Das Kunsthaus Pasquart in Biel blickt auf seine dreissigjährige Sammlungstätigkeit zurück. Daraus wurde unter dem Titel «Kaleidoskop» eine ebenso vielfältige wie anregende Ausstellung zusammengestellt.
Im Foyer empfängt der Stammtisch von San Keller die Besucherin. Dieses Werk von 2007 betont das Kommunikative der Kunst. Die lebt erst, wenn sie im Gespräch ist – wenn sich um ihren Platz in der Gesellschaft ein Dialog entwickelt. Es wäre jedoch schade, gleich zu Beginn Platz nehmen zu wollen, denn viele weitere Werke gilt es zu entdecken. Ein wichtiges Prinzip der Ausstellung wird sichtbar: Die beiden Kuratorinnen stellen den erworbenen Werken neue Arbeiten gegenüber, die sie für diese Ausstellung bei jungen Künstlerinnen und Künstlern aus Biel und Umgebung in Auftrag gegeben haben. Hier ist es ein Bild der Malerin Jeanne Jacob Party, Party (2020), Menschen, die in einem unbestimmten Raum schweben, als wäre «Party machen» eine Angelegenheit, der jeglicher Realitätsbezug abgeht. – Wurde hier der ‹Corona-Zustand› antizipiert?
Der Titel der Ausstellung Kaleidoskop soll anregen, über Perspektiven und unterschiedliche Sichtweisen nachzudenken, erklären Felicity Lunn, Direktorin des Kunsthauses, und Stefanie Gschwend, wissenschaftliche Mitarbeiterin. Es sind Neuzugänge zu sehen, daneben selten gezeigte Arbeiten, Einzelstücke oder Werkgruppen. In der Vielfalt spiegeln sich die unterschiedlichen Ansichten derer, die über den Kauf eines Werkes entschieden haben. Für dieses Jubiläum wurden solche Arbeiten ausgewählt, die sich in Beziehung setzen lassen, eine Verwandtschaft erkennen lassen oder heute eine unerwartete Aktualität besitzen. Entstanden ist eine reiche Präsentation, ausgesucht aus ca. 1’800 Sammlungsgegenständen.
Peter Fischli / David Weiss: Airport 1990. Cibachrome. Stiftung Kunsthaus Pasquart. Schenkung 1992
So wandert die Besucherin durch die Räume und richtet ihre Aufmerksamkeit auf die Objekte, von denen sie sich spontan angezogen fühlt. Sie findet berühmte Künstler wie Fischli / Weiss mit verschiedenen Werken, darunter Airport, drei nüchterne Fotografien von Flughäfen. Sie gehören in eine Reihe von Aufnahmen touristischer Attraktionen oder zutiefst Banalem wie in diesem Fall, Stationen des Reisebusiness. In Flughäfen wird man aufgehalten, muss warten oder bleibt im schlimmsten Falle hängen. – Die Veränderungen, die durch die Corona-Krise entstanden sind, geben auch hier unerwartet Anregung zum Nachdenken.
Markus Raetz: Form im Raum. Bronzeguss. 1991-92. Stiftung Kunsthaus Pasquart. Schenkung SBG Schweiz und Filiale SBG Biel
An anderer Stelle dieses Saales steht auf einer hohen Säule Form im Raum von Markus Raetz. Die Form der Schiffsschraube hat nichts mit Stehenbleiben zu tun. Im Gegenteil, um das Werk erfassen zu können, müssen wir es umrunden. Dabei erfahren wir, wie Wahrnehmung und Skulptur verbunden sind, durch die Änderung unseres Blickwinkels wandelt sich die Form. – Auch die anderen Werke in diesem Saal stehen zu diesem Prozess des Schauens in Beziehung.
Walter Kohler-Chevalier: Brennende Erde, Ratlosigkeit und Weisheit 1990. Acryl auf Leinwand. Stiftung Kunsthaus Sammlung Pasquart private Schenkung.
Traumwelten, Fantasie, innere Landschaften und Surreales sind die Themen in einem weiteren Saal mit Werken so unterschiedlicher Künstler wie Miriam Cahn, Claudia Schifferle, Joseph Beuys, Klodin Erb, Francisco Sierra und anderer. Farbige, schwungvolle Bilder sind dort zu sehen, daneben Formen, die sich überlagern oder – wie Miriam Cahn – Figuren, welche die Gefühle der Malerin gegenüber Menschen, Tieren und Pflanzen in untereinander verschwimmenden Farben ausdrücken.
Bruno Meier: Les Baux de Provence 1959-60. Farbstift und Bleistift aus Handpapier. Stiftung Kunsthaus Sammlung Pasquart. Schenkung Alice Meier 2009
Den Maler Bruno Meier habe ich hier für mich entdeckt. Geboren 1905 in Zürich und 1967 dort gestorben, hatte er sieben Jahre in Biel gelebt. Seinen gesamten Nachlass übergab seine Frau später dem Centre Pasquart. Seine Landschaftsbilder zeichnen sich durch Klarheit, rhythmische Aufteilung der Flächen und gedämpfte Farben aus. Diese Bilder sind aufs Wesentliche reduziert, strahlen Ordnung und Leere aus, hinter der wir Weite und innere Ruhe erahnen. Ich erfahre, dass Bruno Meier sich auf genaue Beobachtungen und stille Eindrücke konzentrierte. Er mied das gesellschaftliche Leben und kümmerte sich überhaupt nicht um Tendenzen der Kunstwelt seiner Zeit.
Gian Pedretti: Ohne Titel (innere Landschaft) / Provence, Mont Sainte-Victoire 1982. Acryl und Dispersion auf Laminatpapier. Kunsthaus Pasquart 1995 Private Schenkung.
Um inneres Erleben geht es auch bei Gian Pedretti, der mit seiner Frau Erica und den Kindern lange in La Neuveville gelebt hatte. Form und Tiefe finden in seinen Bildern ein zerbrechliches Gleichgewicht. Auch Werke von Erica Pedretti sind vertreten. Erica wurde die bekanntere Künstlerin, in ihrem Schaffen sind sich beide ebenbürtig, jeder auf seine ganz eigene Art.
Karin Hotz: Vergessen das Vergessen nicht. 2007 Mischtechnik auf MDF. Courtesy of the artist (alle Fotos mp)
Zu Beginn war die Sammlungstätigkeit des Centre Pasquart auf regionale Kunst ausgerichtet, seit einigen Jahren liegt der Fokus auf Werken internationaler Kunstschaffenden, deren Arbeiten Teil einer Ausstellung im Kunsthaus waren. Angesichts der grossen Vielfalt können hier nur ein paar individuell ansprechende Objekte erwähnt werden. Ein solches Kaleidoskop verlockt zu einem Besuch, verlockt dazu, selbst nach Werken zu suchen, die in der Besucherin, dem Besucher einen Widerhall finden.
Kaleidoskop. Perspektiven auf 30 Jahre Sammlung. Kunsthaus Pasquart Biel.
Bis 6. September 2020.
danke für den bericht. für mich als bieler ist es balsam für meine seele.
danke, gute Idee für einen Besuch!