimawandel» zu einem bedeutungsschweren Begriff geworden, oft genug Anlass zu Besorgnis und zu erbitterten Diskussionen darüber, wie die Gesellschaft damit umgehen soll. Die Direktoren der botanischen Gärten von Fribourg und Lausanne haben nun gemeinsam mit ihren Teams und anderen Experten ein kleines, aber höchst anschauliches und informatives Buch herausgegeben: Botanischer Schatz. Wie man bedrohte Pflanzen vor dem Aussterben rettet. Entstanden ist ein Werk, das anhand vieler Bilder und grafischer Darstellungen zeigt, wie sich der Klimawandel auf unsere Flora auswirkt, und das ebenfalls einfache, verständliche Ansätze präsentiert, Antworten auf die große Herausforderung, das wertvolle, aber gefährdete botanische Erbe unserer Berge zu erhalten.

Wussten Sie, dass fast ein Drittel der Arten der Schweizer Flora heute gefährdet ist? Als Laien fragen wir uns, warum gewisse Pflanzen bedroht sind, was getan werden kann, um sie zu fördern und zu erhalten. Die Autoren – Wissenschaftler und Experten – erörtern dies anhand von sieben Stichwörtern: Beobachten, Überwachen, Bewerten, gesetzliche Grundlage, Verstehen, Erhalten und Vorhersagen. Alle Erklärungen und Grafiken werden mit zahlreichen Beispielen ergänzt.

Alpen-Mannstreu: Eryngium alpinum / Teun Spaans / commons.wikimedia.org. Diese prächtige Blume findet man auf den Alpweiden. Sie wurde früher wegen ihrer Schönheit übermässig gepflückt – und dann verschwand sie fast durch intensive Weidewirtschaft. Seit die Pflanze streng geschützt ist, hat sich der Bestand erholt.

Die Autoren legen ihren Focus auf die alpine Pflanzenwelt, denn die Alpen sind eine der wichtigsten Regionen Europas, was blühende Pflanzen angeht. Von den 4’500 Pflanzenarten sind 400 endemisch – eine vergleichsweise grosse Zahl. Die Ursachen dafür liegen in der Kleinräumigkeit der Bergwelt und den grossen Höhenunterschieden. Auch die letzte kalte Epoche der Erdgeschichte hat die alpine Pflanzenwelt beeinflusst.

Die Lebensformen der Natur werden durch den Begriff Biodiversität beschrieben. Dazu gehören die natürlichen Lebensräume und das Zusammenspiel verschiedener Organismen und ihrer Umwelt – alles ist miteinander verbunden. Der Artenreichtum bzw. die Artenvielfalt ist ein wichtiger Massstab, deshalb zählen Forschende, wie viele Arten und wie viele einzelne Vertreter einer Art gefunden werden. Je mehr Arten und je zahlreicher eine Art vorhanden ist, desto besser ist das Überleben gesichert. Denn wie bei allen Lebewesen ist der Austausch der Gene untereinander für den Bestand lebenswichtig.

Echtes Mädesüß (Filipendula ulmaria) / I. Kenraiz / commons.wikimedia.org. Dieses duftende Kraut ist in der Schweiz weit verbreitet. Früher hiess es Spirea; der Name des Medikaments Aspirin wurde davon abgeleitet, denn Mädesüss ist wie die Silberweide reich an Salicyl-Verbindungen, der Grundlage für Aspirin.

«Nur Bekanntes kann man erhalten», schreiben die Autoren. Der Reichtum der Natur ist noch weitgehend unerforscht. Nach neuesten Schätzungen sind mehr als 80% der lebenden Organismen noch nicht beschrieben oder noch nicht einmal entdeckt worden. Deshalb hat das Bundesamt für Umwelt einen Raster zur Überwachung der Biodiversität geschaffen und Pflanzengruppen definiert, die als Indikatoren für die Entwicklung der Biodiversität dienen.

Besonders gefährdete Arten werden bekanntlich auf «Roten Listen» geführt. Wir erfahren, nach welchen Kriterien die Stufen der Gefährdung definiert werden. Oft sind ganze Lebensräume gefährdet, dort breiten sich anspruchslosere, robustere Arten auf Kosten spezialisierter Pflanzen aus. Die Diskussion, welche Art vorrangig geschützt werden soll und auf welche Weise, muss interkantonal, aber auch regional geführt werden und mündet in Aktionsplänen. Prinzipiell gibt es zwei Wege: «Ex situ-Erhaltung», d.h. die Wiederansiedlung gefährdeter Pflanzensorten – das ist, wie die Autoren schreiben, die letzte Hoffnung für Arten, die fast ausgestorben sind – oder die «In situ-Erhaltung», hier geht es um die Pflege der Biodiversität, die Flora soll also in ihrer natürlichen Umgebung geschützt werden.

