StartseiteMagazinGesellschaftSommer ohne Ferien – geht das?

Sommer ohne Ferien – geht das?

Es ist Ferienzeit und alle bleiben zu Hause. Kommt mir jedenfalls so vor. Überall wird nur im Konjunktiv gesprochen: Wir wären … , wir wollten …, wir planten … . Doch da ist dieses Virus, dieser Spielverderber. Und plötzlich sind Ferien nichts anderes als ein erweiterter Lockdown. Nur ohne Home Office. Dafür mit Masken.

Soll ich Ihnen etwas gestehen? Ich bin seit Jahrzehnten nie mehr in die Sommerferien verreist. Im Herbst ja, wenn auf den griechischen Inseln die Sonne nicht mehr so knallt und das Licht weicher wird, die Strände und Ausflugsziele nicht so überlaufen sind und dafür vollreife Trauben, Feigen und kulinarischen Köstlichkeiten serviert werden. Aber warum im Sommer verreisen? In den schönsten Wochen des Jahres, auf das Deutschschweizer Klima bezogen.

Unseren vier Kindern machten diese langen Sommertage zu Hause nicht viel aus. Sie zelteten an unserem Waldrand mit dem Vorteil, dass man bei Gewittern oder komischen Geräuschen – Igel schnaufen und schmatzen wie ganz alte Männer – das Kopfkissen packen und schnell ins eigene Bett wechseln konnte. Der kinderlose Nachbar lud die Jungmannschaft des Quartiers jeden Sommer zum «Goldgräberfrass» ein. Mitzubringen hatten alle einen Löffel und ein Stück Brot. Auf dem Feuer wurden Kilobüchsen mit Linsen und Speck erhitzt, etwas abgekühlt und dann gemeinsam ausgelöffelt. Oft wurde es etwas knapp. Weil der Hund des Nachbarn einen Teil der Linsen bereits ausgefressen hatte, bevor es jemand merkte. Dann musste der Rest halt schön geteilt werden.

Und sonst? Die Kinder mussten nichts und durften ganz viel. Ein eigens organisiertes Freizeitprogramm brauchten sie nicht. Ich machte in der NZZ Sommervertretungen und mein Mann genoss den Garten und die freie Zeit. Später, als Redaktorin mit fast erwachsenen Kindern, lagen Sommerferien gar nicht mehr drin. Diese Zeit war den Kolleginnen und Kollegen mit schulpflichtigen Kindern vorbehalten. Und wir Zurückgebliebenen hielten die Stellung.

Nach Stunden an der prallen Sonne auf dem Golfplatz erholt man sich gerne im Schatten.

Und heute? Bleibe ich im Sommer immer noch gerne daheim. Geniesse die Golfrunden in der heissen Sonne und die Drinks im Anschluss daran im Schatten. Ich pflücke Beeren, lade Gäste ein – zum Glück kann man das jetzt wieder – oder backe Cantucci als Gastgeschenk.

Feriengefühle kommen auch auf, wenn zwischen Haustüre und Ferienziel keine tausend oder mehr Kilometer liegen. Nur schon ein Waldspaziergang nach einer heissen Nacht ohne erholsamen Schlaf kann zum Erlebnis werden. Da sitzt man auf einem Bänklein und hört die ersten Geräusche des Tages. Vögel tönen am Morgen noch ganz verschlafen, bis sie dann richtig zu zwitschern und pfeifen beginnen. Plötzlich raschelt es, man dreht den Kopf und schaut einem Reh in die erschrockenen Augen. Dann ein lauter Pfiff – aha, die ersten Hunde samt Herrchen sind im Anmarsch. Also rasch nach Hause, zu Ingwertee und Zeitungen. Wer will da behaupten, das sei kein Start in einen schönen Sommertag? Ganze 100, nein nicht Kilometer, Schritte, vom eigenen Heim entfernt.

Hawaii kann warten, denkt man an einem schönen Sommertag in der Schweiz.

Wer in diesem speziellen Sommer 2020 die Ausflug-Hotspots meiden will, könnte einen Botanischen Garten besuchen. Das sind ganz eigene verwunschene Welten. Im Botanischen Garten Basel, dem ältesten der Schweiz, mitten in der Stadt am Spalentor gelegen und umtost vom Verkehr, wachsen nicht nur rund 7000 verschiedene Pflanzenarten. Nein, da nisten jeweils auch Waldkäuze. Man muss nur genau in das Geäst der mehr als 100 Jahre alten Baumriesen schauen. Mit etwas Glück entdeckt man junge, eng aneinander gekuschelte Käuzchen.

Im vor wenigen Jahren renovierten Viktoriahaus wachsen die gleichnamigen Seerosen in einem grossen Wasserbecken. Ihre mit rund anderthalb Metern Durchmesser beeindruckenden Blätter liegen wie riesige, grüne Pizzableche – mit Rand! – auf dem Wasser.

Sogar an Prominenz fehlt es nicht in der Schweiz. Die Königin der Nacht lädt in der Sukkulentensammlung der Stadt Zürich zur Audienz.

In Zürich hingegen wachsen in einem der Kuppelbauten des Botanischen Gartens Kakaopflanzen, aus deren Samen vor ein paar Jahren richtige Schokolade produziert wurde. Und in der Sukkulentensammlung, direkt am See gelegen, kann über die Phantasie der Natur gestaunt werden. Was die alles hervorgebracht hat, Wassermangel und harten klimatischen Verhältnissen zum Trotz!

Natürlich, einen Sonnenuntergang am Meer hat die Schweiz nicht zu bieten. Aber, wenigsten für ein paar Tage, einen Kometen. Und ab und zu einen riesigen Vollmond. Wer dann auf seiner Terrasse oder seinem Balkon sitzt, vielleicht ein Glas Wein neben sich und die Stimme Frank Sinatras ganz leise aus dem Wohnzimmer im Ohr – gut, das ist jetzt so zuckersüss, wie Schokoladenkuchen mit Marzipan und obendrauf kandierten Kirschen – wird feststellen, dass mehr Sommerfeeling gar nicht geht. Trotz allem.

Hier finden Sie alle bisher erschienenen Beiträge zur Serie Sommer trotz allem der Redaktionsmitglieder:
Ruth Vuilleumier: Mit Oma ausfahren
Maja Petzold: Träumereien unter der Himmelskuppel
Eva Caflisch: Aus der Not ein Hobby machen
 

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