Die fleischfressende Venusfliegenfalle ist bekannt dafür, dass ihre Fangblätter blitzartig zuklappen, sobald ein Beutetier ihre Sinneshaare zweimal in Folge berührt. Ein Team von Forschern der ETH Zürich und der Universität Zürich hat nun einen neuen Schnappmechanismus entdeckt.
Die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) ist die wohl bekannteste fleischfressende Pflanze. Sie fängt ihre Beute, vorwiegend Spinnen und Insekten, mit Hilfe eines ausgeklügelten Schnappmechanismus.
Der Kraftsensor des Mirkorobotik-Systems lenkt ein Sinneshaar eines Fangblattes aus, das durch die Sensoren der Kraftmessdose offengehalten wird. (Bild: Hannes Vogler / UZH)
Ihre rötlichgrünen Fangblätter besitzen je drei sehr empfindliche Sinneshaare pro Blatthälfte. Diese Haare reagieren auf feinste Berührungen und senden elektrische Impulse aus, die sich rasch über das ganze Blatt ausbreiten. Krabbelt etwa eine Fliege über das Fangblatt und löst innert kurzer Zeit zwei Impulse aus, schnappt die Falle blitzartig zu.
Neuer Auslöser entdeckt
Die physiologischen Reaktionen, die dem Fangmechanismus zugrunde liegen, werden seit mehr als 200 Jahren erforscht. Eine Erkenntnis hat sich dabei herauskristallisiert: Jede genügend starke Berührung eines Sinneshaares löst einen elektrischen Impuls aus. Bei zwei Impulsen innerhalb von 30 Sekunden klappen die Blatthälften zusammen.
Mikroskopaufnahme des Fangblatts von Dionaea musciplua – die Ausloeseborste. (Bild: Martin Brunner)
Nun zeigen Robotik- und Baustoffforscher der ETH Zürich zusammen mit Kollegen vom Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich UZH auf, dass dies nicht der einzige Auslösemechanismus ist: Entgegen der gängigen Ansicht reicht auch eine einzelne, langsame Berührung eines Sinneshaares aus, um zwei Impulse und damit das Zuschnappen der Fangblätter auszulösen. Das berichten die Forscher in einer gemeinsamen Studie, die soeben im Fachjournal Plos Biology erschienen ist.
Mit Mikrorobotik und Modell
In einem ersten Schritt ermittelte das interdisziplinäre Wissenschaftlerteam, welche Kräfte nötig sind, um den Schnappmechanismus der Venusfliegenfalle einzuleiten. Dazu nutzte es extrem empfindliche Kraftsensoren und präzise Mikrorobotik-Systeme, die von der Gruppe von Bradley Nelson am ETH-Institut für Robotik und Intelligente Systeme entwickelt wurden. Diese erlauben es, die Sinneshaare mit genau definierter Geschwindigkeit um einen exakten Winkel auszulenken und die entsprechenden Kräfte zu messen. Die Experimente haben die bisherige Theorie bestätigt: Werden die Parameter so gewählt, dass sie in etwa der Berührung durch ein klassisches Beutetier entsprechen, sind zwei Berührungen notwendig, um die Falle auszulösen.
Versuchsaufbau mit Kameras, Mikrorobotik-System und Kraftmessdose. (Bild: Hannes Vogler / UZH)
Aus den gewonnenen Daten haben Forschende um Ingo Burgert am ETH-Institut für Baustoffe ein mathematisches Modell entwickelt, das die Grenzbereiche für Auslenkwinkel und Auslenkgeschwindigkeit berechnet, bei denen der Schnappmechanismus in Gang gesetzt wird.
«Interessanterweise zeigte das Modell, dass bei langsamer Auslenkgeschwindigkeit pro Berührung zwei elektrische Impulse ausgesendet werden, und die Falle folglich zuschnappen müsste», sagt Ueli Grossniklaus, Direktor des Instituts für Pflanzen- und Mikrobiologie der UZH. Die Vorhersage des Modells konnten die Wissenschaftler dann auch experimentell bestätigen.
Langsame Beutetiere fangen
Im offenen Zustand sind die Blatthälften der Venusfliegenfalle gekrümmt und stehen unter Spannung – ähnlich wie eine gespannte Blattfeder. Das Auslösesignal führt zu einer geringfügigen Änderung der Blattkrümmung, worauf die Falle schlagartig zusammenklappt. Verantwortlich für die elektrischen Impulse sind Ionenkanäle in der Zellmembran, die geladene Teilchen aus der Zelle heraus- beziehungsweise in die Zelle hineintransportieren.
Die Forscher nehmen an, dass die Ionenkanäle so lange geöffnet bleiben, wie die Membran unter mechanischer Spannung steht. Geschieht die Auslenkung langsam, fliessen genügend Ionen, um mehrere Impulse auszulösen, was die Falle zuschnappen lässt. Möglicherweise dient der neu entdeckte Auslösemechanismus der Venusfliegenfalle dazu, Beutetiere wie Larven oder Schnecken zu fangen, die sich nur langsam bewegen.