Mein Gang ist nicht derjenige einer Primaballerina im Ruhestand. War er früher schon nicht. Macht ja auch nichts. Einer Kniearthrose wegen lässt er aber seit längerer Zeit wirklich zu wünschen übrig. Und wurde zum Gesprächsthema. «Die Judith geht aber nicht mehr schön», heisse es, wurde mir zugetragen. «Was hat sie wohl? Da sollte sie doch etwas machen!»
Fast komme ich mir vor wie Christoph Blocher. Mit seiner Millionenforderung hat er sich neue Aufmerksamkeit geschaffen. Mir fiel diese, wenigstens lokal, wegen einer veränderten Gangart einfach so zu. Meistens freut mich die Anteilnahme. Das Knie bietet den Anknüpfungspunkt und führt dann weiter zu anderen, interessanteren Themen.
Kürzlich wurde ich allerdings einer Bekannten gegenüber recht ruppig. Jahrelang hatten wir uns nicht mehr gesehen. Und «je, was hast du mit deinem Bein?» waren ihre ersten Worte in weinerlichem Tone. «Könntest du vielleicht sagen, dass du dich freust, mich nach Jahren wieder einmal zu treffen?» fuhr ich sie an. «Ich bestehe nicht nur aus Bein». Aber weinerlich fuhr sie fort: «Weisst du, ich denke jeweils, die Leute hätten Schmerzen, dann tun sie mir leid». Wir gingen dann zusammen Kaffee trinken und fanden in Kürze andere, interessantere Themen.
Es hat mich schon immer beschäftigt, wie sehr wir in unserer Gesellschaft auf die Mängel unserer Mitmenschen fokussiert sind. Dazu wüsste ich viele Geschichten. Als ich einmal einen Geschäftsmann lobte, wurde mir übergangslos ein unrühmliches Vorkommnis aus dessen Vergangenheit erzählt. Und als ich mich über die gute Zusammenarbeit mit einem Berufskollegen ausliess, musste ich mir doch wirklich anhören, dass er seinerzeit leider die Lehrabschlussprüfung nicht bestanden habe. Und als ich mich über einen weiteren anerkennend äusserte, hiess es, vor Jahren habe man ihn aus einer «Schuldenwirtschaft» retten müssen. Was sollten eigentlich diese Informationen bewirken? Meine Sympathien jedenfalls blieben unerschüttert.
Mir scheint, dass die Amerikaner in diesem Punkt anders mit ihren Mitmenschen umgehen. Qualitäten werden gelobt. Anderes erfährt man später. Einmal ging ich in San Francisco mit zwei Freundinnen zum Mittagessen. Es wurde mir angekündigt, dass noch eine vierte Kollegin zu uns stossen werde, eine interessante Frau, ehemalige Rektorin einer Universität. Als sie eintraf, erschien sie mir recht gebrechlich. Auch benötigte sie eine Sauerstoffflasche zum Atmen, die sie in einer Tasche mit sich führte. Von diesen «Umständen» war weder vor noch nach dem Treffen besonders die Rede. Aber die besprochenen Themen gaben uns noch lange Diskussionsstoff.
Zwei weitere Beispiele, aus der Schweiz und den USA, die Jahre zurückliegen, haben sich mir ebenfalls eingeprägt. Im Nationalrat hatte ich einen Kollegen, der sich im Rollstuhl fortbewegte. Wann immer von ihm in den Medien die Rede war, hiess es «xy, der Nationalrat im Rollstuhl». Auch wenn sein Anliegen, sein politischer Vorstoss, mit dem Rollstuhl in keinerlei Beziehung stand! Und in einer Medienmitteilung zu seinem Tode finde ich im Internet doch wirklich folgende erste Zeilen: «Der frühere … Nationalrat xy ist tot. Der … Anwalt starb vor einer Woche nach schwerer Krankheit mit 64 Jahren, wie seine Familie am Mittwoch in einer Todesanzeige mitteilte. Xy war der erste Volksvertreter im Schweizer Parlament im Rollstuhl». Seine vielfältigen Verdienste werden anschliessend gewürdigt, aber der Rollstuhl kommt an erster Stelle!