Sommerglöckchen Leucojum aestivum / Kurt Stüber / commons.wikimedia.org. Es ist im Kanton Bern an einem einzigen Standort erhalten, deshalb gilt es seit 2016 als «stark gefährdet», seine Überlebenschance hat sich durch geeignete Massnahmen gefestigt.

Im Schlusswort betont François Felber die Bedeutung des Naturschutzes: Im Vergleich zu den Militärausgaben oder dem Wirtschaftsbudget seien die Mittel für den Schutz der Biodiversität äusserst bescheiden. «Dennoch dürfen wir nicht resignieren», schreibt er. Auf allen Ebenen würde hervorragende Arbeit geleistet, gerade auch die junge Generation engagiere sich stark. «Niemand kann vorhersagen, welche Pflanze oder welches Tier in den kommenden Jahrzehnten als Nahrungsmittel, Arzneimittel oder anderweitig von Nutzen sein wird.» – Nicht zuletzt zählt doch auch die Schönheit in der Vielfalt.

Das Buch ist ein gemeinsames Werk des Musée et Jardins botaniques cantonaux in Lausanne und Pont-de-Nant, des Botanischen Gartens der Universität Freiburg und der Universität Bern. Koordiniert wurden die Texte durch François Felber, Vincent Guerra, Sébastien Bétrisey und Gregor Kozlowski.

Botanischer Schatz. Wie man bedrohte Pflanzen vor dem Aussterben rettet.
Herausgegeben vom Botanischen Garten der Universität Freiburg und dem Musée et Jardins botaniques cantonaux vaudois.
Haupt Verlag. 1. Auflage 2020. 112 Seiten, rund 120 Fotos, Tabellen und Grafiken.
ISBN: 978-3-258-08213-4

Das Buch ist zur Ausstellung «Botanischer Schatz» (ab 10. Sept. 2020) der Botanischen Gärten Lausanne und Fribourg erschienen.

Titelfoto: Türkenbund (Lilium martagon, Foto mp). In der Schweiz weit verbreitet, wächst er in Höhen von 300 bis 2000 m, gern in Buchenwäldern oder zwischen hohen Stauden. Potentiell könnte der Türkenbund ab 2035 zu den gefährdeten Arten gehören, da er langanhaltende Dürreperioden schlecht verträgt.

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3 Kommentare

  1. Den Namen Sommerglöckchen habe ich noch nie gehört und ist in Wikipedia unbekannt, ich kenne dieses hübsche Blümchen unter dem Namen Frühlingsknotenblume, diese ist aber speziel in Gärten weit verbreitet. Für den lateinischen Namen Leucojum aestivum gibt es den deutschen Namen Sommer-Knotenblume.
    Mit freundlichen Grüssen, W. Höffler

  2. Danke für Ihren Hinweis, Herr Höffler. Im Buch «Botanischer Schatz» wird das Leucojum aestivum als Sommerglöckchen bezeichnet – mit Bild. Deshalb habe ich den Namen übernommen.
    Aus Copyright-Gründen habe ich das Foto im Artikel aus Wikipedia herausgesucht, dort heisst sie – wie Sie erwähnen – Sommer-Knotenblume. Da diese Blume in der Schweiz offensichtlich nur im Kanton Bern vorkommt, haben ihr die Berner vielleicht auch einen eigenen Namen gegeben.

  3. Biodiversität erhalten ist unbestritten, aber wer sich im Alpenraum umschaut, sieht die Alpenflora auf den Wiesen und Weiden mehr und mehr verschwinden. Wo vor zwei Jahren noch die Frühlingsanemone und im Sommer die Federnelke blühten, breitet sich nach massiver Bodenbearbeitung und frischer Einsaat grünes Futtergras aus, das gleich nach der Ernte massiv mit Gülle behandelt wird. Wo es an der Vegetationsgrenze auf rund 2500 Meter Quellfluren und hochalpiner Rasen mit Polsterpflanzen, Alpenhahnenfuss und Mehlprimeln gibt, sind diese massiv zertrampelt von hungrigem Vieh, das hier kaum was zu fressen findet, weil kein Alpmeister dran denkt, einen Zaun zu ziehen, wo es doch bis hinauf zum Geröll für die Tiere völlig ungefährlich ist. Da sind Massnahmen zur Erhaltung der Biodiversität so lange ein Tropfen auf den heissen Stein, bis die Landwirtschaft in die Pflicht genommen wird.

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