Das Gegenteilige erlebte ich im Zusammenhang mit Bob Dole, geboren 1923, ehemaliger amerikanischer Senator, Mehrheitsführer der Republikaner und zweimal Präsidentschaftskandidat. Über ihn wurde viel berichtet in den Medien. Das nahm ich immer mit grossem Interesse zur Kenntnis. Nie las ich etwas von einer Behinderung. Als er zurücktrat, stiess ich in einer Würdigung auf die kurze Notiz, infolge einer Verletzung aus dem Zweiten Weltkrieg sei sein rechter Arm dauerhaft gelähmt gewesen. Während seiner aktiven Zeit war davon nie die Rede gewesen. Der gelähmte Arm hatte ihn ja in seiner politischen Tätigkeit nicht behindert. Wie der Rollstuhl meinen Schweizer Kollegen auch nicht!
Übrigens, um auf den Anfang zurück zu kommen: Natürlich «mache» ich etwas, damit mein Gang sich wieder wohlgefälliger anschaut. Der Physiotherapeut sieht mich fleissig. Und ich mache Übungen. Der Hauch einer Verbesserung kündigt sich schon an!
Liebe Judith Stamm
welch eine Wohltat, ja Bestätigung ist ihr Beitrag «Schönes Gehen» für mich! da traf ich letzthin, nach längerer Nichtsehenszeit+Corona eine Freundin. ich habe einen Arthrose Ellbogen und da es Hochsommer war sah Frau ihn: !O was hast du gemacht mit deinem Ellbogen! war ihr Ausruf. Mir entschlüpfte ganz spontan: darüber sprechen wir jetzt nicht! das kam nicht ganz gut an – aber für mich wars gut! Und jetzt bestätigt mir Judith Stamm mit ihrem Artikel genau, wie ich damals fühlte und reagierte! Danke Frau Stamm!
Liebe Frau Judith Stamm
Darf ich Ihnen meine Kniearthrose Erfahrungen mitteilen? Ich werde im August 85 Jahre alt und habe ungefähr 5 Jahre vor meinem 82. Alterjahr nur gelitten und ebenfalls eine krumme Haltung angenommen, um dem stehenden Schmerz auszuweichen. Es hat lange gebraucht bis ich zur Überzeugung gelangt bin, dass eine Operation unumgänglich ist. Was hatte ich alles versucht, Physiotherapien bis zum Überdruss, Salben, Infusionen, Umschläge und Packungen, Schmerztherapien, Wandern unter Schmerzen usw. Es wurde trotzdem immer schlimmer. Unaufhaltsam und unerbittlich schritt die Arthrose voran bis zu Knochen auf Knochen mit vielen sonstigen negativen körperlichen und moralischen Nebenerscheinungen sowie Freudlosigkeit.
Heute kann ich nicht mehr verstehen warum ich so lange mit der Operation gezögert habe. Viel zu lange, denn meine Kräfte und die Moral fingen auch an mehr und mehr an zu schwinden. Fast wäre ich im Rollstuhl gelandet.
Ich habe aufgeatmet, als ich mein erster Operationsdatum für das rechte Knie hatte, auch wenn ich ca. 3 Monate ungeduldig darauf warten musste. Am 16. März 2017, da war ich fast 82 Jahre alt,
wurde ich dann im Spital Hirslanden Luzern operiert. Nachher ging es 3 Wochen in die REHA. Das linke Knie wurde im gleichen Jahr, bereits am 29. August 2017 am gleichen Spital operiert.
Es waren hervorragende, präzise chirurgische Arbeiten meines geschätzten Arztes, denn es geht es mir gut und ich kann sogar wieder Tanzen. Meine Beine sind wieder voll einsatzfähig und ich bin froh, dass ich es, trotz damalige Bedenken gemacht habe, denn das heisst wirklich mehr Lebensqualität.
Liebe Frau Stamm, wenn ich Ihnen eine Rat geben darf, dann rate ich Ihnen nicht zu lange zuzuwarten, denn auch die Kräfte lassen nach.
Sie werden sehen, dann heisst es nur noch: «Wow, sieh mal wie die schön geht»…..
Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Erfolg!
Liebe Frau Stamm.
Gute Besserung and take it easy.
Meine Tochter geht zur Zeit an zwei Krücken en , kann also nicht gut selber einkaufen, und braucht somit meine Hilfe, statt » oje was hesch gmacht » etc.
wie wärs mit schön Dich wider emol zgseh …… ?
Jrene A.